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Die Klärung steht noch aus

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Als ein dunkler Tag für die deutschen Katholiken wurde der 13. November 1997 bezeichnet, an dem in Rom die „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester" vom 15. August 1997 veröffentlicht wurde. Ein dunkler Tag auch für die Katholiken in Osterreich?

Die emotionalen Reaktionen der vergangenen Wochen erwecken den Eindruck, mit der Instruktion sei Rom hinter das 2. Vatikanische Konzil zurückgegangen. Würden die Vorschriften der Instruktion zur Ausführung kommen, dann bräche die Seelsorge in vielen Gemeinden bald zusammen. Beruhigende Kommentare, nach denen die Instruktion die österreichische Kirche überhaupt nicht im Blick habe, versuchen ebenso wie die kämpferischen Aufrufe zum Boykott, der aktuellen Situation ihren Druck zu nehmen. Das verständliche Anliegen, Verunsicherung und Demo-tivierung in den Gemeinden zu verhindern, wird nur durch jene gestört, die das Dokument als notwendige und erwünschte Klarstellung begrüßen. Von dieser Seite dürfen die Bischöfe eine Schonfrist kaum erwarten: Die Forderungen nach einer schnellen und konsequenten Umsetzung bis in die letzte Gemeinde hinein werden nicht lange auf sich warten lassen.

Kein Rückfall hinters Konzil

Die Forderungen der Instruktion stehen allerdings nicht in Spannung zu den teilkirchlichen Ordnungen Österreichs, wohl aber stellen sie manche pa-storale Praxis in Frage. Die Behauptung allerdings, die Instruktion falle hinter das 2. Vatikanum zurück, kann mit ihren praktischen Verfügungen kaum belegt werden. Fast ausnahmslos ruft sie allein Begeln in Erinnerung, die in der Nachkonzilszeit in Kraft gesetzt wurden, die jedoch von manchen schon lange nicht mehr beachtet wurden. Die eigene Praxis erschien konzilgemäßer als das geltende Becht, und viele glaubten, daß die kirchliche Bechtsordnung dieser Praxis bald Rechtskraft geben müsse. Da zu jedem Konzil seine Rezeption im,Leben der Kirche gehört, ist eine solche theologische und pastorale Option möglich. Doch geht es nicht an, das Recht zur authentischen Rezeption nur für sich selbst zu reklamieren und die Vielschichtigkeit des Rezeptions Vorganges in dem lebendigen Organismus einer Weltkirche auszublenden.

Die Instruktion ruft die bestehende Rechtsordnung in Erinnerungund versucht, diese über die Bischöfe durchzusetzen. Ihre kanonistische Bedeutung dürfte auch darin liegen, zu verhindern, daß eine dem Recht entgegenstehende Gewohnheit zum Gewohnheitsrecht wird. Denn die pastorale Praxis entspricht offensichtlich nicht mehr dem kanonischen Recht Auch wer das Anliegen oder die Einzelbestimmungen der Instruktion vorbehaltlos be grüßt, muß doch skeptisch sein, ob eine wesentlich disziplinar ausgerichtete Instruktion in dieser Situation eine Lösung sein kann. Denn die Nichtbeachtung der geltenden Regeln basiert nicht einfach auf Unkenntnis. Sie dürfte auch nicht allein durch pastorale Notlagen begründet sein. Ihren tiefsten Grund dürften die von Rom wahrgenommenen Normabweichungen in einer geschwundenen Plausibilität der kanonischen Vorschriften haben. Selbst in der Kerngemeinde, unter den Theologen und bei den ordinierten und nichtordinierten Amtsträgern werden die einschränkenden Funktionszuweisungen an Priester, Diakone und Laien inhaltlich und innerlich nicht mehr nachvollzogen und vor allem nicht mehr akzeptiert.

Faktisch werden derzeit verschiedene Konzepte in der katholischen Kirche gelebt: Die einen sehen in den nichtordinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur eine tolerierbare Notlösung, bis wieder genug Priester zur Verfügung stehen. Sakramententheo-logisch treffen sie sich mit denen, die im Pastoralassistentenberuf nur eine kurze Ubergangsfunktion sehen, bis andere Zulassungsbedingungen den hauptberuflichen Laien den Zugang zum Amtspriestertum möglich machen. Wieder andere träumen von einer amtsfreien Kirche und hoffen, daß die Kirche bald ganz ohne Ordinationen auskommt. Andere gehen davon aus, daß das Wohl der Kirche und ihre seelsorgliche Sendung auch dann nichtordinierte Seelsorgerinnen und Seelsorger verlangen, wenn es genug Priester und Diakone gibt. Diese unterschiedlichen Konzeptionen haben Konsequenzen für das Rollenverständnis der Priester und Laien. Sie schlagen sich nieder in unterschiedlichen Erwartungen und in unterschiedlichen Kompetenzzuweisungen.

„Weckruf, aber keine Lösung der Probleme

Quer durch alle Berufsgruppen und Ge-meindegliederungen geht der beobachtete Dissens. Weil offensichtlich ein innerkirchlicher Konsens nicht existiert, gibt es keine verbindlich ausformulierten Bemfsbilder für die immer noch relativ neuen pastoralen Benrfe. So handeln alle pragmatisch nach den je eigenen Vorstellungen und reagieren häufig allergisch, wenn die eigenen Kreise durch andere Plausibilitäten und Optionen gestört werden. Da ohne harte Auseinandersetzungen keine Iösung zu erreichen ist, wird der scheinbar fruchtlose Streit nicht ausgetragen und die Gestaltung des Iebens in der Gemeinde häufig dem freien Spiel der Kräfte überlassen. Der römische Einspruch ist hier ein Weckruf, der zwar selbst kaum die Lösung bringen wird, aber einen bestehenden Dissens an den Tag bringt.

Mehr als die bekannten disziplinaren Erinnerungen sollte das theologische Konzept der Pastoral, das in der Instruktion zum Tragen kommt, zum Gegenstand der Diskussion werden. So sehr auch das römische Dokument den Einsatz der Laien lobt, so wenig will es selbst in den beauftragten Laien eigenständige Seelsorgerinnen und Seelsorger sehen. Kirchliche Pastoral ist danach so eng an „die sakramentale Funktion Christi, des Hauptes und Hirten" gebunden, daß in den Laien innerhalb der Pastoral immer nur ein Ersatz für die eigentlich überall notwendigen Priester gesehen wird.

Die Geschichte des Religionsunterrichtes und der Katechese könnte zumindest für die Frage sensibilisieren, ob wirklich in der Seelsorge nur die Priester und Diakone vollveranwortli-che Subjekte sein können. Noch 1961 wird im maßgeblich von Karl Rahner verantworteten Lexikon für Theologie und Kirche der Priester als die ideale Vollform des Katecheten bezeichnet. Wenige lahrzehnte später lassen weder die amtlichen Rollenprofile noch die pädagogischen und kirchlichen Erwartungen, die an einen Religionslehrer und eine Religionslehrerin herangetragen werden, den Eindruck entstehen, diese seien, wenn sie Laien sind, nur ein Ersatz für die Priester. Ebenso ist die Beteiligung von Laien an der Sakramentenkatechese ur sprünglich nicht durch die geringere Zahl von Priestern motiviert worden, sondern sie entstand aus der Erkenntnis heraus, daß die Weitergabe des Glaubens Aufgabe der ganzen Kirche und aller ihrer Glieder ist. Vor diesem Hintergrund ist nachdrücklich zu fragen, ob Seelsorge nicht auch so sehr zur Sendung der ganzen Kirche und all ihrer Glieder gehört (vgl. Priesterdekret 2), daß erst in einem zweiten Schritt jene seelsorglichen Akte zu bestimmen sind, die aus Gründen der Angemessenheit oder auch aus theologischer Notwendigkeit einerseits beauftragten Laien, andererseits den ordinierten Amtsträgern vorzubehalten sind.

Die gegenwärtigen Schwierigkeiten zeigen, daß ein eigenständiges Berufsbild der hauptberuflichen Laien im pastoralen Dienst bisher nicht entwickelt wurde und diese häufig nur als defiziente Priester erscheinen. Bedauerlicherweise ist es nicht gelungen, die neuen pastoralen Dienste in Übereinstimmung mit der Gesamtkirche sowohl rechtlich als auch liturgisch zu etablieren, eine Möglichkeit, die zumindest prinzipiell 1972 durch Papst Paul VI. bei der Umwandlung der Niederen Weihen in Laiendienste eröffnet wurde. Folgenreich ist, daß der ek-klesiale Status der neuen Dienste nicht geklärt wurde. Negativ wirkt sich aus, daß Aufgaben der beauftragten Laien häufig unterschiedslos als allgemeines Laienrecht mißverstanden werden. All diese Defizite haben Auswirkungen auf das Priesterbild, weil Rollenunsicherheiten und Veränderungen eines Rollenträgers innerhalb desselben sozialen Gefüges immer Rückwirkungen auf alle Rollenträger haben.

Ungeklärte Identität schafft Probleme

Bei jedem Berufsbild muß aufmerksam unterschieden werden zwischen originären Aufgaben, die dem jeweiligen Beruf eigentümlich sind, und subsidiären Aufgaben, die nur ersatzweise ausgeübt werden, wenn die eigentlich Zuständigen dazu nicht in der Lage sind. Daß neben den originären Aufgaben auch subsidiäre wahrgenommen werden müssen, gilt in der Kirche nicht nur für die laien, sondern auch für Priester und Diakone. Problematisch ist es aber, wenn nicht geklärt und definiert ist, worin die eigentümlichen Aufgaben eines jeden bestehen. Verheerend muß es wirken, wenn die originären Aufgaben so in den 1 Untergrund treten, daß die subsidiären Handlungen die Identität der einzelnen prägen. Auf Dauer kann nämlich niemand seine berufliche und persönliche Identität aus Tätigkeiten entwickeln, die er nur ersatzweise ausübt. Bei der dringend notwendigen Entwicklung von klaren Berufs- bzw. Rollenbildern von Priestern, Diakonen sowie hauptbeniflichen und ehrenamtlichen Laien muß dies beachtet werden. Klare Unterscheidungen und die Bereitschaft, ihre Umsetzung konsequent, aber geduldig zu begleiten, könnten helfen, unnötige Reibungsverluste und Verletzungen zu verringern.

Der Autor ist Professorfür Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Theologischen Hochschule in Linz.

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