Bei den Armen Auftauchen

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Beim Ordenstag 2012 wurde Sr. Beatrix Mayrhofer von den Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau zur Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs gewählt. Ein FURCHE-Interview zum ersten Jahrestag dieser Wahl .

Die Furche: Eine Ihrer ersten Aktivitäten als "oberste“ Ordensfrau war zum Jahreswechsel 2012/13 Ihr Besuch bei den Flüchtlingen in der Votivkirche. Ein inhaltliches Statement?

Sr. Beatrix Mayrhofer: Selbstverständlich. Ordensleute sind immer für Gott und die Menschen da. Wir fragen: Wo sind Menschen in besonderer Not, wo sind die Ränder unserer Gesellschaft, auf die sonst niemand oder mit feindlichem Blick schaut? Wo müssen wir uns an die Seite der Menschen stellen? Die Situation der Flüchtlinge in der Votivkirche war sehr dramatisch und betrifft uns noch immer, denn die Frage ist nicht gelöst.

Die Furche: Ihr Besuch in der Votivkirche war auch ein politisches Zeichen. Ist das eine Aufgabe für eine Ordensgemeinschaft?

Sr. Beatrix: Erste Aufgabe von Ordenschristen ist, ihrer Berufung zu folgen und dem Anruf Gottes treu zu sein. Unser Leben ist ihm geweiht: Indem ich mich Gott hingebe, bin ich dort, wo Gott Mensch geworden ist. Es ist das Streben nach tiefer innerer Verbundenheit mit Gott, das uns immer zu den Menschen hinausdrängt. Paul Zulehner hat das so formuliert: Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Armen auf. Unsere Tätigkeit ist den Menschen zugewandt, und da Politik eine Sorge um die Menschen ist, ist soziales Handeln immer auch politisch. Meist nicht tagespolitisch …

Die Furche: … aber eben auch.

Sr. Beatrix: Wenn politische Entscheidungen oder die öffentliche Meinung der Menschenwürde entgegenlaufen, müssen wir die Stimme erheben.

Die Furche: Gemeinschaften wie die Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau, sind sozial tätig, andere sind kontemplativ.

Sr. Beatrix: Es gibt verschiedene Charismen und Ausfaltungen, wie man den Dienst an Gott und den Menschen konkret lebt. Die traditionellen Orden, die auch das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft sind, richten ihren Fokus auf den Rhythmus des Lebens und des Betens - "Ora et labora“, diese Gemeinschaften gehen stärker den kontemplativen Weg; andere, wie sehr viele Gründungen aus dem 19. Jahrhundert, zeigen auf, wo in der konkreten Zeit die ganz konkrete Not ist, und wie Christen darauf antworten. Diese Antworten sind enorm vielfältig. Was uns eint, ist unser Bemühen, in Gemeinschaft zu leben. Als Gemeinschaft sind wir selbst ein Zeugnis - auch gegen die Vereinsamung, Ausgrenzung und Hektik in der Gesellschaft.

Die Furche: Die meisten Ordensfrauen hierzulande gehören so einer Gründung aus dem 19. Jahrhundert an, die oft soziale Not im Blick hatte - Schulen, Krankenpflege usw. Das war eine bestimmte historische Situation. Heute gehen die Nachwuchszahlen in diesen Gemeinschaften dramatisch zurück.

Sr. Beatrix: Wir Kongregationen aus dem 19. Jahrhundert sind eigentlich stolz darauf, dass heute vielfach Staat und Gesellschaft Aufgaben übernommen haben, die unsere Gründerinnen und Gründer damals gesehen haben. In dem Sinn haben wir uns "überflüssig“ gemacht. Heute verschließt die Gesellschaft vor neuen Herausforderungen die Augen. Ich nenne da das Problem des Menschenhandels und der Zwangsprostitution, wo Ordensfrauen sagen: Wir schauen nicht weg. Wir gehen dorthin. Einige Gemeinschaften haben sich dazu zur Initiative "SOLWODI Österreich“ zusammengeschlossen, um hier Unterstützung zu geben. Zudem haben wir viele unserer Werke, Krankenhäuser, Schulen … in neue Trägerschaften übergeführt - auch aus der Not, dass wir im Westen einen dramatischen Rückgang der Berufungen haben. Das ist für uns Ordensfrauen sehr schmerzlich. Auf der anderen Seite denke ich, es ist Gottes Sache - und er wird seiner Kirche zeigen, wo die Nöte sind. Da und dort wachsen schon Pflänzchen. Ich liebe das Wort: Im Winter wächst die Saat. Keine Frage, dass sich die westliche Kirche in einem Winter befindet.

Die Furche: Vielleicht braucht man heute ja andere Formen der christlichen Existenz wie die Gründungen des 19. Jahrhunderts.

Sr. Beatrix: Das glaube ich bestimmt. Aber ich glaube auch, dass das Evangelium immer neue Formen der christlichen Existenz hervorbringt. In Österreich sind die Kongregationen rückläufig. Aber die meisten davon sind ja international, Österreich ist nicht die Welt. Und da gibt es einen großen Aufbruch des Christentums in Afrika oder Asien. Man muss einfach über die Tellerränder schauen.

Die Furche: Dass man in den Armen Christus sieht, sagt auch Papst Franziskus. Als Sie Ihre Präsidentschaft übernommen haben, gab es noch einen anderen Papst. Bestärkt Sie das neue Pontifikat?

Sr. Beatrix: Persönlich hat mich auch Papst Benedikt sehr bestärkt, weil er durch sein intensives Bemühen, Vernunft und Glaube zu verbinden, Brücken gelegt hat. Ich bin überzeugt, dass es eine innere Kontinuität von Benedikt zu Franziskus gibt. Franziskus bedeutet für mich eine ganz neue Erfahrung, denn bislang haben Menschen auch anderer Kontinente den Papst immer als Europäer erlebt. Mit diesem Papst kommt da ein ganz neues Licht auf das Evangelium. Mir ist das nicht fremd, wir haben Schwestern in Argentinien, Brasilien, Afrika. Was Franziskus uns sagt, das höre ich auf jedem internationalen Treffen von unseren Mitschwestern.

Die Furche: Zur aktuellen Kirchenlage in Österreich: Viele Katholiken sind verärgert über die Art und Weise der Wahl des neuen Erzbischofs von Salzburg. Das scheint im Widerspruch zu stehen zu dem, was der Papst übers Bischofsamt sagt. Angesichts des Dreier-Vorschlags schaut es schon so aus, als ob bei uns noch die alten Muster greifen.

Sr. Beatrix: Durch die Wahl eines neuen Papstes ändern sich nicht am nächsten Tag Kirchenstrukturen. Das braucht Zeit, aber es wird wirksam werden. Es wird Fortschritte geben und auch Rückschritte. Ich schaue da wohl auch mit Ärger, aber doch vor allem mit Gelassenheit hin.

Die Furche: Sollte die Kirche aber nicht mehr auf die Erfahrungen der Orden schauen? Sie haben bewährte Systeme, um zu Entscheidungen zu kommen, es gibt Wahlvorgänge: ein ganzer Strauß Möglichkeiten, die man bei Bischofsbestellungen gut gebrauchen könnte.

Sr. Beatrix: Das würde ich mir sehr wünschen. Aber die Orden wissen auch, dass eine gute Entscheidung nicht einfach eine demokratische Wahl ist. Demokratie setzt auf einen Ausgleich der Kräfte und auf den Kompromiss. Wir streben aber eigentlich nicht nach Kompromissen, sondern nach dem Konsens. Der Konsens in wichtigen Fragen setzt eine wirkliche persönliche Bekehrung, Umkehr und Reinigung von egoistischen Vorlieben und Bestrebungen voraus. Es ist ein sehr langsamer und reinigender Prozess, wenn wir in einer Ordensgemeinschaft zu einem Punkt kommen, wo dann eine Wahl stattfindet. Es geht da nicht um den Sieg der größeren Lobby, oder dass man möglichst viele Leute von seinen eigenen guten Eigenschaften überzeugt. Sondern es ist ein Prozess, in dem jeder und jede zunächst seine eigenen Interessen zurückstellt, um das Gemeinsame zu suchen. Und das setzt Askese voraus.

Die Furche: Die hat die Kirche bitter nötig.

Sr. Beatrix: Das wünsche ich mir.

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