"In meiner Schwäche bin ich stark"

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Ungebrochenes Charisma, progressiv nach außen, erzkonservativ nach innen: Inhaltlich erfüllte der Papst, was von ihm erwartet werden konnte.

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Ungebrochenes Charisma, progressiv nach außen, erzkonservativ nach innen: Inhaltlich erfüllte der Papst, was von ihm erwartet werden konnte.

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Es war sehr schön. Es hat uns sehr gefreut. Drei, wie weltweit üblich, sehr würdige, passagenweise auch durchaus berührende Eucharistie-Feiern, einige perfekt inszenierte Begegnungen. Schöne, ruhige Bilder, gemessene Bewegungen, als hätte die Hektik unserer Zeit drei Tage Pause gemacht und im Mittelpunkt die Gestalt eines alten, kranken, gebrechlichen Mannes, der einmal mehr das Paulus-Wort zu inkarnieren schien: In meiner Schwäche bin ich stark.

Wer sich mehr erwartet hat, ist seinem eigenen Wunschdenken in die Falle gegangen, in der jetzt wohl auch einige unserer Bischöfe zappeln, die in aller Öffentlichkeit ihre Hoffnung artikuliert hatten, daß vom Papst ein klärendes Wort zur Lage der österreichischen Ortskirche kommen würde. Wir werden unseren Scherbenhaufen selber zusammenkehren und über unseren tradierten Schatten springen müssen, der uns immer wieder in unserer Geschichte auf die Hilfe irgendeines großen Bruders hoffen läßt.

Trotz des Lobes für die Dialog-Initiativen (Auszüge: siehe Seite 9), das er nicht selber aussprach, sondern verlesen ließ, ist klar geworden, daß von Rom keinerlei Anstrengung unternommen werden wird, um das schmerzliche Schisma zwischen Klerus und Laien zu überwinden. Im Dom zu Salzburg gab es zwar Anerkennung für die Arbeit der Laien, die, wie der Pontifex meinte, mit Geld nicht zu bezahlen sei, aber gleichzeitig wurde diese Mitarbeit in die üblichen alten Schranken gewiesen: Lektorat, Kommunion-Spender, Tischmütter für Erstkommunikanten und Firmlinge und Pfarrgemeinderäte etc. Gäbe es diese Laienmitarbeit nicht mehr, so der Papst, "würde den Pfarrgemeinden etwas Wesentliches fehlen." Dieser Nebensatz ist entlarvend. Wer immer diesen Satz geschrieben hat, hat offensichtlich noch immer nicht begriffen, daß es ohne Laien, ohne diese Glieder des Gottesvolkes, Kirche, Pfarrgemeinden schlicht nicht mehr gäbe. Da hat es auch nicht viel geholfen, daß in der Salzburger Predigt sogar ein Satz von Thomas Plankensteiner zitiert wurde: "Tretet nicht aus, sondern tretet auf." Als Zitat in diesem Kontext ist er ja wohl auch nicht nach innen, sondern nach außen zu verstehen gewesen.

Die Betonung des Amtspriestertums hat Johannes Paul II. auch in St. Pölten fortgesetzt und die theologisch umstrittene Behauptung aufgestellt, daß Jesus selber Priester und Bischöfe eingesetzt hat. "Dem Laien gebührt Dankbarkeit, aber er kann nicht das ersetzen, was den Priester ausmacht. Ein Priester kann nur durch einen Priester ersetzt werden" - sagte er und holte im selben Atemzug zu einem Lob für den St. Pöltener Bischof aus, dessen Sorgfalt bei der Führung der Diözese er rühmte und seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, er möge auch in Zukunft viele Priester senden. Weiß er wirklich nicht, welche Priester auf welche Weise in St. Pölten geweiht werden und wie es den betroffenen Gemeinden mit ihnen geht? Oder lobt er gerade deshalb, weil er weiß?

Jugend aufgemuntert Seine aufmunternden Worte an die Jugend hatten in allen drei Predigten einen wichtigen Platz. "Der Papst zählt auf euch! - Ihr seid das Kapital der guten Hirten! Ihr seid ein Brief Christi, seine Visitenkarte! etc." Gut und sicherlich ehrlich gemeint, aber an welche Jugendlichen wandte er sich mit seinen anfeuernden Worten? An die in dichten Reihen geschlossen, stramm-frommen, fähnchenschwingenden, Parolen skandierenden Burschen und Mädchen, die von Jugendtreffen zu Jugendtreffen pilgern. Ihren Zurufen lauschte er lange und ermunternd, denn das hört er natürlich gerne: "Johannes Paul II., wir stehn auf deiner Seite."

Inhaltlich hat Johannes Paul II. alles erfüllt, was von ihm erwartet werden konnte. Wie sollten da nach einem zwanzigjährigen Pontifikat plötzlich neue, andere Töne kommen. Diese anderen Töne findet er nur im politischen Bereich, weil da die andere Seite seiner Persönlichkeit anklingt. Und so war seine sogenannte "Europa-Rede" in der Hofburg auch etwas, was vielleicht weiterwirken kann, wenn unsere Politiker offene Ohren hatten. Er teilte Begriffen wie EU-Osterweiterung eine klare Abfuhr und forderte zu einer Europäisierung vom Atlantik bis zum Ural auf. Er kritisierte, daß eine geistig-ökonomische Trennungslinie zwischen Ost und West weiter aufrecht erhalten werde, er wandte sich gegen eine Globalisierung von Armut und Elend und forderte eine Globalisierung der Solidarität. Er mahnte eine restlose Aussöhnung mit den Juden als Grundpflicht der europäischen Christen an.

Hier kann man natürlich fragen, warum dann das vatikanische Schoa-Papier so dünn und halbherzig ausgefallen ist. Er lobte Österreich für seine historische Flüchtlings-Politik und ermutigte die Verantwortlichen, sich dieser früheren Großzügigkeit und Offenheit neu zu besinnen und forderte überhaupt eine Stärkung der sozialen Verantwortung, indem er auf ein verbrieftes Recht auf Arbeit pochte, auf die politische Pflicht, die Stimme für die Schwachen zu erheben und den Menschen endlich als Subjekt der Wirtschaft anzuerkennen und zu stärken. Österreich müsse, meinte Johannes Paul II., sich europaweit für eine Kultur des Lebens und gegen eine Unkultur des Todes einsetzen (Zitate aus der Europa-Rede siehe unten).

Keine Festung Europa "Europa", betonte er abschließend, "darf nicht zu einer Festung werden, sondern es muß seine Seele wiederfinden" - und wünschte allen Verantwortlichen neuen "Mut zum Brückenbau".

Soviel zu den beiden doch sehr unterschiedlichen Bereichen seine inhaltlichen Aussagen, erzkonservativ nach innen und progressiv nach außen. In diesem Zwielicht bleibt ein Wort des Papstes fragwürdig, wenn er auf dem Wiener Heldenplatz erklärte: "Rechtgläubigkeit verlangt Glaubwürdigkeit!"

Was immer er auch sagte, in seinem ganzen Auftreten bewies er einmal mehr Charisma und innerlich ungebrochene Kraft, vermutlich gerade dadurch, weil er in seiner äußeren Gestalt zu einem Symbol menschlicher Hinfälligkeit geworden ist, die er gerade nicht zu verstecken sucht, sondern an der er die Menschen auch körperlich teilhaben läßt.

Unvergeßlich die Szenen im Dom zu Salzburg, als er den ungeliebten schwarzen Stock weggab, und sich buchstäblich an Kinderhänden entlanghantelte und jungen und alten, mit besonderer Zärtlichkeit behinderten Menschen über den Kopf strich. An zwei Dingen hält sich dieser Papst in seiner äußeren Erscheinung noch aufrecht, am Kreuz und an den Kleinen seiner Herde. Das ist gerade in einer Zeit eines ökonomischen Neodarwinismus, in der nur der Starke, der Tüchtige, der Erfolgreiche zählt, ein wichtiges und menschlich berührendes Zeichen, das hoffentlich richtig verstanden worden ist.

Die Autorin ist Radiojournalistin in Wien.

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