Nur dienen im Namen Gottes?

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Die Veranstaltung "Zwischen Hidschab und (Ordens)Tracht" reflektierte die Stellung von Frauen in den Religionen.

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Die Veranstaltung "Zwischen Hidschab und (Ordens)Tracht" reflektierte die Stellung von Frauen in den Religionen.

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Es war Dienstag verangener Woche. Zehn Männer in dunklen Anzügen oder Klerikergewändern posierten für die Kameras -darunter der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig. Sie wollten gemeinsam das erste Kapitel einer neuen Erfolgsgeschichte aufschlagen -jener eines "Campus der Religionen". Geplant im Wiener Stadtentwicklungsgebiet Aspern, soll er ab 2022 als interreligiöse Begegnungs-und Bildungsstätte dienen, zumal die Kirchliche Pädagogische Hochschule (KPH) dorthin übersiedeln soll. Aber wo bitte bleiben dabei die Frauen?

Das Bild war bezeichnend. Es nährt einmal mehr jene Fundamentalkritik, die Religionsgemeinschaften als strukturell diskriminierende Organisationen versteht. Traditionell stand in dieser Hinsicht stets die katholische Kirche im Fokus der Kritik. In den letzten Jahren verlagerte sich die Blickrichtung freilich Richtung Islam, dem man -Stichwort Kopftuch - eine mehr oder minder massive Abwertung von Frauen zuschreibt. Durch die ehemalige Ordensfrau Doris Wagner, die von sexuellem Missbrauch durch einen Kleriker berichtete, kam freilich auch der Katholizismus wieder in die Schlagzeilen.

Wie sieht es tatsächlich heute mit der Stellung von Frauen in den Religionsgemeinschaften aus? Welche Rollen werden ihnen "Zwischen Hidschab und Ordenstracht" zugewiesen? "Wir Ordensfrauen erfahren verstärkt, was Frauen allgemein in der Gesellschaft erfahren, nämlich dass wir manchmal als Menschen zweiter Klasse gesehen werden", hat Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, unlängst in einer Aussendung formuliert. Bei einer Podiumsdiskussion im Wiener Neustädter Bildungshaus St. Bernhard, die vom Katholischen Bildungswerk Wien anlässlich des Frauentages am 8. März veranstaltet wurde, präzisierte sie ihre Einschätzung. "Leider werden Frauen in der katholischen Kirche oft noch immer als jene gesehen, die vor allem dazu da sind, um die Sakristei in Ordnung zu halten, den Blumenschmuck zu richten und zu putzen", meinte Mayrhofer, die dem Orden der "Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau" angehört und seit 2010 auch die Provinz Österreich und Italien leitet. Über viele Jahrhunderte habe sich diese "dienende Rolle" von Frauen in der katholischen Kirche verfestigt. Und für Ordensfrauen treffe dies in besonderer Weise zu. "Dieses unterstützende Dasein ist für viele Kleriker natürlich auch praktisch -und billig", meint Sr. Beatrix. Wenn ein Bischof sie heute um zwei oder drei Ordensfrauen bitte, die ihm helfen sollten, seinen Haushalt zu betreuen, laute ihre Antwort deshalb meist: "Ja, gerne, und bitte auch zwei oder drei, die Leitungsfunktionen in der Diözese oder an der Uni übernehmen." Was sexuelle Gewalt an Ordensfrauen durch Priester betrifft, so kennt sie zwar keinen strafrechtlich relevanten Fall in Österreich, aber der Missstand selbst sei ihr natürlich bekannt. Seit Jahren arbeite man an entsprechenden Verhaltensmaßnahmen bei Meldungen, zudem sei eine eigene Ombudsstelle speziell für Ordensfrauen nötig. "Das Thema tut weh, aber ich bin dankbar, dass es jetzt zur Sprache kommt," so Sr. Beatrix.

Dienen, aber nicht führen: Dieses Motto gilt indes auch für Musliminnen. "Viele Moscheen werden von Frauen regelrecht getragen, aber in den Führungsgremien sind sie nicht präsent", weiß die Politikwissenschafterin Amena Shakir, die ehedem an der KPH tätig war und nun an der Sigmund-Freud-Privatuniversität forscht. "Aber viele Frauen wollen das auch gar nicht aus falsch verstandener Demut, andere sagen: Es reicht mir, was ich tue, ich habe noch ein anderes Leben." Dass die Rolle von Frauen im Islam meist ausschließlich über das Thema Kopftuch diskutiert werde, stört Shakir enorm. Mädchen und Frauen stünden hier unter zunehmendem gesellschaftlichen Druck. Und was ist mit jenem, den die Burschen der "Generation haram" in den Schulen ausüben? "Diesen Druck gibt es auch, und bei solchen Aufpasser-Mentalitäten muss man klare Grenzen setzen", so Shakir. Selbstbestimmung in Kleidung wie Lebensführung sei das große Ziel - und in einer am 12. März präsentierten Deklaration wollen Musliminnen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich nun dafür kämpfen. Sie wenden sich darin "gegen jede Verbotspolitik auf unseren Köpfen" und "für die volle Teilhabe an einer pluralen Gesellschaft".

Dass starre religiöse Strukturen vorhandene Diskriminierungen noch verstärken können, ist für die Sozialwissenschafterin Astrid Mattes von der Akademie der Wissenschaften klar. "Während es im säkularen Staat eine rechtliche Gleichbehandlung gibt, gibt es etwa in der katholischen Kirche und im Islam designierte Rollen für Männer und Frauen", so Mattes. Und die Argumentation "Weil Gott das so will", sei die ultimative Keule. "Aber allein die rechtliche Gleichbehandlung führt in der Demokratie leider auch nicht dazu, dass es eine faktische Gleichstellung gibt." Was also tun? Astrid Mattes wünscht sich eine bewusste Arbeit an den Rollenbildern (wie es etwa auch im Frauenvolksbegehren gefordert wird, das am 12. März wieder im Parlament zur Diskussion steht); Amena Shakir wünscht sich, dass nicht ständig über das Kopftuch gesprochen werde, sondern politische Maßnahmen gesetzt werden, um Care-Arbeit fair aufzuteilen; und Sr. Beatrix Mayrhofer wünscht sich weltweit einen stärkeren Fokus auf Bildung -und für Österreich, "dass Deutschkurse nicht gekürzt, sondern ausgebaut werden". In der Kirche mache sie ohnehin "den Mund auf". Und wer weiß, vielleicht gibt es dann 2022 doch noch Frauen am Foto, wenn der "Campus der Religionen" eröffnet wird.

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