Leitung ist nichts Unanständiges

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Ordensleute mit Leitungsaufgaben müssen zweierlei unter einen Hut bringen: Führungskompetenz und Spiritualität. Der Lehrgang "Verantwortung in religiösen Gemeinschaften" unterstützt sie dabei.

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Ordensleute mit Leitungsaufgaben müssen zweierlei unter einen Hut bringen: Führungskompetenz und Spiritualität. Der Lehrgang "Verantwortung in religiösen Gemeinschaften" unterstützt sie dabei.

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Die ehrwürdige Mutter Äbtissin, Sr. Hildegard Altmann, steht auf dem Tisch. Unter den Händen der Benediktinerin wächst der Turm zu Babel - ein rot-blau-gelbes Gebilde aus Papier mit einer weißen Spitze, die sich bereits bedrohlich zur Seite neigt. Gespannt blicken die anderen Mitglieder ihres Teams zu ihr auf. "Ihr" Turm hat Konkurrenz bekommen. Auf zwei anderen Tischen schießen zwei bunte Kollegen in die Höhe - alle gebaut von Ordensleuten in ihren verschiedenen Trachten: Da gibt es Salvatorianer und einen Redemptoristen, eine Barmherzige Schwester vom Heiligen Kreuz und eine Arme Schwester vom Heiligen Franziskus, einen Missionar vom kostbaren Blut und eine Steyler Missionsschwester - insgesamt 21 Ordensleute von 15 Gemeinschaften aus dem gesamten deutschsprachigen Bereich, die eines verbindet: sie haben in ihrem Orden eine leitende Aufgabe.

Das Knowhow dafür holen sie sich beim Lehrgang "Verantwortung in religiösen Gemeinschaften". Veranstalter ist die Kardinal König-Akademie in Wien-Lainz in Zusammenarbeit mit der Caritas Wien und dem Institut der Orden für missionarische Seelsorge und Spiritualität (IMS) in Mannheim.

Zeit des Umbruchs Die Leiterin der Kardinal König-Akademie und Initiatorin des Lehrgangs, Sr. Hildegard Teuschl, ist selbst Ordensfrau der Gemeinschaft Caritas Socialis. "Es ist nichts Unanständiges, sich auf Leitung vorzubereiten oder darüber nachzudenken", sagt sie energisch: "Das Wort Management gilt oft noch so als Alternative zu ,geistlich' und damit als Pfui. Tatsächlich muss aber beides ineinander und miteinander gehen! Denn wenn man die Arbeit schlecht managt, wird man nie fertig!"

Arbeit haben Orden genug. Die meisten leben in einer Zeit des Umbruchs: Nachwuchsmangel führt nicht nur zu einer Überalterung vieler Gemeinschaften und damit zu finanziellen und organisatorischen Problemen Viele Orden sehen sich auch mit der Aufgabe konfrontiert, ihre Schulen und Krankenhäuser an Laien zu übergeben, die daraus nicht nur einen lukrativen Betrieb machen, sondern auch den Geist des Ordensgründers weitertragen sollen. Ihre Hoffnungen setzen viele Orden jetzt auf kleine und lebendige Glaubensgemeinschaften in der Pastoral vor Ort. Dementsprechend verändert hat sich auch die interne Kommunikation: Während früher allein der Abt das Sagen hatte, versucht man heute, im Dialog miteinander den richtigen Weg zu finden.

Ein solcher Wandlungsprozess erfordert von den verantwortlichen Leitern, dass sie ihren persönlichen Führungsstil entwickeln. Gleichzeitig müssen sie zeitgemäßes Managementwissen umsetzen, ohne das Evangelium und den Auftrag des Ordensgründers aus den Augen zu verlieren. Sich auf diese Aufgaben vorzubereiten und sie zu reflektieren - genau das ist das Ziel des Lehrgangs.

Das Ziel an diesem Vormittag ist nicht ganz so hochgesteckt: "Möglichst hoch, möglichst schön und möglichst stabil soll der Papierturm sein" - so lautet der "Bauauftrag" für die Einstiegsübung zum Thema "Gruppen effizient, lebendig und spirituell leiten". Und dann geht es zu wie im richtigen Leben: Die "Theoretiker" reden und planen, diskutieren und entwerfen im Geist gewagte Konstruktionen - nur ein realer Turm ist nicht in Sicht. Die "Macher" stürzen sich in die Arbeit, müssen aber nach kurzer Zeit feststellen, dass ihnen ein Konzept fehlt. Bei aller gebotenen Demut haben auch Ordensleute ihren ganz persönlichen Ehrgeiz: Wessen Turm ist der höchste, schönste und stabilste? Welcher Turm lässt sich dann auch noch von einem Tisch zum anderen transportieren ohne umzufallen? Jetzt ist voller Einsatz gefragt. Das Gemurmel aus oberösterreichischen, schwäbischen und hochdeutschen Lauten verstummt. Während die Benediktinerin Schwester Hildegard den Tisch bestiegen hat, setzt ihr Ordensbruder Pater Albert Schmidt auf eine andere Taktik: Der Rektor der internationalen Benediktiner-Hochschule San Anselmo in Rom, geht langsam in die Knie. Zentimeter für Zentimeter robbt er über den Fußboden und balanciert den Turm von einem Tisch zum anderen - langsam aber sicher, Schritt für Schritt, in aller Stille und Konzentration und: geschafft! Ein "turmhoher" Gewinn für seine Gruppe!

Auf die Kapitänsbrücke Nach dieser praktischen Übung folgt die Reflexionsphase: Was kann ich in eine Gruppe einbringen? Wo liegen meine Stärken und Schwächen? Am Nachmittag geht es dann um theoretische Grundlagen von Organisationsdynamik und Gruppenprozessen. Es ist genau diese Mischung aus Praxis und Theorie, die bei den Ordensleuten gut ankommt: "Natürlich ist es nicht so, dass man ahnungslos herkommt und mit einer Schachtel voll Rezepten abreist", sagt Pater Albert, der bereits das dritte Jahr Rektor von San Anselmo ist. "Als Novizenmeister und Spiritual lag mein Wirkungsbereich früher eher im verborgenen und verschwiegenen Gespräch. Meine neue Aufgabe als Rektor schleuderte mich unversehens auf die Kapitänsbrücke. Von der geistlichen Begleitung zur Haushaltsplanung: das ist schon ein Stück Luftlinie!

Dass der Lehrgang mit seinen kompetenten Referenten den Brückenschlag vom Handwerk des Managers zur Spiritualität schafft, schätzt Pater Albert ebenso wie den geographischen Abstand zu Rom. "Das Zusammentreffen mit den anderen ist entscheidend. Da wir uns gegenseitig Verschwiegenheit zusichern, kann ich hier auch mal Dinge aussprechen, die ich bei meiner Arbeit nicht so auf den Tisch legen könnte."

Dass die Teilnehmer des Lehrgangs sich gegenseitig den Rücken stärken, berichtet auch Sr. Christine Geyrhofer, Mitglied der Konventsleitung der "Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz" in Linz: "Ich habe mir nach dem letzten Kursblock vorgenommen, ein Teamgespräch in unserer Konventsleitung durchzuführen. Und es ist mir auch gelungen - zur vollen Zufriedenheit der anderen!" Sie lacht verschmitzt. "Das war wirklich die Frucht des Kurses, dass ich mich das getraut habe!"

Fruchtbare Konflikte Außerdem hat sie in Sachen Konfliktbewältigung nach eigenen Worten einiges dazugelernt: "Konflikte waren früher von vornherein etwas Schlechtes, das gehörte sich nicht für eine Ordensfrau. Da musste man schweigen und ertragen - nicht Contra geben und seine eigene Meinung sagen", erinnert sich Schwester Christine. "Hier habe ich gelernt, dass Konflikte fruchtbar sein können, wenn man lernt, richtig mit ihnen umzugehen."

Auch wenn es nach absolviertem Lehrgang zu Hause manchmal kräftig funkt, weil Ordensleute in die Tat umsetzen, was sie im Kurs gelernt haben, so sind sich doch alle einig: Letztlich nutzt der Lehrgang der ganzen geistlichen Gemeinschaft. Und nicht nur Orden, sondern auch so manche Pfarre profitiert von den neuerworbenen Kenntnissen ihrer Ordensgeistlichen. Pater Hermann Jedinger, Hausoberer einer Gemeinschaft von fünf Salvatorianern und Seelsorger seiner Gemeinde in Mistelbach, berichtet stolz von seiner letzten Pfarrgemeinderatssitzung, auf die er sich ganz anders vorbereitet habe als sonst: "Ich habe viel mehr im Detail geplant, einen Zeitplan gemacht, besser delegiert." Soviel Mühe blieb nicht unbemerkt. "Gleich nach der Sitzung haben die Leute gesagt: Du, Hermann, dein Kurs hat schon gewirkt!"

Der einjährige Lehrgang "Verantwortung in religiösen Gemeinschaften" richtet sich an Mitglieder von Orden und geistlichen Bewegungen in leitenden Funktionen. Er umfasst sechs Blockseminare. Inhaltlich befassen sich die Teilnehmer unter anderem mit Gesprächsführung und Psychohygiene, Arbeitstechniken, betriebswirtschaftlichen Grundlagen und geistlicher Entscheidungsfindung. Gebet und Meditation während der Einheiten sind fester Bestandteil des Programms. Für den Praxisbezug sorgen prozessorientiertes Arbeiten, regelmäßige Treffen in Kleingruppen und ein Praktikum. Die Referenten kommen unter anderem aus Organisationsentwicklung, Management und Wirtschaftspädagogik.

Informationen: Kardinal König-Akademie, 1130 Wien, Lainzer Straße 138, Tel. 01/8047593, E-Mail: kard.koenig.akademie@asn.netway.at

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