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Am letzten Sonntag, dem 16. Februar 1964, trat die vom Zweiten Vatikanum mit großer Mehrheit beschlossene Konstitution über die heilige Liturgie in Kraft. Damit begann die auf Jahre geplante Erneuerung des katholischen Gottesdienstes. Während einige Punkte der Konstitution, wie zum Beispiel die fakultative Spendung des Ehesakraments innerhalb der heiligen Messe, unmittelbar wirksam wurden, obliegt die Durchführung der meisten Bestimmungen den zuständigen Bischofskonferenzen, beziehungsweise dem Heiligen Stuhl. Die Bischöfe werden jeweils insbesondere über die Verwendung der Volkssprache und über den Einbau der Volkselemente (Missionsländer!) zu befinden haben. Dem Apostolischen Stuhl obliegt unter anderem die Neuordnung des Ordo Missae, die Aufstellung der über mehrere Jahre verteilten Schriftlesung während der heiligen Messe, die Festlegung der Anlässe für die Kommunion unter beiden Gestalten und die Erstellung neuer Riten für die Sakramente.

In ihrem Pastoralschreiben an den Klerus zur Neuordnung der Liturgie haben die österreichischen Bischöfe darauf hingewiesen, daß die Konstitution verständlicherweise nicht alle Wünsche erfüllt, die von verschiedenen Seiten erhoben wurden. Sie konnte keinen liturgischen Umsturz bringen, da sie sonst keine Mehrheit in der Konzilsaula gefunden hätte. Dennoch ist es wohl anzunehmen, daß der Geist der Konstitution über ihren Buchstaben hinaus verpflichtet, indem er das Wesen der Liturgie im tatsächlichen Gemeinschaftsgeschehen sieht.

Die Konstitution bezeichnet die Liturgie als den „Gipfel, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich als die Quelle, aus der alle Ihre Kraft strömt“ (Art. 10). Um aber diese Kraft auf die richtige. Weise auszuschöpfen, „ist es notwendig, daß die Gläubigen mit recht bereiteter Seele zur heiligen Liturgie hinzutreten, daß ihr Herz mit der Stimme zusammenklinge und daß sie mit der himmlischen Gnade zusammenwirken, um sie nicht vergeblich zu empfangen“ (Art. 11). Einer der Leitsätze der Konstitution besagt, daß die Gläubigen „zur vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden“ (Art. 14).

Im Zentrum des religiösen Lebens steht unverrückbar die Eucharistiefeier. Wer die historische Entwicklung des Meßopfers verfolgt, wird sich mit Trauer bewußt, daß Umweltseinflüsse und innerkirchliches Fehlverhalten das gemeinsame Gedächtnismahl bis zu einem Extrem verändern konnten, das sich nach außen hin von einer Pantomime kaum unterscheidet. Von der in der Sprache der Gläubigen gehaltenen Hausmesse der urchristlichen Zeit, bei der alle mitbeteten, mitsangen und die Gaben empfingen, führt die Entwicklung über die byzantinisierte Basilikalmesse des romanischen Zeitalters zur volksfremden Messe des Hochmittelalters. Schon weil die Anpassung an die Volkssprache versäumt wurde, werden die meisten Gebete nun nicht mehr laut gesprochen; der Altartisch wird zum entfernten Hochaltar. Die Gemeinde wird zur Zuseherschaft — ein Status, der bis heute nachwirkt, und dessen Überwindung eines der wichtigsten Pastoralen Anliegen ist. Daher hat die Kirche ihre ganze Sorge darauf zu richten, daß die Christen der Meßfeier „nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium verstehen lernen und so die heilige Handlung bewußt, fromm und tätig mitfeiern...“ (Art. 48). Es liegt auf der Hand, daß ein „Zusammenklingen von Herz und Stimme“ und eine „volle, bewußte und tätige Teilnahme“ nur bei durchgehender Verwendung der Volkssprache möglich ist. Die Bischofskonferenz wird daher ihre erste Aufgabe in einer möglichst weiten Ausschöpfung der Bestimmungen des Art. 54 der Konstitution sehen. Es brauchen die Argumente, die für die Verständlichkeit der liturgischen Sprache streiten, nicht mehr einzeln angeführt zu werden. Eine zusammenfassende Darstellung findet sich bei Hans Küng: „Kirche im Konzil“, Herder-Bücherei, 1963, S. 90 ff.

Während der Übergangszeit ist es notwendig, alle im Pastoralschreiben angedeuteten Möglichkeiten zu nutzen, um den Geist der liturgischen Erneuerung des gläubigen Volkes zu heben.

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