Die unheilige Herrschaft

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Die jüngste vatikanische Instruktion über die Pfarrgemeinden ist eine Zumutung für engagierte Laiinnen und Laien. Diese sollten sich solche Rede nicht mehr gefallen lassen.

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Die jüngste vatikanische Instruktion über die Pfarrgemeinden ist eine Zumutung für engagierte Laiinnen und Laien. Diese sollten sich solche Rede nicht mehr gefallen lassen.

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Landläufig gilt ein „Laie“ als Nichtkundiger, Nicht-Ausgebildeter, also das Gegenteil eines „Experten“. Im katholischen Kontext sind mit Laien jene 99,97 Prozent des Gottesvolks gemeint, die nicht zum Priester geweiht sind. Der Zahlenvergleich deutet an, dass es hier nicht um die Unterscheidung zwischen Kundigkeit und Unwissen geht. Sondern um eine historisch gewachsene, gerade vor 150 Jahren im Ersten Vatikanum zementiert unterschiedene „heilige Herrschaft“ (übersetzt: „Hierarchie“) ganz Weniger.

Wer glaubte, die Justierungen des Zweiten Vatikanums, die folgende Säkularisierung samt Substanz- und Relevanzverlust der Kirche sowie der exorbitante Priestermangel würden zu einer zeit- und situationsgemäßeren Verteilung von Charismen und Macht in der katholischen Kirche führen, sieht sich einmal mehr eines Besseren belehrt. Die jüngste vatikanische Instruktion mit dem euphemistischen Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“ versucht aufs Neue, den Laiinnen und Laien jegliche Führungskomeptenz in den Gemeinden abzusprechen. Der Pfarrer muss immer das letzte Wort haben (auch bei den Finanzen), und nicht einmal ein Wort wie „Leitungsteam“, das zumindest irgendeine gemeinschaftliche Verantwortung in Pfarrgemeinden andeutet, soll mehr erlaubt sein.

Engagierte Laiinnen und Laien in der Kirche sollten sich solche Rede und Denkweise nicht mehr gefallen lassen. Klar, dass das römische Papier von Angehörigen der 0,03-prozentigen Minorität Geweihter verfasst wurde, man ist angesichts von dessen Duktus versucht, von der „Klerikalismus-Kongregation“ (natürlich heißt es richtig: Kleruskongregation) zu sprechen, die es verantwortet (wobei auch angeführt wird, dass das Dokument vom Papst gebilligt wurde).

Der Ungeist des Klerikalismus

Die Instruktion atmet aber trotz vieler Franziskus-Zitate den Ungeist jenes Klerikalismus, den dieser Papst in vielen Reden und Schriften so geißelt. Nochmals: anno 2020 dürfen Laiinnen und Laien nicht mehr so mit sich reden lassen. Punkt.

Es ist verdienstvoll, wenn ein alter kirchlicher Haudegen wie der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner versucht, die bedenkenswerten Aussagen der Instruktion zu retten (Seite 9 dieser FURCHE). Aber wer den Laiinnen und Laien nach all den Mühen der Ebene, in denen diese das Schifflein katholische Kirche in den Gemeinden und an der Basis auf Kurs halten, die Organisations-, Führungs- und Fachkompetenz, die sie zweifellos haben, abspricht, handelt nicht nur „klerikal“, sondern vergeht sich an der Zukunft der Kirche.

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