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Immer noch zweitrangig ?

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Eine außerordentliche (20 Jahre Konzil) und eine deshalb verschobene ordentliche Bischofssynode (Laienapostolat) stehen bevor. Worüber sollte man bei der ordentlichen im Jahr 1987 nachdenken?

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Eine außerordentliche (20 Jahre Konzil) und eine deshalb verschobene ordentliche Bischofssynode (Laienapostolat) stehen bevor. Worüber sollte man bei der ordentlichen im Jahr 1987 nachdenken?

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„Unter der Bezeichnung Laien sind hier alle Christgläubigen verstanden mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes” — so formuliert das Zweite Vatikanische Konzil (Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, Art. 31). Hier wird der Laie also zunächst negativ bestimmt, durch Abhebung von Klerus und Ordensstand. Im folgenden wird versucht, die spezifische Stellung dieser Laien durch ihren „Weltcharakter” zu erklären: „Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen” (ebd.). Demnach wären die Laien jene Christen, die primär in der Welt leben und wirken.

Die zugrundeliegende Vorstellung dabei ist wohl, daß es einen bzw. zwei innere Kerne der Kirche gibt, die sich teilweise überschneiden: die geweihten Amtsträger und die Ordensleute, wobei es eben auch geweihte Ordensleute gibt. Um diesen inneren Kern der Kirche stehen außen — gleichsam an ihrem Rand zur Welt — die Laien. Sie sind der Arm der Kirche in die Welt hinein. Der große Fortschritt gegenüber vorkonzi-liaren Vorstellungen liegt wohl darin, daß die Laien nicht mehr nur als passiv betreute Glieder der Kirche verstanden werden, die unterste Ebene einer Pyramide bilden. Es herrscht hier nicht mehr die Vorstellung von einem „Oben” (Klerus als absolute „heilige Herrschaft” bzw. Ordensleute als Stand der Vollkommenheit) und einem „Unten”, sondern das Bild von einem „Innen” und einem „Außen”.

Doch auch diese Sicht ist noch sehr problematisch. Denn der Klerus und die Ordensleute bilden hier sozusagen den Kern der Kirche, die Laien stehen am Rande. Es ist das Bild einer „eingedrückten Pyramide”, das hier zugrunde liegt. Von diesem Kern aus werden einerseits die Vorgänge in der Kirche gesteuert (durch die Amtsträger), anderseits repräsentiert dieser Kern den „Geist der Seligpreisungen” (durch die Ordensleute).

Kann hier noch von einer vollen „Miteinander”-Verantwortung aller Glieder der Kirche für das Reich Gottes gesprochen werden? Gelten die Seligpreisungen nicht für alle Jünger Christi, also für alle Getauften? Wird hier nicht noch immer in einer falschen Weise zwischen „geistlich” und „weltlich” getrennt? Jesus wollte nicht, daß die Seinen aus der Welt herausgenommen, sondern daß sie vor dem Bösen bewahrt werden (Joh. 17,15).

Wenn wir nach den Gründen dieser trotz allen Fortschritts doch noch bestehenden „Zweitrangigkeit” der Laien in der Kirche suchen, dann müssen wir uns fragen, was nun wirklich dem Klerus und dem Ordensstand gemeinsam ist. Durch Weihe bzw. feierliche Gelübde werden diese aus dem Laienstand herausgenommen. Diesem Schritt geht eine lange Zeit der Vorbereitung voraus (Priesterseminar, Noviziat), in der sich die Kandidaten bewähren müssen und in ihnen die Entscheidung reifen kann, sich verbindlich für ihr ganzes Leben Gott in seiner Kirche zur Verfügung zu stellen. Was diese Glieder der Kirche von den sogenannten Laien unterscheidet, ist also diese ausdrückliche und bewußte Entscheidung zur Nachfolge Jesu nach einer entsprechenden Zeit des Hineinwachsens und auf Grund einer Zulassung zur Weihe bzw. zur Ordensprofeß.

Dürfen wir uns wundern, daß die Kirche in diesen Christen ihren inneren Kern sieht? Von den anderen, die im Normalfall als Babys getauft und als Kinder ge-firmt wurden, ohne je als Erwachsene das nötige Katechumenat nachzuholen und sich persönlich und für ihr ganzes Leben zur Nachfolge Jesu zu entscheiden, kann sie doch gar nicht erwarten, daß sie tragende Glieder der Kirche sein können. Sie kann sich nicht auf sie verlassen, sondern läßt sie gleichsam im Vorfeld wirken, soweit sie überhaupt dazu bereit sind. Die eigentliche Verantwortung bleibt beim Klerus, das Modell der endzeitlichen Gesellschaft bilden nicht die Christen in ihren Gemeinden, sondern die Ordensleute.

Wenn diese auch nach dem Konzil noch vorhandene „Zweitrangigkeit” der Laien in der Kirche überwunden werden soll, müßte also auch diesen eine verbindliche Glaubensentscheidung in entsprechenden Gemeinden ermöglicht und zugemutet werden, durch die sie als mündige Glieder am Leben der Kirche teilnehmen können. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß Weihe und Pro-feß auch in ihrer äußeren Gestalt der Erwachsenentaufe in der frühen Kirche ähnlich sind (neues Kleid, bei Ordensleuten auch neuer Name, Anrufung der Heiligen u. a.).

Wenn die Kirche an der Kindertaufe festhält, müßte sie wohl den Mut haben, deren Schattenseiten durch eine Erwachsenentaufer-neuerung nach einem nachgeholten Katechumenat auszugleichen, durch die sich die betreffenden Glieder der Kirche verbindlich in eine Gemeinde hineinstellen, in der sie miteinander Kirche sind; so daß Kirche in ihrem eigentlichen Wesen nicht mehr durch Priester und Ordensleute, sondern durch Gemeinden mündiger Christen verkörpert wird, die als

Leib Christi in der Welt das Reich Gottes anfanghaft sichtbar machen. Eine entsprechend gestaltete Firmung im Erwachsenenalter könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. Aber theologisch ist Firmung noch mehr als Erwachsenentauf erneuerung (sonst hätte ja die Firmung als eigenes Sakrament bei einer Erwachsenentaufe keinen Sinn): Sie bedeutet die Übertragung der Verantwortung für andere (Befähigung zum Patenamt usw.).

Es kommt sicher nicht von ungefähr, daß die Frage nach der Stellung der Laien in der Kirche so virulent ist, daß sie zum Thema der nächsten ordentlichen Bischofssynode gemacht wurde. Das Konzil hat nur den ersten Schritt getan, der zweite wird fällig. Hierin liegt die große Chance dieser Synode. Freilich erfordert die volle „Gleichrangigkeit” der Laien in der Kirche ein Umdenken von allen Beteiligten. Der Klerus müßte den Laien mehr zutrauen und mit ihnen die Verantwortung teilen, um nicht in den Verdacht der Machtausübung zu geraten (vgl. den Vorwurf von Leonardo Boff).

Das eigentliche Priesteramt besteht dann nicht darin, die letzte Verantwortung für alles zu tragen, sondern Zeichen und Werkzeug der Einheit der Ortskirche mit der Gesamtkirche und durch sie mit Jesus Christus zu sein, die Gemeinden „auf Christus hin offenzuhalten, ohne sich an seine Stelle zu setzen” (H. J. Pottmeyer).

Die Ordensgemeinschaften wären als Gemeinden mit Spezial-aufgaben zu verstehen, aber nicht als die einzigen Gemeinschaften, in denen im Geist der Bergpredigt die neue Sozialordnung des Reiches Gottes gilt. Die Laien müßten die Zumutung derselben Verbindlichkeit des gläubigen Lebens in entsprechenden Gemeinden annehmen, durch die sie in grundsätzlich gleicher Weise Kirche sind. Diese Gemeinden und nicht die Laien als einzelne wirken dann in die Welt hinein, indem sie das Reich Gottes anfanghaft verwirklichen und damit glaubwürdig verkünden.

Der Autor ist Pfarrer in Wien (Machstraße).

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