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Rom zum Thema „Dissens"

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32. Schon wiederholt hat das Lehramt die Aufmerksamkeit auf die schweren Schäden gelenkt, die für die Gemeinschaft der Kirche aus jenen Haltungen systematischer Opposition entstehen, die sogar zur Bildung von organisierten Gruppen führen. Papst Paul VI. hat in seinem Apostolischen Schreiben Paterna cum benevolentia eine Diagnose vorgelegt, die ihre volle Gültigkeit behält. Hier soll vor allem von jener öffentlichen Oppositionshaltung gegen das Lehramt der Kirche die Rede sein. Sie wird auch „Dissens" genannt-und muß gut von einer Situation persönlicher Schwierigkeiten unterschieden werden ...

33. Der Dissens kann verschiedene Formen annehmen. In seiner radikalsten Ausprägung möchte er die Kirche umwandeln und dabei einem Modell des Protestes folgen, wie es in der politischen Gesellschaft verwendet wird. Häufiger wird die Meinung vertreten, der Theologe sei nur dem unfehlbaren Lehramt zu folgen gehalten, während nach Art e.ines. gewissen theologischen Positivismus die ohne Inanspruchnahme des Charismas der Unfehlbarkeit vorgelegten Lehren keinerlei verpflichtenden Charakter hätten, wobei dem einzelnen volle Frei-

heit gelassen wilrde, ihnen anzuhängen oder nicht. So sei der Theologe völlig frei, nicht unfehlbare Lehren des Magisteriums, zumal bei Einzelnormen der Moral in Zweifel zu ziehen oder abzulehnen, und durch eine derartige kritische Opposition könne er sogar zum Fortschritt der Lehre beitragen.

38. ; .. Dem Lehramt der Kirche ein oberstes Lehramt des Gewissens entgegenzustellen heißt, den

Grundsatz der freien Prüfung vertreten, was aber mit der Entfaltung der Offenbarung und ihrer Weitergabe in der Kirche sowie auch mit einer korrekten Auffassung der Theologie und der Funktion des Theologen unvereinbar ist. Die Glaubensaussagen sind nämlich nicht das Ergebnis einer rein individuellen Forschung und freien Kritik des Wortei; Gottes, sie bilden vielmehr ein kirchliches Erbe. Wenn man sich von den Hirten trennt, die die apostolische Überlieferung lebendig halten, setzt man die Verbindurlg mit Christus unwiderruflich aufs Spiel.

39. . . .,Nat.:h dem Vorbild der Mitglieder der ersten Gemein- .

schaft müssen alle Getauften mit den ihnen eigenen Charismen aus aufrichtigem Herzen nach harmonischer Einheit in Lehre, Leben und Gottesdienst streben (vgl. Apg 2,42). Hier liegt eine Regel vor, die sich aus dem eigentlichen Sein der Kirche ergibt. Deswegen darf man ·auf sie auch nicht schlicht und einfach Verhaltensmaßstäbe anwenden, die ihren Seinsgrund in der Natur der bürgerlichen Gesellschaft oder in den Regeln

haben, nach denen eine Demokratie funktioniert... Von der mehrheitlichen Meinung das, was man zu denken und zu tun hat, ableiten wollen, gegen das Lehramt den Druck der öffentlichen Meinung einsetzen, den „Konsens" der Theologen zum Hauptmaßstab machen oder den Anspruch erheben, der Theologe sei der prophetische Wortführer einer „Basis" oder autonomen Gemeinschaft, die damit die einzige Quelle der Wahrheit wäre, all das zeigt einen schwerwiegenden Verlust des Sinns für die Wahrheit und des Sinns für die Kirche.

Aus der . Instruktion über die kirchliche Be. rufung des Theologen" der Kongregation für die Glaubenslehre.

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