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Mischehe: Wird die Tür geöffnet?

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„An dem Tage, an dem die katholische Kirche auf hören wird, diejenigen ihrer Kinder zu exkommunizieren, die in einer Mischehe den Segen einer protestantischen Kirche empfangen, wird sich nicht nur die Atmosphäre ändern, sondern es wird auch eine der objektiven Bedingungen für das ökumenische Gespräch erfüllt sein“, so erklärte nach W. Harenbergs instruktivem Buch „Mischehe und Konzil“ der französische Theologe Roger Mehl auf der 4. Weltkonferenz für Glaube und Kirchenverfassung in Montreal.

Was vor drei Jahren gefordert wurde, scheint nun erfüllt. Der Heilige Stuhl hat in der von Kardinal

Ottaviani am 14. März 1966 gezeichneten Instruktion „Matrimonii sacramentum“ in Abschnitt VII verfügt: „Die im Kanon 2319 § 1 Ziffer 1 vorgesehene Exkommunikation für diejenigen, die die Ehe vor dem nichtkatholischen Religionsdiener schließen, ist abgeschafft. Diese Abschaffung gilt rückwirkend“.

Viele Katholiken werden aufatmen. Der evangelische Partner einer Mischehe wird sich in seinem mitleidenden Gewissen erleichtert fühlen, weil nun sein Gemahl nicht mehr in seiner Kirche exkommuniziert ist. Und manche, die im ökumenischen Gespräch eifrig sind, werden einen Schimmer aufkommen sehen, als ob ein neuer Tag anbräche. Denn ausdrücklich wird in der Instruktion auf das Dekret „Über den Ökumenismus“ hingewiesen, „das vom II. Vatikanischen Konzil feierlich festgelegt worden ist.“ „Diese neue Disziplin“, so heißt es, „rät an, die Strenge der geltenden Gesetzgebung über die Mischehe zu mildern, sicherlich nicht, soweit sie göttlichen Rechtes ist, sondern in einigen Normen des kirchlichen Rechtes, von denen sich die getrennten Brüder nicht selten verletzt fühlen.“

Ein neuer Weg?

Ist hier ein neuer Weg eingeschlagen worden? Wird sich in der bittersten und am meisten die Christen verletzenden Frage der Behandlung der Mischehe Entscheidendes ändern?

Man kann die Tatsache, daß die Tür vorsichtig einen kleinen Spalt breit geöffnet wird, nicht hoch genug schätzen. Zeigt sie doch, daß der Heilige Vater gleichsam mit einem Federstrich eine Ziffer eines Paragraphen im Gesetzbuch der römisch- katholischen Kirche aufheben kann. Man schöpft Hoffnung. Was angefangen wurde, kann zum Besseren und Größeren weitergeführt werden.

Man fragt: Können die Bestimmungen dieser Instruktion den Bischöfen und führenden Theologen und Laien der katholischen Kirche, die Reformen für notwendig halten, zum Instrument einer Weiterentwicklung werden? Es sind doch viele der Meinung, daß die alten Fronten aufgebrochen werden müssen, daß es fromme und überzeugte Christen in allen christlichen Kirchen gibt. Wir leben nicht mehr in der Zeit der Gegenreformation, da ein Posten am Schweizer Tor in der Wiener Hofburg die Parole des Evangeliums mit einem Griffel in den Steinpfeiler der Hofseite ritzte: „Si Deus pro nobis, quis contra nos 1660.“ Contra nos sind heute sehr viele. Es beginnt aber die Zeit, in der es wieder heißt „Wir Christen“ und nicht mehr bloß exklusiv „Wir Evangelischen“ oder „Wir Katholiken“. Papst Johannes XXIII. hat einen Anfang gesetzt. Das Ökumenismus-Dekret, das von dem Sekretariat für die Fragen der Einheit unter der Lei tung des Kardinals Bea SJ. ausgearbeitet wurde, hat die ersten Schritte auf dem neuen Wege getan. In der Instruktion über die Mischehe werden die Pfarrer ermahnt, deren „Pflicht es ist, die Gläubigen in der katholischen Lehre zu unterweisen, dieses zu tun unter Berücksichtigung der schuldigen Ehrfurcht vor den anderen, das heißt den Nichtkatholiken, die ihrer Überzeugung im guten Glauben treu sind.“

Wenn diese Mahnungen und Neuanfänge von allen katholischen Pfarrern in unserem Lande beachtet werden, insbesondere von denen, die restaurativ eingestellt sind und hier und da Orthodoxie und Glaubenstreue mit Fanatismus verwechseln, so könnte in langsamer Entwicklung manches besser werden.

Die Tür ist einen Spalt geöffnet. Es könnte freilich auch sein, daß manchen Vätern die frische Luft als eine Zugluft und unbekömmlich erscheint und die Tür wieder geschlossen wird. Eines von beiden wird geschehen müssen. Wir hoffen, daß man die Tür weiter öffnet.

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