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Auch die Konfrontationen werden nicht ausbleiben

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Wer aus der Nähe die ersten vier Wochen des neuen Pontifi-kates miterleben konnte, spürt deutlich neue Akzente. Ein Mann, gewöhnt mit östlichen Maßstäben fest und weiträumig zu regieren, seinen eigenen Stil kraftvoll zu entfalten, und wo nötig, Bedenken oder Widerständen mutig zu begegnen, richtet sich im Vatikan ein. Seine zahlreichen kleineren Reisen und Besuche lösten Erstaunen aus und beunruhigen zunehmend alle, die für seine Sicherheit verantwortlich sind. Der recht ungezwungene, menschlich-herzliche Stil in den Audienzen, die häufig länger dauern als vorgesehen, erweckt viel Sympathie. Vor allem aber geben die Ansprachen während der letzten vier Wochen in groben Umrissen Aufschluß über seine Vorstellung von Verkündigung und Kirche.

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Wer aus der Nähe die ersten vier Wochen des neuen Pontifi-kates miterleben konnte, spürt deutlich neue Akzente. Ein Mann, gewöhnt mit östlichen Maßstäben fest und weiträumig zu regieren, seinen eigenen Stil kraftvoll zu entfalten, und wo nötig, Bedenken oder Widerständen mutig zu begegnen, richtet sich im Vatikan ein. Seine zahlreichen kleineren Reisen und Besuche lösten Erstaunen aus und beunruhigen zunehmend alle, die für seine Sicherheit verantwortlich sind. Der recht ungezwungene, menschlich-herzliche Stil in den Audienzen, die häufig länger dauern als vorgesehen, erweckt viel Sympathie. Vor allem aber geben die Ansprachen während der letzten vier Wochen in groben Umrissen Aufschluß über seine Vorstellung von Verkündigung und Kirche.

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Im bisherigen Pontifikat können wir vier Abschnitte erkennen:

• die Übernahme des Amtes,

• den Abschied von seiner polnischen Heimat,

• das Bekenntnis zum italienischen Volk und zu seiner Diözese Rom

• und die Konzentration auf die Hauptaufgaben in den kommenden Jahren.

Durch seine Namensnennung als Johannes Paul II. reihte sich Karol Wojtyla in die kirchliche Entwicklung ein, die mit seinen drei Vorgängern ihren Anfang genommen hat. Bereits in seiner ersten Botschaft an die Welt am Tag seiner Wahl in der Sixtinischen Kapelle steht das lapidare Bekenntnis, vor allem das Zweite Vatikanische Konzil durchführen zu wollen. „Das Konzil steht nicht nur in den Dokumenten und endet nicht nur in den Initiativen zu seiner Durchführung, die in den letzten Jahren nach dem Konzil unternommen wurden.“

Dem neuen Papst geht es vor allem um das Heranreifen der vom Konzil ausgehenden neuen Geisteshaltung. Dieses Bekenntnis zum Konzil ist im Rahmen eines Aufrufs zur Treue hinsichtlich christlicher Grundwerte und Grundhaltungen zu sehen: Treue zur Pflicht, das Glaubensgut unversehrt zu erhalten: daher auch Treue im Gehorsam gegenüber dem Lehramt Petri; Treue zu den liturgischen Normen; Treue zur Disziplin in der Kirche; die Treue in der Erfüllung und Anforderung des Priester- und Ordenslebens „so, daß alles, was man in Freiheit vor Gott versprochen hat,

auch immer gehalten wird und sich entfaltet, indem man sein Leben ständig vor übernatürlichen Grundsätzen leiten läßt“.

Besonders schwer fiel Karol Wojtyla der Verzicht auf eine Rückkehr in seine Heimat. In einer Botschaft an “ das polnische Volk fielen auch die wenigen Worte, die der Papst bisher zum Problem der Kirche im Osten zu Kardinal Wyszynski sagte: „Auf dem Stuhl Petri säße jetzt nicht dieser polnische Papst, der heute voll Gottesfurcht, aber auch voll Vertrauen ein neues Pontifikat beginnt, wäre nicht dein Glaube weder vor Kerker noch vor Leid zurückgewichen, gebe

„ ,Die Menschen brauchen uns über alle Maßen und nicht als Teilzeitpriester', rief der Papst den 2000 Welt- und Or-denspr.iestern zu.“

es nicht deine heroische Hoffnung und dein grenzenloses Vertrauen in die Mutter der Kirche, gebe es nicht Jasna Gora und die ganze Geschichte der Kirche in unserer Heimat...“

Mit dem Besuch des von polnischen Patres betreuten italienischen Wallfahrtsorts Mentorella setzte die neue Phase der mit ganz bewußter Öffentlichkeit geprägten Eingliederung in seine südliche Heimat ein. Der wichtigste Tag war der 5. JMo-vember mit der Wallfahrt zu den beiden Schutzpatronen Italiens, dem hl. Franz von Assisi und der hl. Katharina von Siena. Am Grab des „pove-rello“ betete er: „Du hast Christus den Menschen deiner Zeit nähergebracht, hilf uns, diesen Christus jetzt unserer Zeit nahezubringen, dieser schwierigen und kritischen Zeit... Du hast mit ganzer Seele das Schicksal deiner Zeitgenossen miterlebt... hilf uns mit dem Herzen, das dem Herzen des Erlösers nahe ist, das ganze Leben unserer Zeitgenossen bereitwülig mitzutragen.“

Vor der Reliquie der hl. Katharina von Siena in der römischen Kirche sagte der Papst: „In der hl. Katharina von Siena sehe ich ein sichtbares Zeichen für die Sendung der Frau in der Kirche ... Wir können gemeinsam die vielfältige Bedeutung dieser Sendung entdecken, wenn wir Hand in Hand mit der Welt der Frau von heute gehen und uns auf die Reichtümer, die der Schöpfer von Anfang an in das Herz der Frau gelegt hat, stützen, wie auch auf die wunderbare Weisheit dieses Herzens, das Gott vor vielen Jahrhunderten in der hl. Katharina von Siena hat offenbaren wollen.“

Traten schon in dieser Pilgerreise und in seinen Ansprachen christliche Grundwerte der christlichen Tradition in den Vordergrund, welche während der vergangenen Jahrzehnte wenigstens in der westlichen Kirche eher im Hintergrund standen, zeigte sich diese in der Ansprache an den Klerus der Diözese von Rom, der am 9. November vom Papst empfan-

gen wurde, besonders deutlich. Falsch sei die Auffassung, durch übertriebenes Interesse für diesseitige Probleme Leben und Charisma des Priestertums verwässern zu wollen. Wichtig sei vielmehr, betonte der Papst, das lebendige Glaubenszeugnis eines priesterlichen Lebens, das auch die soziale Dimension des Evangeliums ins Licht rückt, denn auf diese Weise könne die Verweltlichung der Stadtbevölkerung aufgehalten werden.

„Die Menschen brauchen uns über alle Maßen und nicht als Teilzeitpriester“, rief der Papst den 2000 Welt-und Ordenspriestern zu. Das Prie-stertum müsse bei jedem einzelnen rein und ausdrucksstark sein. Gerade wegen dieser im Sinn des Evangeliums zu verstehenden Reinheit und Ausdruckskraft sei das Priestertum in der Tradition der Kirche eng mit dem Zölibat verbunden.

Dieses Bekenntnis zum italienischen Volk fand vorletzten Sonntag durch die feierliche Übernahme seiner Bischofskirche San Giovanni im Lateran einen geradezu offiziellen Ausdruck, denn das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist zunächst ja Bischof von Rom.

Große Hoffnungen begleiten den 58jährigen Papst zu Beginn seines Amtes. Wenn auch vereinzelt Italiener gewisse Reserve über den ausländischen Papst hegen, so ist doch viel verbreiteter eine gewisse Zuversicht hinsichtlich einer Entflechtung kirchlicher und staatlicher Bereiche in Italien. Alles spricht dafür, daß eine Hauptsorge des Papstes der Stärkung der tragenden Kräfte der Kirche gelten wird.

Wichtige und weitreichende Entscheidungen auf personellem Sektor werden für die nächsten Monate erwartet, was im Vatikan eine gewisse Nervosität erzeugt. Harte Konfrontationen mit Strömungen innerhalb und Kräften außerhalb der Kirche werden nicht ausbleiben, und auch er wird ähnlich wie Paul VI. die Folgen schmerzlich erfahren.

Eine Enttäuschung für den neuen Papst könnte darin bestehen, daß die kirchliche Situation im Westen merklich verschieden ist von der in seiner ■ polnischen Heimat. Dort ist die Kraft und Stärke der Kirche das Ergebnis brüderlich enger Zusammenarbeit von Bischöfen und Priestern einer-“ seits und der kraftvollen Unterstützung durch die breite Basis der Gläubigen anderseits. Das trifft aber für die westliche Kirche in diesem Maß nicht zu.

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