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Als Volksmissionar im Schwarzen Kontinent

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Ein Rückblick auf die längste Reise Papst Johannes Pauls II. zeigt deutlich wie keine Reise zuvor ein neues Stilelement in der A usübung des Petrusamtes: das des reisenden Volksmissionars. A Is Seelsorger besuchte der Papst in seiner 18.000 Kilometer langen, elftägigen Reise sechs afrikanische Länder: Zaire, Kongo, Kenia, Ghana, Obervolta und die Elfenbeinküste. Als Seelsorger trat er auf sprach lange und in einem für alle leicht verständlichen Stil. Die großen programmatischen Reden unter den rund80 Ansprachen behandelten vornehmlich Fragen des Glaubens, ohne auf Einzelheiten einzugehen oder sich in gedanklich schwierige Auseinandersetzungen mit anderen Religionen, Konfessionen oder Ideologien zu verlieren.

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Ein Rückblick auf die längste Reise Papst Johannes Pauls II. zeigt deutlich wie keine Reise zuvor ein neues Stilelement in der A usübung des Petrusamtes: das des reisenden Volksmissionars. A Is Seelsorger besuchte der Papst in seiner 18.000 Kilometer langen, elftägigen Reise sechs afrikanische Länder: Zaire, Kongo, Kenia, Ghana, Obervolta und die Elfenbeinküste. Als Seelsorger trat er auf sprach lange und in einem für alle leicht verständlichen Stil. Die großen programmatischen Reden unter den rund80 Ansprachen behandelten vornehmlich Fragen des Glaubens, ohne auf Einzelheiten einzugehen oder sich in gedanklich schwierige Auseinandersetzungen mit anderen Religionen, Konfessionen oder Ideologien zu verlieren.

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All das klammerte Papst Wojtyla, von seltenen Ausnahmen abgesehen, bewußt aus, denn seine Erfahrung als polnischer Bischof in einem kommunistischen Staat lehrte ihn, zuerst auf die Stärkung des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft in den breiten Schichten der Bevölkerung hinzuarbeiten, um von dieser gestärkten Gegenposition aus die Auseinandersetzung mit dem Andersdenkenden beziehungsweise Gegner aufzunehmen.

Es war sicher kein Zufall, wenn der Papst in der von linken Militärs regierten Volksrepublik Kongo erklärte: „Die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben mit seiner Botschaft verlangt eine Bekehrung, und zwar nicht nur vor der Taufe, sondern während des ganzen Lebens. Die Götzen, die man zurückweisen muß, kehren immer wieder von neuem zurück - auch wenn sie mitunter neue Namen tragen.”

Unter diesen nannte der Papst den ideologischen und praktischen Materialismus. In der internationalsten aller mittelafrikanischen Städte, in Nairobi, erklärte er in einer vielbeachteten Rede vor den Diplomaten aus der ganzen Welt und den Vertretern mehrerer internationaler Organisationen: „Die

,, Das A nliegen der christlichen Familie griff der Papst in sehr vielen Ansprachen auf.”

Kirche ist überzeugt, daß eine atheistische Ideologie keine Führungskraft bei der Hebung des Lebensstandards und beim Aufbau der sozialen Gerechtigkeit sein kann, wenn sie dem Menschen seine gottgegebene Freiheit, seine geistliche Ausrichtung und die Kraft zur notwendigen Bruderliebe raubt.”

Der Papst betonte auch, was er 1979 in Puebla erklärt hatte und wahrscheinlich Anfang Juli in Brasilien von neuem betonen wird: Daß Christus seiner Kirche keine Sendung auf sozialem, wirtschaftlichem oder politischem Gebiet gegeben habe, sondern nur auf religiösem. Es sei aber Sache der christlichen Laien, sich um die Belange des öffentlichen Lebens, der sozialen Gerechtigkeit und des wirtschaftlichen Wohlstandes zu bemühen.

Die Anliegen der christlichen Familie griff der Papst in sehr vielen Ansprachen auf, insbesondere in einer programmatischen Predigt vor 900 Jungvermählten in Kinshasa: „Die gesunde Zukunft eines Volkes baut auf der Familie auf. Die christliche Familie steht und fällt mit der unverbrüchlichen gegenseitigen Treue der Gatten, die in sakramentaler Weise von der Liebe Christi gestärkt wird.”

In Anspielung auf den soziokulturel-len Hintergrund Afrikas und auf die noch lange nicht überwundenen antikolonialen Affekte der jungen Nationen erklärte der Papst, daß die Einehe weder in der westlichen Welt ihren Ursprung habe noch in der geschichtlichen Umwelt des Volkes Israel, sondern eine Erkenntnis sei, die das alttestamentli-che Gottesvolk der Offenbarung Gottes entnommen habe.

Das stärkste Anliegen des Papstes während seiner Afrikareise war es, den Bischöfen und den Priestern als wichtigsten Trägern des kirchlichen Lebens Worte der Ermutigung und der Weisung mitzugeben. Von den leidigen Strukturfragen weg, die bei uns in Europa in kirchlichen Diskussionen einen so hohen Stellenwert einnehmen, lenkte der Papst die Aufmerksamkeit auf das, was das Wesen und die Kraft der Kirche ausmacht: Auf Christus, den auferstandenen Herrn, der in der Kirche weiterlebt und vor allem durch die Bischöfe und Priester wirkt.

Dies führte der Papst in einer beeindruckenden Feier vordem Volkspalast in Kinshasa aus, wo er acht Afrikaner zu Bischöfen weihte. Wahrscheinlich wählte der Papst in Afrika das pau-linische Bild der Kirche als des mystisch fortlebenden Herrnleibes, um über alle Rassenressentiments hinweg auf das eine einzige und überragende Oberhaupt der Kirche hinzuweisen. Christus setzt sein Heilswerk durch diejenigen fort, „die er zu Hirten eingesetzt hat und die nicht aufhören, dieses geistliche Geschenk der Weihe durch die Zeremonie der Handauflegung weiterzugeben”.

Ergreifend schöne Worte fand der Papst für die Männer und Frauen, die als Missionare auf diesem Kontinent wirkten und heute wirken: „Ihr arbeitet auf dem Vorposten der Mission. Ihr kennt die Prüfungen, die Verfolgungen, die Einsamkeit - und das Vergessen! ... Ihr begnügt Euch nicht mit einem nur vorübergehenden Aufenthalt... Ihr harrt voll Geduld aus ... Ihr bestellt den Acker, auf dem andere ernten werden!”

Auf einem Friedhof im ländlichen Kisangani ruhen zahlreiche Missionare, die zwischen 1962 und 1964 ermordet wurden. „Hier begreift man die Märtyrer, die Heiligen, die lieber ihr Leben für Christus hingaben, als ihrem Taufgelübde untreu zu werden”, erklärte der Papst und betete im Zentrum Afrikas kniend an den Gräbern dieser Märtyrer: „Herr, führe diese Kirche, veredelt durch ihren Schweiß und durch ihr Blut, zur vollen Reife! . . .”

Ein besonders heikles und schwieriges, aber für die Zukunft Afrikas bedeutsames Problem griff Johannes Paul II. immer wieder in den Ansprachen an die Bischöfe auf, vor allem in jenen an die Bischöfe Ostafrikas: das Problem der Afrikanisierung der katholischen Kirche und der Inkulturation des Evangeliums in diesem Schwarzen Kontinent.

Von der Uberzeugung getragen, daß das Evanglium sich mit keiner Kultur identifiziere, sondern über alle Kulturen hinausgehe, ermutigte der Papst zur Afrikanisierung. Während seines elftägigen Besuches erlebte er täglich die für Europäer bisweilen recht fremd anmutenden Ausdrucksweisen religiöser Inhalte, und selbst sein so erfahrener Ze-remoniär hatte bisweilen Schwierigkeiten, sich in der von Tänzen, Trommeln, Freudengesängen und Opfergaben geprägten afrikanischen Liturgie zurechtzufinden.

Welche Fülle von heiklen Problemen mit den Worten „Afrikanisierung” und „Inkulturation” verbunden sind, zeigte bereits vor acht Jahren Kardinal Ma-lula von Kinshasa mit der Unbekümmertheit eines jungen Afrikaners auf: „Die wahre Bekehrung zum Christentum ist Kontinuität und Bruch mit der Vergangenheit zugleich.”

Zu bestimmen, was in welchem Land konkret fortdauern und was sterben muß, war nicht Aufgabe dieses Besuches. Das zu entscheiden obliegt den Ortsbischöfen. Der Papst betonte aber den Grundsatz, daß eine Kultur, die vom Evangelium erfaßt und umgeformt wird, zu eigenständigen Ausdruckweisen finden müsse, die aus ihrer eigenen, lebendigen Tradition entspringen, dabei dürfe aber die Botschaft Christi und die Lehre der Kirche nicht verfälscht werden. Auch dürfe über die Spannungen, die der Prozeß der Afrikanisierung unvermeidlich auslöst, die Einheit der Kirche nicht in Brüche gehen.

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