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Richtiges Verständnis um die Letzten Dinge

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Die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre hat am 14. Juli ein Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche zu einigen Fragen der Eschatologie veröffentlicht. Darin werden einige wesentliche Punkte der katholischen Lehre von den Letzten Dingen - Leben nach dem Tode, Auferstehung, Hölle, Fegefeuer - in Erinnerung gerufen. Die Bischöfe werden aufgefordert, darüber zu wachen, daß die Gläubigen nicht durch Kontroversen in der theologischen Forschung verwirrt werden. Der Ordinarius für Dogmatik an der Universität Wien nimmt dazu Stellung.

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Die vatikanische Kongregation für die Glaubenslehre hat am 14. Juli ein Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche zu einigen Fragen der Eschatologie veröffentlicht. Darin werden einige wesentliche Punkte der katholischen Lehre von den Letzten Dingen - Leben nach dem Tode, Auferstehung, Hölle, Fegefeuer - in Erinnerung gerufen. Die Bischöfe werden aufgefordert, darüber zu wachen, daß die Gläubigen nicht durch Kontroversen in der theologischen Forschung verwirrt werden. Der Ordinarius für Dogmatik an der Universität Wien nimmt dazu Stellung.

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Um die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils setzte in der katholischen Theologie auch das Bemühen um ein Neuverständnis der Eschatologie, der Lehre von den Letzten Dingen, ein - ein theologisches Kapitel, das bis dahin weitgehend auf dem Niveau eines „vortheologischen Stadiums der Verkündigung “ (K. Rahner) steckengeblieben war. Protagonisten dieses Neuansatzes waren Hans Urs von Balthasar, Joseph Ratzinger und Karl Rahner.

Im Zuge dieses weitgespannten Bemühens um die Eschatologie kam es zu einigen Neu-Einsichten und Neu-Formulierungen, die breite Zustimmung fanden:

• Allgemein wird heute deutlicher die besondere Sprach- und Bildform der bildreichen biblischen und theologischen Zukunftsaussagen gesehen, die verhindert, daß man diese zu schnell und zu „naiv“ als Information über künftige Vorgänge und Zustände versteht.

• Um den dualistisch mißverstehbaren Ausdruck „Seele“ zu meiden, der fast unweigerlich die Assoziation we£kt,a& f$nds nicht die Person des

Menschen nach dem Tod Lebensgemeinschaft mit Gott, sondern nur ein „Teil“ davon, sprechen viele Theologen von einer „Auferstehung im Tod“. Diese Auffassung wird auch in dem vom niederländischen Episkopat approbierten „Holländischen Katechismus“ vertreten; ebenso hat sie. schon ihren Niederschlag in den neuen Texten zur Totenliturgie gefunden, in denen auffälligerweise das Wort „Seele“ vermieden wird.

In dieser Situation hat es die Römische Glaubenskongregation für richtig befunden, einige Leitlinien zu setzen. Folgendes daraus scheint mir besonders wichtig zu sein:

• Die Absicht der Erklärung ist durch und durch pastoral. Sie ist von der Sorge bestimmt, daß bei den Gläubigen die fundamentale Glaubenswahrheit vom „ewigen Leben“ verfälscht, ja aufgelöst werden könnte. Auf diese pastorale Sorge hin sind besonders die Bischöfe angesprochen, aber auch die Theologen sind aufgefordert, diese Sorgen zu teilen.

• In sieben Punkten (siehe Kasten) entfaltet die Römische Kongregation die verbindliche, kirchliche.vL«ihje zum „ewigen Leben“. Diese Darstellung ist positiver Art; es wird nirgends unterstellt, daß es Theologen gibt, die diese Lehrpunkte leugnen. -Zu Recht! Ich kenne keinen einzigen wissenschaftlichen Theologen von auch nur einigem Rang und Namen, der eine der in der „Erklärung“ genannten sieben Richtlinien prinzipiell in Frage stellt (bei aller Verschiedenheit der Interpretation, die sie im einzelnen finden).

• Die Theologie ist aber insofern angesprochen, als die römische Erklärung für die Verunsicherung der Gläubigen zwei Gründe namhaft macht, welche die Theologen berühren: Erster Grund: „Willkürliche Phantasievorstellungen“ und „Uber-treibungen“, „kindertümliche oder willkürlich ersonnene Vorstellungen“ gerade in diesem Kapitel der Glaubenslehre. - Dieser Grund ist gewiß zutreffend, wenn man bedenkt, wie sowohl durch die neue (außertheologische) Todeswissenschaft, durch eine paratheologische Traktatliteratur (Arme-Seelen-Offenbarungen, Jenseits-Visionen, Teufelsmanifestationen) als auch durch eine unverantwortliche, nicht an seriöser Exegese und Dogmeninterpretation orientierte Theologie und Verkündigung- der christliche Glaube der Lächerlichkeit und Kritik preisgegeben werden kann.

Zweiter und wichtigerer Grund: Der Einfluß, „den die heute in der Öffentlichkeit ausgetragenen theologischen Kontroversen ungewollt auf die Christen ausüben“. Auch dieser Hinweis scheint mir gerade für die deutschsprachigen Gebiete wichtig zu sei», dehn hier sind durch einige weit verbreitete Veröffentlichungen bei -riicHt--wenigen Gläubigen -die Kontroversen (als Kontroversen) erst bekannt gemacht und bei manchen so erst Vorbehalte gegen neuere theologische Versuche geweckt worden.

Zu diesen theologischen Kontroversen bemerkt die Glaubenskongregation: „Der größere Teil der Gläubigen vermag ... weder deren genauen Gegenstand noch ihr Gewicht zu begreifen.“ - Auf der anderen Seite müssen Theologen, die neue Denk- und Sprach versuche vertreten (zu denen ich mich auch zähle), sich von der Glaubenskongregation fragen lassen: ob nicht dadurch die Gläubigen „verwirrt“ werden, „weil sie ihre gewohnte Sprechweise und die ihnen vertrauten Begriffe nicht mehr wiederfinden“. - Könnte aber durch eine neue Sprach- und Auslegung die Botschaft vom ewigen Leben nicht auch eine neue Kraft und Plausibilität erlangen?

• Die neue theologische Redeweise von einer „Auferstehung im Tod“ wird von der Erklärung nicht zurückgewiesen. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, mit welcher Schärfe Kardinal Ratzinger in seiner verbreiteten „Eschatologie“ gegen diese Auffassung zu Felde zieht. Gleichwohl betont die „Erklärung“ die Unersetzbarkeit des Wortes „Seele“. Die Kongregation nennt ausdrücklich die Schwierigkeit, das in der Kraft Gottes den Tod überwindende „Ich des Menschen“ zu benennen, und weiß um das Problem, welches das Wort „Seele“ bereitet. Sie glaubt aber doch, darauf nicht verzichten zu können, „zumal ja irgendein sprachlicher Ausdruck zur Stütze des Glaubens der Christen einfach notwendig ist“. - Gerade an dieser Formulierung wird deutlich, daß es sich hierum eine „Sprachregelung“ handelt, die freilich wohl nur dann nicht in die Irre führt, wenn die Ermahnungen der Glaubenskongregation, sich vor kirchlichen Phantasievorstellungen zu hüten und den Geheimnischarakter zu wahren, in der Verkündigung ganz ernst genommen werden.

• Der theologischen Wissenschaft wird ausdrücklich Mut gemacht, den

Glauben der Kirche „tiefer zu erforschen und zu entfalten“. Es geht - wie es ausdrücklich heißt - nicht darum, die theologische Forschung einzuschränken. Theologen „haben ... ein Anrecht auf unsere Ermutigung und auf jeden Freiheitsraum, den ihre Methoden berechtigterweise fordern“. -Das sind erfreuliche Aussagen, wie auch überhaupt die Erklärung nicht von Mißtrauen gegen die Theologen bestimmt ist.

Somit halte ich die Erklärung für grundsätzlich begrüßenswert. Nur in einem Punkt scheint sie mir an Wirklichkeitsverlust zu leiden: Die Unsicherheit des Glaubens hinsichtlich des ewigen Lebens ist sicher nicht von den zwei genannten Gründen verursacht. Das zeigt sich auch daran, daß die gleiche Unsicherheit außerhalb des von innerkatholischen Kontroversen beeinflußten Bereichs herrscht. Darum sollte sich meines Erachtens die pastorale Sorge der Bischöfe und Theologen eher (nicht ausschließlich!) darauf richten, im Menschen von heute die Bereitschaft zur Annahme der Botschaft von der Auferstehung und vom ewigen Leben zu wecken (was eine neue Sprache, neue Bilder, neue Plausibilitäten miteinschließt), als daß man in innerkirchlichen Sprachregelungen und Vorsichtsmaßnahmen sein Heil sucht.

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