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Wohin geht dieser „Papa Luciani“?

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Warum der neugewählte Papst ein typischer Italiener im besten Sinn des Wortes ist: „un papa buono“.

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Warum der neugewählte Papst ein typischer Italiener im besten Sinn des Wortes ist: „un papa buono“.

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Wer ist Albino Luciani wirklich? Nicht nur in Rom wird diese Frage gestellt. Es geht um die Deutung eines beginnenden Pontifikats. Albiao Luciani ist Sohn eines Arbeiters, eines Gastarbeiters. Also ein Linker? Nein! Er war 20 Jahre Professor in der Diözesanlehranstalt von Belluno. Also ein Intellektueller? Nein! Seine Stimme wirkt unsicher. Also ein Leisetreter? Nein! Er betont erstaunlich oft, die Haltung von Demut und Bescheidenheit Also ein Mensch ohne Profil? Nein!

Wie soll man einen neuen Papst einschätzen, der als Bischof fingierte Briefe an Charles Dickens, Mark Twain, Kaiserin Maria Theresia, Goethe, den Heiligen Bonaventura, ja selbst an Andreas Hofer und schließlich sogar (allerdings mit zitternder Hand) an Jesus schrieb? Köstliche, geistreiche und leicht lesbare Briefe.

Auch der vatikanische Apparat scheint Schwierigkeiten zu haben, sich mit den Gewohnheiten des neuen Papstes zurechtzufinden. Statt des majestätischen Plurals verwendet er gerne die viel persönlichere und auch zeitgemäßere Ich-Form, so in seiner Ansprache an die Journalisten, was den Osservatore Romano nicht hinderte, den Wortlaut in feierlicher Wir-Form abzudrucken. Die Römer, die vatikanische Vorgänge genau zu beobachten pflegen, machten sich darauf ihren Reim: offensichtlich gäbe es nun zwei Päpste, einen Johannes, der dem Volk gehört, und einen Paulus, der der Kurie gehört.

Der Name - ein Programm

Eine Deutung der Persönlichkeit .Albino Lucianis - und möglicher Leitlinien - seines Pontifikats ist noch recht früh, doch zeigen sich bereits Schwerpunkte. Eine erste Deutung gab der Papst selbst durch seine Namensgebung. Sie ist ein Bekenntnis zum kirchenpolitischen Kurs seiner beiden Vorgänger. Er erklärte: Johannes wolle er heißen, weh er von Johannes XXIII. die Bischofsweihe erhielt, ihm auf dem Bischofsstuhl des Heiligen Markus nachfolgen durfte und überdies ein Bewunderer seiner Herzensgüte sei.

Paulus wolle er heißen, weil ihn Paul VI. zum Kardinal ernannte. Vor allem aber, weil dieser Papst während der 15 Jahre seines Pontifikats ihm und der ganzen Welt gezeigt habe, „wie man die Kirche hebt, ihr dient, für sie arbeitet und leidet“.

Aufschlußreicher und mehr ins Einzelne gehend ist eine Analyse der ersten Rundfunkbotschaft an die Welt am Morgen nach seiner Wahl. Ähnlich wie Paul VI. in seiner ersten Enzyklika „Ecclesiam Suam“ geht auch der neue Papst von der Kirche aus. Ein Vergleich der beiden Dokumente zeigt indes deutliche Verschiebungen in der Akzentsetzung.

Sieht Paul VI. die Kirche betont im Dialog mit der modernen Welt, mit den getrennten Brüdern, mit den nichtchristlichen Religionen und mit den modernen Atheistin, so achtet Johannes Paul I. stärker auf den innerkirchlichen Bereich, auf die Kräfte, welche die Kirche von innen her festigen oder festigen sollten. In dieser Botschaft finden wir einen Satz, der für die Deutung der Leitlinien dieses beginnenden Pontifikates entscheidend zu sein scheint: „Wenn die Gläubigen innere Spannungen, die hier und dort entstanden sind, überwinden und mit der Versuchung fertig werden, sich allzu sehr in Geschmack und Gewohnheit der Welt anzupassen sowie dem Reiz, billige Zustimmungen erhaschen zu wollen, nachzugeben, dann werden sie in der Lage sein ... vor der Welt Zeugnis echten Glaubens abzulegen.“

Es geht also um die innerkirchliche Disziplin als Voraussetzung für den Dienst an der Welt, der nach den Worten des Papstes darin bestehen soll, ihr eine „seelische Ergänzung zu bieten, nach der von allen Seiten gerufen wird“.

Dieser Leitlinie entsprechen Schwerpunkte: die Durchführung des Zweiten Vatikanischen Konzils; die Lehre der Kirche für das Leben der Priester und der Gläubigen unversehrt zu bewahren; die Verkündigung des Evangeliums als wichtigste Aufgabe der Kirche und (mit Sicherheitsklauseln versehen) die Anliegen des Ökumenismus. Erst dann wird recht allgemein und eher vage der Dialog mit den übrigen Gruppen in unserer pluralistischen Gesellschaft genannt.

Auf diese aufgezeigten Leitlinien dürfte auch die erstaunlich häufige Betonung einer kirchlichen Disziplin liegen. Sie wird bereits in seiner ersten Rundfunkbotschaft an die Welt erwähnt und steht in seiner Ansprache an 2000 Priester und Ordensleute der Ewigen Stadt geradezu im Zentrum.

Disziplin heißt bei Albino Luciani, seine eigenen Neigungen zu beherrschen und sich darum zu bemühen, für sich ein Klima religiöser Sammlung zu schaffen, da heute viele Gläubige ihre Priester mit Gott vereint sehen wollen. Disziplin heißt, das richtige Verständnis für den Gehorsam dem Bischof gegenüber aufzubringen, da dieser seinen Dienst nur dann richtig ausübt, wenn er von seiner Autorität Gebrauch macht. Schließlich gehört zur ;priesterlichen Disziplin die Liebe zur eigenen Arbeit und zum eigenen Stand, trotz gelegentlicher Entmutigungen.

Auch hier erkennen wir die aufgezeigte Leitlinie in diesem Pontifikat: sich auf die inneren Grundwerte der Kirche zu konzentrieren. Albino Luciani hat dieses Programm nicht so sehr Büchern entnommen, es ist ein,Erfahrungswert aus der Zeit, in welcher er Bischof dreier verschiedener Diözesen war.

Das Herz eines Seelsorgers

Eines steht außer Zweifel: Im neuen Papst schlägt das Herz eines guten Seelsorgers. Er vertraut dem Guten im Menschen und wird nicht müde, daran zu appellieren. Mag das Wort „gut“ nördlich der Alpen etwas von blutleerer Ethik an sich haben, im Land eines Franz von Assissi, eines Antonius von Padua, eines Philipp Neris, Don Bosco und Moscati ist „buono“ eine vitale Tugend vor allem der kleinen Leute, die gegebenenfalls auch mit mediterraner Schläue herzlich, unkompliziert und spontan Freude, Friede und seelische Heimat zu schaffen verstehen.

Und so können wir sagen, daß Papst Johannes Paul I. ein typischer Italiener im besten Sinn des Wortes ist: „un papa buono“.

Der Autor, Jesuit, ist Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan.

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