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Neue Ära der Seelsorge

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Zur Instruktion für die Durchführung der Konstitution „Über die heilige Liturgie“ vom 26. September 1964.

Am 24. Dezember des Vorjahres wurde am Tag der Abschlußfeier der zweiten Sitzungsperiode des Konzils die Konstitution über die heilige Liturgie feierlich durch Papst Paul VI. promulgiert. Kurz vor Abschluß der dritten Sitzungsperiode erschien nun die Instruktion zur Ausführung der genannten Konstitution. Damit befinden wir uns schon mitten in der Durchführung der großen, umfassenden Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Da dieses Konzil eine umfassende Selbstbesinnung der Kirche bedeutet, läßt sich an beiden Dokumenten der Umfang und die Schwierigkeit des großen kirchlichen Vorhabens seiner Bedeutung gemäß betrachten.

Die Neuordnung der heiligen Liturgie ist die erste Frucht des Konzils. Da wir im deutschen Sprach- raum durch die liturgische Bewegung, die besonders durch Österreicher wie Pius Parsch entscheidende Impulse erhalten hatte, die Bedeutung der Liturgiereform besser ermessen können als andere Teile der Kirche, sind wir auch eher in der Lage, die Leistung des Konzils kritisch zu beurteilen. Wer hätte es bei uns nicht schon vor Beginn des Konzils gefühlt, daß unsere liturgische Bewegung einerseits wohl schon weithin das kirchliche Leben erfaßt hatte, anderseits aber auch in eine Sackgasse geraten war, aus der man nur schwer einen Ausweg gefunden hätte. Die Feier der Liturgie, die Sakramentenspendung waren wohl schon volksliturgisch gestaltet, aber es fehlte die Einheitlichkeit der Texte und der Durchführung. Vieles war nicht befriedigend und einseitig festgefahren.

Nun bringt das Konzil einen neuen Aufschwung und öffnet neue Wege. Wer müßte sich darüber nicht freuen? Trptzdem regt sich manches’ Mißbehagen. Die scheinbar zaghafte und bluchstückhafte Einführung d£f-’ Neuerungen erweckt bisweilen den Eindruck des Unvollkommenen, wenn nicht Willkürlichen. Warum zum Beispiel eine neue Form der Kommunionspendung? Bedeutet sie wirklich einen echten Fortschritt? Warum, so könnte man nach der Instruktion fragen, hat man bei der Neuordnung des Messeritus den so schönen Beginn der Messe mit dem Psalm 42 fallengelassen? Solche und ähnliche Fragen hört man nicht nur von jenen, die nicht zu den Freunden der Volksliturgie gehören. Ihr Mißbehagen wird dadurch erregt, daß fortwährend geändert wird, während es den Litufgiefreunden zu langsam und zu zögernd geht. Wird nicht das Chaos und die Willkür noch größer und leidet dadurch die Liturgie nicht mehr Schaden als Förderung, fragen wieder andere? Alle diese Fragen kommen aus echter Sorge kirchentreuer Katholiken.

Reform vom innersten Kern her

Wohin steuert also die Reform? Das kann nur vom Ganzen her verstanden werden. Die Instruktion gibt einen Begriff vom Ausmaß der Reform, die sich nicht bloß in der Änderung dieser oder jener Riten,

in der Einführung der fakultativen Benützung der Volkssprache für viele Teile der Liturgie erschöpft, sondern auf eine Reform des gesamten christlichen Lebens vom innersten Kern her abzielt. Dieser innerste Kern ist aber der christliche dun ,ß cjef das Alltagsleben seine Weihe und Heiligung erhält.

Die liturgische Erneuerung hat schon1 mit dem heiligen Päpkt Plus X. ihren entscheidenden Anfang gemacht und ist seither nicht mehr zum Stillstand gekommen. Die Bächlein der eucharistischen Bewegung — Frühkommunion und Oftkommunion —, der Bibelbewegung, der liturgischen Bewegung sind inzwischen zu starken Flüssen angewachsen und beginnen schon in einen breiten Strom zusammenzufließen. Das Christentum der Aufklärung, das in einem dünnen Moralismus und in einer legalistischen Kirchenfrömmigkeit bestand, hat sich in glaubensleerem Liberalismus und totaler Kirchenentfremdung aufgelöst, und nun beginnt sich echtes christliches Leben von einem inneren Kern immer mehr auszubreiten auf die Gesamtheit der christlichen Gemeinden. Was nun durch das Konzil geschieht, das ist eine großzügige Flußregulierung. Die Kräfte der Bächlein und Flüsse und des großen Stromes sollen nicht verlorengehen, sich nicht verlieren, sondern zu einer gewaltigen Energiequelle christlichen Lebens und christlicher Erneuerung werden. Ein neuer christlicher Lebensstil soll entstehen, der Begeisterung und Freude weckt.

des Psalms 42, die Fortlassung des Schlußevangeliums und der leoni- nischen Gebete. Auch der zulässige Umfang der Muttersprache wird geregelt. Jene Teile, die von einer Schola rezitiert oder gesungen werden beziehungsweise vom Lektor gelesen werden, braucht der Priester nicht mehr privat zu sprechen.

Auch die Teile des Ordinariums,

also Kyrie, Gloria, Credo, Pater noster, kann der Priester mit der Schola oder mit dem Volke beten oder singen. (Hier ist wohl gemeint auch in der Muttersprache.)

Das Gebet über die Opfergaben (Sekret) wird laut gesprochen oder gesungen. Ebenso das Gebet nach dem Pater noster, der Embolismus zum Gebet des Herrn. Auch die Doxologie am Ende des Kanons, „per ipsum et cum ipso..wird laut gebetet oder gesungen. Damit ist wohl auch schon gesagt, daß der übrige Kanon, wie bisher, leise gebetet wird.

Die Instruktion über den Ritus der Sakramentenspendung liegt uns noch nicht vor. Doch fällt diese nicht so, wie die Änderungen in der Eucharistiefeier ins Gewicht, da die Sakramente nur einzelnen gespendet werden, die Eucharistiefeier jedoch eine gemeinsame ist.

Mit Geduld und Verständnis

Diese zahlreichen Änderungen sind sicherlich nicht sofort verständlich. Man kann sie nur im Zusammenhang verstehen. Es geht um die rechte Form der Mitfeier durch die Gläubigen. Viele fürchten, daß die Einheit der Liturgie, die bisher so recht ein Zeichen der Katholizität war, durch die starke Verwendung der Volkssprache verlorengehen wird. Deshalb ist genau zu unterscheiden zwischen den „Kann-Bestimmungen“ und „Muß-Bestimmungen“. Alle Bestimmungen, welche die Verwendung der Volkssprache betreffen, sind „Kann-Bestimmungen“, das heißt, die lateinische Liturgie wird dadurch nicht berührt. Alle Bestimmungen hingegen, welche die Riten betreffen, sind „Muß-Bestimmungen“.

Andere befürchten, daß die Einheit der Liturgie, durch noch zunehmende Willkür völlig verlorengehen wird. Dagegen muß gesagt werden, daß der Willkür gerade durch eine klare, umfassende Gesetzgebung ein Ende bereitet werden soll. Mit der endgültigen Einführung der neuen liturgischen Gesetzgebung wird dem Experimentieren ein Ende gesetzt. Auch das Vielerlei an Texten wird durch die Einführung der von der Kirche approbierten liturgischen Texte in der Volkssprache ein Ende finden.

Es ist verständlich, daß ein solches umfassendes Werk nicht auf einmal und nicht in kürzester Zeit geschehen kann. Bis die endgültig approbierten Texte eingeführt werden können, wird wenigstens ein Dezennium vergehen. Auch die Durchführung der liturgischen Neuerungen in den einzelnen Gemeinden geht nicht auf einmal. Die jetzt lebende Generation der Katholiken hat die Aufgabe, mit Geduld und Verständnis an der großen Erneuerung der Liturgie mitzuarbeiten, aber auch das Verdienst, eine neue Ära der Seelsorge vom Altäre aus mitvorbereitet zu haben.

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