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Die Liberalen und die Kirche

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Der österreichische Synodale Vorgang (ÖSV) empfahl 1974 der Bischofskonferenz die Erstellung eines Berichtes über die gesellschaftliche Wirksamkeit der Kirche in Österreich alle fünf Jahre. 1977 war der erste dieser Berichte fertig und wurde Papst Paul VI. überreicht. Mehrfache Erläuterungen zu den einzelnen Kapiteln erschienen anschließend in der FURCHE. Persönlichkeiten des geistigen Lebens verfaßten weiterführende kritische Stellungnahmen dazu. Originalbericht, Erläuterungen und die „Forderungen für die Zukunft“ sind nun samt einer umfassenden Zusammenschau von Univ.-Prof. Wilhelm Zauner als Buch erschienen: KIRCHE IN ÖSTERREICH (herausgegeben von Theodor Piffl-Perce-vic, Styria-V'erlag). Die FURCHE gibt nun auch einigen der „Forderungen an die Zukunft“ Raum. Autor des folgenden (gekürzten) Beitrags ist der einstige FPÖ-Abgeordnete und jetzige Österreich-Botschafter in Peking.

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Der österreichische Synodale Vorgang (ÖSV) empfahl 1974 der Bischofskonferenz die Erstellung eines Berichtes über die gesellschaftliche Wirksamkeit der Kirche in Österreich alle fünf Jahre. 1977 war der erste dieser Berichte fertig und wurde Papst Paul VI. überreicht. Mehrfache Erläuterungen zu den einzelnen Kapiteln erschienen anschließend in der FURCHE. Persönlichkeiten des geistigen Lebens verfaßten weiterführende kritische Stellungnahmen dazu. Originalbericht, Erläuterungen und die „Forderungen für die Zukunft“ sind nun samt einer umfassenden Zusammenschau von Univ.-Prof. Wilhelm Zauner als Buch erschienen: KIRCHE IN ÖSTERREICH (herausgegeben von Theodor Piffl-Perce-vic, Styria-V'erlag). Die FURCHE gibt nun auch einigen der „Forderungen an die Zukunft“ Raum. Autor des folgenden (gekürzten) Beitrags ist der einstige FPÖ-Abgeordnete und jetzige Österreich-Botschafter in Peking.

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Ich freue mich schon deswegen besonders, zum „Fünfjahresbericht über den Stand der gesellschaftlichen Wirksamkeit der Kirche in Österreich“ Stellung nehmen zu dürfen, weil damit die Herausgeber zeigen, daß sie bestrebt sind, Katholiken in allen politischen Lagern zu befragen und nicht nur jene, die einer bestimmten politischen Partei angehören.

16 Jahre bereits befinde ich mich im Ausland. Meine Besuche in der Heimat sind selten, so daß meine Stellungnahme vielleicht oberflächlich sein wird, was ich zu entschuldigen bitte...

In der Verteidigung der freiheitlich demokratischen Gedankenwelt des europäischen Westens und der europäischen Mitte haben auch die Kirchen ihre Aufgabe. Besonders meine eigene - die katholische. Sie wird aber diesen Aufgaben nur gewachsen sein, wenn sie weiterhin ökumenisch arbeitet, im engen Einvernehmen vor allem mit den anderen christlichen Kirchen, wohl aber auch mit den anderen nichtchristlichen Konfessionen in der Welt

Ich denke hier an die Äußerungen eines evangelischen Geistlichen noch vor dem Selbstmord seiner anarchistischen Tochter im Gefängnis, in denen er bemüht war, Mord an Unschuldigen mit gesellschaftspolitischen Motiven zu erklären, ja zu entschuldigen. Ich denke auch an ähnlich orientierte Sendungen im österreichischen Fernsehen.

Hier erwächst den Kirchen in der

Kirche eine Aufgabe. Sozialkritik dort, wo sie angebracht ist, aber schärfste Zurückweisung anarchistischer Taten, wo immer sie in der Welt geschehen, schärfste Zurückweisung des Terrors an Unschuldigen!

Dies wäre eine Forderung an die weitere Wirksamkeit meiner Kirche in Österreich und darüber hinaus.

Wenn der Bericht in Punkt 5 erwähnt, die Kirche müßte imstande sein, die gesellschaftliche Entwicklung ständig zu beobachten.und sich bemühen, für die Zukunft vorsehbare Aufgaben zu erkennen, zu bewerten und daraus Folgerungen abzuleiten, so ist dies ein höchst richtiger Gedanke. Die Katholische Aktion, die FURCHE der ersten Nachkriegsjahre haben dieses Ziel im Auge gehabt. Vielleicht ist es später doch ein wenig eingeschlafen, vielleicht sehe ich als ein so lange meiner Heimat Ferner ein wenig falsch. Aber die Forderung nach Erfüllung dieses im Bericht geäußerten Wunsches sei deutlich unterstrichen.

Freilich im gleichen Punkt wird das Wort „rückwärtsgewandt“ verwendet. Ist aber der heutige Gebrauch des Wortes „progressiv“ wirklich richtig? Gibt es nicht manchen Fortschritt, der geradewegs in die Erscheinung der Steinzeit zurückführt? Ich bin hier in Peking, wenigstens theoretisch, mitbeglaubigt im demokratischen Kampuchea, vormals Kambodscha genannt. Ich will nicht über die Massenmorde an der eigenen Bevölkerung sprechen, zumal dies kürzlich von der neuen Staatsführung in Phnom Penh bestritten wurde. (Der Beitrag wurde vor der Besetzung Kampucheas durch Vietnam geschrieben. D. Red.)

Ich will aber daran erinnern, daß man dort das Geld abgeschafft hat -mit dem Hinweis, dies wäre kommunistische Progressivität. Man hat auch die Apotheken zerstört und die Heilmittel vernichtet - unter dem -gleichen Aspekt. Da bin ich schon lieber rückwärtsgewandt als so progressiv. Mein älterer Schulkollege Heinrich Drimmel hat darüber klug geschrieben, man halte sich an seine Worte.

Weiter heißt es, die gesellschaftliche Präsenz wäre für unsere Kirche in neuer Weise zum Problem geworden. Dies stimmt sicher. Ich hatte eine Auseinandersetzung mit katholischen Sektierern, die klangvolle Namen im Lager der Katholiken führen - bedeutender als ich. Als ich die Schrift zitierte, die Kirche sei ein Fels, gab es wütende Kritik. Am besten, die Kirche würde sich in kleine, intensive Arbeitsgruppen aufspalten ...

Welch falscher Standpunkt: Entstehen würden Tausende, nach einiger Zeit unterschiedliche Sekten, denn natürlich würde jeder Personenkreis, und vor allem Intellektuelle, andere Folgerungen ziehen. Die Kirche braucht auch in der Zukunft einen starken Steuermann, eine klare Führung, ein sicheres Wort. Auch in der Zukunft wird es Verängstigte und Unsichere geben, ja im heutigen Staat der Bevormundung, des überzogenen Wohlfahrtsstaates, gibt es fast nur mehr Anlehnungsbedürftige und keine Stützen.

Nächste Forderung: Die Kirche möchte die Leistung, sie möchte die Tüchtigen, sie fördere die Selbstverantwortung solcher Demokratisierung. Aber darunter soll man nicht die Summierung leistungsunwilliger Bürger finden. Getfede die Tüchtigen werden als Rollenträger in der Kirche nicht überfordert sein. Die aktiven Menschen sind selten nur Sonntagvormittagschristen. Sie sind geistige Bekenner, man unterstütze sie! Ich habe auch nichts gegen eine gewisse Bejahung der kirchlichen Autorität selbst in Fragen der Gesellschaftsgestaltung. Nur behalte ich mir dazu das Recht meiner eigenen Meinung durchaus vor.

Dies gilt etwa auch auf dem Gebiet der Neugestaltung des Eherechtes. Wer wie ich als junger Richteramtsanwärter fast zweihundert Ehescheidungsprozesse am Landesgericht Wien miterlebte, bejaht im neuen Eherecht manches, was Katholische Aktion wie Amtskirche verneint haben. Man erlaube dem Katholiken dazu jene Gesinnungsfreiheit, die schon Schiller in „Don Carlos“ so richtig als Ziel einer modernen Gesellschaftsordnung angestrebt hat!

Wie wahr, daß Würde, Selbstbestimmung, Entfaltungschancen der Person die Aufgaben des Christen sind. Ich stehe hinter dieser Erkenntnis des ausgearbeiteten Papiers, ich halte die rechtzeitige Erteilung von Studienaufträgen für sinnvoll, aber auch hier lasse man Leute mitarbeiten, die nicht, man verzeihe mir in diesem Rahmen das offene Wort, als Bigotte, als Ultramontane gelten. Von diesen Gruppen ist nicht nur der Kirche oft breiter Schaden zugefügt worden.

Das Papier distanziert sich vom Liberalismus - wir Liberalen von heute sind aber weit von Manchester entfernt. Wir wissen um die Notwendigkeit des Dialoges, ja einer notwendigen Zusammenarbeit, vielleicht sogar Arbeitsteilung mit der Kirche, mit den Kirchen.

In Wahrheit sind wir Verbündete. Die modernen Katholiken, die modernen katholisch überzeugten Liberalen. Wir wollen beide nicht manipuliert verwaltete Menschen, wir wollen Selbstbestimmung, bewußte Staatsbürger.

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