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Ringen um die Wahrheit

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Aufsehen erregte vorige Woche die vatikanische „ Instruktion über die kirchliche Berufu ng des Theologen" , sichtlich die Antwort auf die ·„ Kölner Erklärung" kritischer Theologen von 1 989. Die FURCHE präsentiert das neue Dokument und zitiert Pressestimme n , eine e ingehende Bewertung wird folgen.

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Aufsehen erregte vorige Woche die vatikanische „ Instruktion über die kirchliche Berufu ng des Theologen" , sichtlich die Antwort auf die ·„ Kölner Erklärung" kritischer Theologen von 1 989. Die FURCHE präsentiert das neue Dokument und zitiert Pressestimme n , eine e ingehende Bewertung wird folgen.

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Mit der „Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen" will die Kongregation für die Glaubenslehre einen Beitrag zur besseren Bewältigung von Konflikten leisten, die zwischen Lehramt und Theologen auftreten. Zum besseren Verständnis dient der Hinweis, daß sich das Dokument nicht in gleicher Weise an Bischöfe und Theologen wendet. Es gilt vielmehr den „Bischöfen der katholischen Kirche und über sie den Theologen".

Wichtiger zum Verständnis des gesamten Textes ist indessen der Ansatz: Eine stark spirituell gehaltene Theologie. Die ganze Kirche

wird als Geschenk Gottes gesehen - und in ihr die einzelnen Aufgaben und Berufungen. Mit dieser Theologie werden Theologen, die sich sehr stark auf die wissenschaftlichra tionale Durcharbeitung des Glaubensgutes konzentrieren, Schwierigkeiten haben. Ungläubige Leser der Instruktion werden ihr vor allem wegen dieses Ansatzes nicht folgen können. Doch ist es gerade diese spirituell gehaltene Theologie, mit welcher der „übernatürliche Glaubenssinn des ganzen Volkes Gottes" am besten erfaßt wird. Auf ihn bezieht sich zu allererst der „Glaubensgehorsam", ein Zentralbegriff des Dokumentes, der ein Aspekt am Glauben selbst ist. Er verpflichtet Lehramt und Theologie in gleicher Weise, wenn auch in verschiedenen Aufgabenbereichen.

Die Eigenart der Wahrheit, um die sich Lehramt und Theologen bemühen, wird im ersten Teil als „ ein Geschenk Gottes für sein Volk" gesehen. Im Einklang mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils teilt die Instruktion die Überzeugung, daß Gott sein Volk nicht in den Irrtum fallen läßt, sondern durch die besondere Führung des Heiligen Geistes leitet, was im „ übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes" seinen Ausdruck findet. Das geschieht immer, wenn die Kirche „ von den Bischöfen bis zum letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Ubereinstimmung in Sachen des Gfaubens und der Sitten äußert". Innerhalb dieses Vorganges ist die Berufung des Theologen zu sehen: Dem Volk Gottes zu helfen, den Glauben, obwohl er ein Mysterium ist, zu vertiefen und verständlich zu formulieren, sodaß er auch mitteilbar wird.

An dieser Stelle spricht die Instruktion das heikle Problem der Wissenschaftlichkeit der Theologie an, ohne es erschöpfend behandeln zu können. Das Objekt der Theologie ist zunächst nicht ein theologisches Lehrsystem, sondern „der lebendige Gott und sein in Jesus Christus geoffenbarter Heilsplan" . Das bedingt, daß der Theologe aufgerufen ist, sich selbst in diesen Heilsplan einzubringen, sowie seine wissenschaftliche Forschung mit seinem Gebet zu verbinden. Auf diese Weise wird er selbst - und das

scheint der Instruktion ein besonderes Anliegen zu sein - für den „ übernatürlichen Glaubenssinn" aufgeschlossen.

Zugleich anerkennt die Instruktion die Theologie als wirkliche Wissenschaft. „Der Theologe muß daher notwendig auf die erkenntnismäßigen Erfordernisse seines Faches und die der kritischen Strenge, mit anderen Worten auf die rationale Kontrolle eines jeden Schritts seiner Forschung achten. „Der Theologe bleibt dabei ein Mitglied des Volkes Gottes." Daher steht die der theologischen Forschung eigene Freiheit immer „innerhalb des Glaubens der Kirche". Sie ist „innerhalb eines rationalen Wissens anzusetzen, dessen Gegenstand von der Offenbarung gegeben wird, wie sie in der Kirche unter der Autorität des Lehramtes übermjttelt, ausgelegt und vom Glauben angenommen wird".

Damit ist das Lehramt der Bisthöfe angesprochen. Ihm ist. der dritte Teil der Instruktion gewidmet, der die traditionelle Lehre der Kirche zusammenfaßt, ohne Neues hinzuzufügen, was auch nicht Aufgabe einer Instruktion wäre. Wir können diese Lehre als bekannt voraussetzen. Kurz gesagt: Aufgabe des Lehramtes ist, den Glauben der Kirche zu verkünden, ihn vor Abweichungen und Verirrungen zu schützen und zu garantieren, daß er irrtumsfrei bekannt werden kann. So gesehen ergänzen die Aufgaben von Lehramt und Theologie einander. Doch in der Praxis ergeben sich bisweilen bedeutende Schwierigkeiten, die wohl auch der Anlaß zur vorliegenden Instruktion gewesen sein dürften.

Der vierte Teil behandelt das Verhältnis von Lehramt und Theologie. Wenn, wie bereits ausgeführt, die Freiheit des theologischen Forschens innerhalb des Glaubens der Kirche zu sehen ist, haben die lehramtlichen Entscheidungen dieser Kirche auch für den Theologen ihre volle Geltung, zumal, wenn er die „Missio canonica" erhalten hat. „Von diesem Zeitpunkt an wird er amtlich mit der Aufgabe betraut, mit aller Genauigkeit und unverkürzt die Lehre des Glaubens vorzulegen und zu erklären."

Doch kann es vorkommen, daß der Theologe mit Äußerungen des Lehramtes wegen der Angebrachtheit der Form oder des Inhaltes Schwierigkeiten empfindet. Selbstkritisch gibt die Instruktion zu, daß Lehrdokumente nicht frei von Mängeln waren. „Die Hirten haben nicht immer gleich alle Aspekte oder die ganze Kompliziertheit einer Frage erfaßt." Doch soll man sich vor Einseitigkeiten oder Verallgemeinerungen hüten.

Und ein weiteres gibt die Instruktion nüchtern zu: Selbst dort, wo die Zusammenarbeit unter besten ????edingungen erfolgt, ist die Möglichkeit zu Spannungen gegeben.

Diese können aber, wenn die Ab- sicht lauter ist, „als ein dynamisches Element und als Anregung gelten, die Lehramt und Theologen zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgabe in gegenseitigem Dialog bestimmen. Das zähe Ringen von Theologen um die Annahme einer · Lehräußerung und ihre faire sowie argumentativ-lqitische Auseinandersetzung m,it \den zuständlgen Autoritäten kaJUl „zu einem wirklichen Fortschritt beitragen, indem sie das Lehramt anregen, die Lehre der Kirche gründlicher und besser begründet vorzulegen".

Den;i mehr systema,ti????ch g????????????tenen Teil folgt eine. kritische')\useinandersetzung mit verschiedenen Formen des modernen Dissens, also der Opposition, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Es soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß ein negatives Urteil „nicht die Person des Theologen, sondern nur seine öffentlich geäußerten intellektuellen Ansichten" betrifft

Die Instruktion lädt zum Schluß die Bischöfe ein, „ vertrauensvolle Beziehungen mit den Theologen zu halten", damit der Dienst am Wort und am Volk Gottes gefördert werde.

Der Autor ist Leiter des Exerzitienreferates der Erzdiözese Wien.

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