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Läuft die Jugend der Kirche davon ?

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Weder als Taize-Kopie noch als Modepuppe wird die Kirche bei der Jugend eine Chance haben - sie muß die Menschen von der „Echtheit” ihres Wollens und Wirkens überzeugen.

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Weder als Taize-Kopie noch als Modepuppe wird die Kirche bei der Jugend eine Chance haben - sie muß die Menschen von der „Echtheit” ihres Wollens und Wirkens überzeugen.

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Selbstverständlich gehöre ich nicht zu denen, die warten und zuschauen wollen, ob die Jugend der Kirche nun davonläuft oder nicht. Dafür habe ich als Christ und Priester einfach zuwenig „sachliche” Distanz zu dieser Thematik.

Ich möchte aber nicht verhehlen, daß ich mir gerade als Jugendseelsorger manchmal wie Don Quixote im Kampf gegen die berühmten Windmühlen vorkomme und auch die ganze Kirche in dieser Situation sehe. Was sind schon die zwei bis drei Stunden jugendpastoraler Bemühungen pro Woche (Religionsunterricht inklusive) gegenüber den anderen einhundertfünfundsechzig Stunden, in denen etwas ganz anderes gespielt wird: zu Hause, in den Schulen, in der Berufswelt und gesellschaftlich überhaupt?

Demgegenüber sehe ich aber auch sehr deutlich den springenden Punkt, an dem sich, meiner Einschätzung nach, das Verhältnis zwischen der Jugend und der Kirche entscheidet und noch viel dramatischer entscheiden wird. Es scheint mir die Frage der „Echtheit”, der „Authentizität” der Kirche und ihres Wollens und Wirkens zu sein. So banal es auch klingen mag: aber die Kirche muß sie selbst seiftVollen, wenn sie bei der Jugend einer Chance haben will. Nicht eine Taize-Kopie und auch nicht eine Modepuppe. Denn Taize ist nicht Floridsdorf und der Zeitgeist nicht der Pfingstgeist.

Sie selbst, das ist die Kirche nur als Dienerin ihres Herrn und dessen Weges zu den Menschen und der Menschen zu ihm. Die neute-stamentlichen Bilder vom Weinstock und den Reben und vom Leib mit den vielen Gliedern sprechen da eine deutliche Sprache.

Klar, was sollte denn die Kirche schon sein wollen als sie selbst! Sie kann es aus einer Mischung von Kleingläubigkeit und Selbstüberschätzung exakt nicht sein wollen, oder nur zur Hälfte, oder nur zögernd — und damit haarscharf, aber doch, an ihrem Auftrag vorbeiwirken.

Kleingläubig, wenn sie es weder ihrem Herrn noch den Menschen -vor allem den jungen — zutraut, zueinanderzukommen. Wenn sie — durchaus wohlmeinend — aus dem „Klartext” des Evangeliums ständig Schonkost machen will und unter dem Titel „Vorfeldarbeit” meint, endlos an den idealen Bedingungen basteln zu müssen, unter denen dann der Herr mit seiner Sache ankommen kann. So, als wäre er nicht schon selbst gekommen, weil er eben bereits auch an diesen Bedingungen arbeiten und mit seiner Erlösung beginnen wollte und will.

Sich selbstüberschätzend könnte die Kirche auch in die Gefahr kommen, das eigentliche Vertrauen auf die eigenen Methoden setzen zu wollen, sich etwa als erfolgreiche Beziehungs- und Konfliktingenieurin einen Namen machen zu wollen, um so für die Menschen unentbehrlich und brauchbar zu werden. Das Ganze sollte dann schon auch der „Reputation” Jesu Christi etwas bringen ...

Die Kirche ist am „echtesten”, wenn sie nicht Angst um sich selbst hat, sich nicht mit angedienten Serviceleistungen bei den Menschen ansehensmäßig über Wasser halten will. Sie ist „echt”, wenn sie den Menschen mit ihrem

Herrn „ins Gespräch bringen” will.

Warum ich das in einem Artikel über die Jugend und die Kirche so sehr betone? Weil diese Kirche einen Herrn hat, der gekommen ist, damit wir „das Leben haben und es in Fülle haben ...” Und intensiver sucht wohl niemand nach einem „Leben in Fülle” als die Jugend.

Was ist die ganz persönliche Berufung meines Lebens? Worin lohnt es sich, das Leben ganz einzubringen? Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen müssen von uns nicht neu erfunden werden. Wir müssen nur mit dem ins Gespräch bringen wollen, der, um darauf zu antworten, einer Von uns geworden, gestorben und auferstanden ist. Damit wir diese Antworten nicht nur hören und lesen, sondern auch als Weg leben können.

Dieses Bewußtsein müßte uns zunächst entlasten von aller Angst und Panik, wir könnten die Jugend verlieren und müßten krampfhaft etwas finden, was sie bei uns hält. Es müßte uns aber mehr als bisher darüber nachdenken lassen, wie wir diesem „Gespräch” der jungen Menschen mit ihrem und unserem Erlöser und Befreier am besten dienen können.

Das hängt wohl zunächst sehr davon ab, ob unser eigenes Leben in diesem „Gespräch” mit Christus steht (vgl. Weinstock und Leib!). Jugendliche spüren, ob wir „wie Blinde von der Farbe reden” oder nicht. Ständig neue Verbindung mit Christus in der Kommunion, Versöhnung mit ihm in der Beichte, Zeiten des Gebetes während des Tages, der Begegnung mit dem Wort Gottes gehören auch zum „Alphabet” und Vokabular dieses „Gespräches” unseres eigenen Lebens mit Christus.

Weiters setzt der Dienst der Kirche durch uns alle am Gespräch der jungen Menschen mit Christus voraus, daß wir den Mut haben, andere zu diesem Gespräch einzuladen, in mein eigenes Gespräch hineinnehmen zu können, eben auch „apostolisch” zu leben.

Und nicht zuletzt wird es eine. Frage sein, ob man in der Kirche den Dienst am neuen Zustandekommen des Gespräches der Jugend mit Jesus Christus einigen Jugend Seelsorgern und Gruppenleitern überläßt und der Rest sich auf gespanntes Zuschauen und Analysieren auf Distanz beschränkt.

Wir dürfen uns keine Illusionen machen. Die Kirche ist nicht mehr . die alte Großfamilie: in der man aufwächst und stirbt, in der sich nur einige um die Kinder kümmern müßten und die nur das Haus ein wenig zu modernisieren und auszubauen braucht, damit die Jungen bleiben können.

Die Kirche hat es mit einer ausgesetzten Jugend zu tun und steht selbst in der modernen Gesellschaft wie der Apostel Paulus auf dem Athener Areopag: neben vielen anderen und viel „klügeren” Heilslehren. Wenn dieser geheimnisvolle Leib der Kirche für die Jugendlichen geheim bleibt, geht es nicht einmal mehr um ein Davonlaufen der Jugend.

Jugendseelsorge und Jugendarbeit müssen endgültig heraustreten aus dem Hobby-Winkel einiger weniger Unverdrossener. Die Jugend muß die Kirche in allen, die zu ihr gehören, als Gesprächspartnerin erleben können. Und die Kirche darf sich nicht scheuen, davon zu reden, was ihr aufgetragen ist, und muß auch darauf vertrauen, daß ihr der Heilige Geist dabei wirksam helfen will, „echt” zu sein.

Jugendarbeit der Kirche wirft noch viele andere Fragen auf — gewiß. Aber, ob es die Jugend in der Kirche überhaupt noch geben wird, hängt davon ab, ob die Jugend die Kirche als Helferin und Vermittlerin zum und im Gespräch mit dem in Sachen „Leben in Fülle” wirklich Kompetenten erfährt.

Eine Kirche, die das selbst nicht mehr glaubt oder kaum mehr zu glauben wagt, wäre wirklich zum

Davonlaufen.

Der Autor ist Diözesan-Jugendseelsorger der Erzdiözese Wien.

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