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Mischehe aus katholischer Sicht

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Wie erwartet, haben die beiden evangelischen Stellungnahmen zum Problem Mischehe („Die Furche“, Nr. 17, 1966) ein reges Echo gefunden. Msgr. Dr. Alfred Kostelecky, Kanzleidirektor im Sekretariat der österreichischen Bischofskonferenz, hat den von uns gewünschten Dialog auf genommen und unserem Blatt ein Interview gewährt, in dem er sich mit den beiden veröffentlichten Beiträgen auseinandersetzt und den katholischen Standpunkt erläutert.

FRAGE: Monsignore, die päpstliche Instruktion über die Mischehe, die nun erlassen wurde, ist von vielen Katholiken, aber auch von den nichtkatholischen Christen mit Spannung erwartet worden. Besonders die Frage, wie die ökumenischen Bestrebungen der katholischen Kirche in einer neuen Regelung ihren Ausdruck finden werden, wurde zum Gegenstand von Erörterungen gemacht. Wir haben in unserer letzten Nummer zwei evangelische Stellungnahmen veröffentlicht. Wie bewerten Sie als katholischer Seelsorger den Geist der päpstlichen Instruktion?

ANTWORT: Ich habe die beiden Artikel gelesen und muß sagen, daß sie im Tenor der Bewertung der Instruktion sehr verschieden sind. Während Professor Fitzer die ökumenischen Bestrebungen der Instruktion freudig anerkennt, habe ich bei Pfarrer Wolfer den Eindruck, daß er das Anliegen und die Bemühungen der Instruktion nicht recht würdigt. Nun zu ihrer Frage: Die Instruktion sagt selbst, daß hier versucht wird, im Sinne des Dekretes „Über den Ökumenismus“ die Strenge der geltenden Gesetzgebung über die Mischehe zu mildern, um eine Verletzung der getrennten Brüder zu vermeiden. Aber die Instruktion schränkt selbstverständlich die Änderungen auf Fragen ein, die dem bloß kirchlichen Recht angehören. Bei allem Willen zum Ökumenismus sind also der Kirche durch das göttliche Recht Grenzen gesetzt.

FRAGE: Sie haben von den Grenzen gesprochen, die durch das göttliche Recht gesetzt sind. Können sie sagen, in der Regelung welcher Fragen die Kirche frei ist?

ANTWORT: Frei, das heißt nicht gebunden an das göttliche Recht, ist die Kirche vor allem in der Frage der Form. Hier schafft die Instruktion ja auch eine der wesentlichsten Neuerungen. Im § 4/III spricht sie zwar von der Aufrechterhaltung der bisherigen kanonischen Form für die Gültigkeit der Ehe, aber im Falle von Schwierigkeiten „soll der Ordinarius den Fall mit allen Einzelheiten dem Heiligen Stuhl unterbreiten“. Das kann nur bedeuten, daß hier, bei der Form der Eheschließung, von Rom aus Änderungen verfügt werden könnten. Frei ist die Kirche auch in der Gestaltung der liturgischen Feier. Auch hier hat ja die Instruktion Erleichterungen gebracht. Nicht frei ist die Kirche aber in der Frage der katholischen Kindererziehung und in der Auffassung vom Wesen der Ehe, das heißt von ihrer Sakramentalität.

FRAGE: Wie steht die katholische Kirche überhaupt zum Problem der Mischehe, die Instruktion warnt doch ausdrücklich davor?

ANTWORT: Das ist richtig und die Instruktion erklärt das auch: Die Ehe bedarf als Abbild der Liebe, mit der Christus sich für die Erlösung der Menschen hingegeben hat, mehr als alles andere der ganzen und vollkommenen Eintracht eben dieser Eheleute, das besonders auch im Hinblick auf die Religion. Die Kirche weiß aber auch, daß sie das Problem der Mischehen nicht ignorieren kann und versucht, eine gerechte Lösung zu finden. Die sakramentale Auffassung von der Ehe aber verpflichtet die Kirche, die Gläubigen vor den Gefahren der Mischehe zu warnen. Außerdem betrachtet nicht nur die katholische Kirche die Mischehen als ein schwieriges Problem, sondern um die Not der Mischehen wissen alle christlichen Kirchen. Vor einem soll man sich jedenfalls hüten, zu glauben, daß durch den Abschluß von Mischehen ein Fortschritt im Ökumenismus erreicht werden könne.

FRAGE: Als augenfälligster Beweis für die Änderung der Haltung der katholischen Kirche in der Mischehenfrage wird immer die Aufhebung der Exkommunikation für diejenigen, die die Ehe vor dem nichtkatholischen Geistlichen schließen, angeführt. Herr Pfarrer Wolfer erhebt nun in seinem Beitrag den Vorwurf, daß diese Aufhebung wertlos sei, weil eine Exkommunikation nicht allein durch eine Gesetzesänderung, sondern nur ausdrücklich im Einzelfall durch Absolution aufgehoben werden kann.

ANTWORT: Herr Pfarrer Wolfer zeigt sich im kanonischen Recht sehr bewandert. Es ist richtig, daß im Falle einer Beugestrafe, und die Exkommunikation ist eine solche, diese Strafe bei einer Gesetzesänderung pro futuro aufrecht bleibt. Nur dürfte ihm entgangen sein, daß die Aufhebung rückwirkend ausgesprochen wurde und dadurch auch die Sanktion des rückwirkend aufgehobenen Gesetzes, also die Exkommunikation, wegfällt.

FRAGE: Sie haben auf die verschiedene Auffassung von der Sakramentalität der Ehe hingewiesen und gesagt, daß hier die Kirche aus Gründen des göttlichen Rechts keine Konzessionen machen kann. Worin unterscheidet sich eigentlich die katholische und die protestantische Auffassung?

ANTWORT: Die katholische Kirche vertritt die Ansicht, daß die Ehe ein Sakrament ist, das sich die Eheleute in Gegenwart des Priesters spenden. Da jedes Sakrament in einer bestimmten Form gespendet wird, ist diese Form für die Spendung auch konstitutiv, das heißt,

wenn die Form nicht eingehalten wird, erfolgt auch die Spendung des Sakramentes nicht. Die evangelische Kirche hat vom Wesen der Ehe eine andere Auffassung. Schon Luther sagt, die Ehe ist ein weltlich’ Ding. Die Ehe hat also nach protestantischer Auffassung keinen Sakramentscharakter. Eines der Wesensmerkmale der katholischen Ehe ist ihre Unauflöslichkeit. Auf evangeli scher Seite muß man hier eine gewisse Inkonsequenz bemerken. Ich beziehe mich jetzt auf eine Schrift von Pfarrer Wolfer, „Die Mischehe“, aus dem Jahre 1961. Dort sagt er, daß die evangelische Kirche die Unauflöslichkeit der Ehe genauso betont wie die katholische Kirche. In der Folge meint er aber, daß eine zweite kirchliche Trauung eines geschiedenen Ehepartners noch zu Lebzeiten des Ehegatten aus erster Ehe möglich ist. Wo bleibt da die Unauflöslichkeit der Ehe? Dadurch daß die Auffassungen über das Wesen der Ehe bei beiden Konfessionen verschieden sind, ergeben sich auch verschiedene Auffassungen über die Mitwirkung und Funktion des Geistlichen. In der katholischen Kirche ist die Mitwirkung des Seelsorgers konstitutiv, ohne seine Mitwirkung kommt die Ehe nicht zu Stande. In der evangelischen Kirche ist das nicht der Fall. Damit fällt auch die Forderung nach einer gemeinsamen Trauung durch einen evangelischen und einen katholischen Geistlichen, denn der Wert der Assistenz des Seelsorgers ist eben in beiden Kirchen verschieden. Die Aufgaben, die dem evangelischen Seelsorger bei einer Trauung zukommen, kann er nach der Instruktion ja erfüllen: einen Glückwunsch und eine Ermahnung an das Brautpaar richten und gemeinsam einige Gebete verrichten.

FRAGE: Einer der Vorwürfe lautet auch, daß es wohl dem evangelischen Geistlichen gestattet wird, in einer katholischen Kirche an der Trauung mitzuwirken, daß aber die Instruktion nicht davon spricht, daß ein katholischer Geistlicher in einer evangelischen Kirche trauen kann.

ANTWORT: Der katholische

Geistliche müßte in der evangelischen Kirche einen katholischen Rechtsakt setzen. Das und das inzwischen an alle evangelischen Geistlichen ergangene Verbot, an einer gemischten Trauung, die ein katholischer Geistlicher vornimmt, mitzuwirken, werden es wohl kaum zu einer Einladung an einen katholischen Geistlichen kommen lassen, in einer evangelischen Kirche zu trauen.

FRAGE: Warum wurde die Dispenserteilung eigentlich Rom vorbehalten und nicht wie verschiedene andere Dispensen an die Bischöfe delegiert?

ANTWORT: Die Instruktion regelt eine Frage des allgemeinen Kirchenrechts. Dispensen vom allgemeinen kirchlichen Gesetz kann nur der Gesetzgeber selbst geben, der Papst. Es ist richtig, daß viele Dispenserteilungen an die Ordinarien delegiert sind, auch auf dem Gebiet des Eherechts. Diese bleiben auch weiterhin aufrecht. Nur dort, wo über die bisherige Praxis hinaus Dispensen erteilt werden könnten, will man die Erfahrungen in Rom sammeln, denn die Instruktion hat nur provisorischen Charakter. Es ist auch nicht richtig, zu sagen, die Instruktion stamme nicht vom Papst, sondern von Kardinal Ottaviani. Die Kongregation für die Glaubenslehre, deren Sekretär Kardinal Ottaviani ist, ist eine päpstliche Behörde, daher sind ihre Erlässe Erlässe des Papstes. Es ist auch kaum anzunehmen, daß eine so wichtige Frage, die das Konzil beschäftigt hat, nun ohne Wissen des Papstes entschieden worden wäre.

FRAGE: Sie sagen, die Instruktion hat nur provisorischen Charakter. Gibt es Anzeichen dafür, daß die Kirche noch über die jetzt in der Instruktion vorgesehenen Regelungen hinausgehen könnte?

ANTWORT: Die Instruktion sagt selbst, daß sie nur provisorischen Charakter hat, und daß vor einer endgültigen Regelung die Bewährung der erlassenen Bestimmungen abgewartet werden soll. Damit beantwortet sich auch die von Pfarrer Wolfer am Schluß seines Beitrages gestellte rhetorische Frage. Es ist also klar ausgesprochen, daß eine endgültige Lösung im Sinne des Ökumenismus gefunden werden soll, dazu hat sich die Kirche im Dekret des Konzils verpflichtet. Darüber hinaus läßt sich sagen, daß schon vor der Instruktion weitgehende Regelungen für den Einzelfall getroffen wurden. Die Instruktion kann das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, daß durch sie diese Praxis allgemeine Gültigkeit erlangt hat. Abschließend möchte ich sagen, daß die Kirche bemüht ist, eine seelsorgliche Lösung zu finden und es ihr durchaus nicht nur auf die Wahrung juristischer Interessen ankommt. Geleitet von diesen seelsorglichen Bemühungen und von dem Gedanken des Ökumenismus wird man sicher eine gute endgültige Lösung finden.

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