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Schafft Orte des Gebetes!

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„Haus des Friedens”, ungewöhnliches Projekt des Zisterzienserpaters Franz Edlinger, soll ein Ort sein, wo der einzelne zum Frieden mit sich und mit Gott finden kann.

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„Haus des Friedens”, ungewöhnliches Projekt des Zisterzienserpaters Franz Edlinger, soll ein Ort sein, wo der einzelne zum Frieden mit sich und mit Gott finden kann.

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Nach dreimaligem Fragen stehe ich nun endlich vor dem „Haus des Friedens” - etwas verblüfft: Zwar liegt es außerhalb von Eich-büchl bei Wiener Neustadt in einer wunderschönen Landschaft, gleich neben einem Feld im saftigen Frühjahrsgrün. Aber das Haus! Eine abbröckelnde Fassade, mit Ausnahme einiger neugestrichener Fenster kaputte Rahmen, da und dort Baumaterial und Schutt, ein alter Bauaufzug. Offensichtlich wird hier gebaut.

Aber nirgends sieht man Arbeiter. Ein Mädchen sitzt vor dem Haus. „Wo ist denn der Pater Franz?” frage ich sie, und sie weist mich ins Hausinnere. Auch hier: mühsam beherrschte Unordnung. Durch eine halboffene Tür sehe ich eine Druckmaschine, Stöße von bedruckten Bögen.

Im Obergeschoß finden wir ihn dann, den Pater: Blue jeans, aufgekrempeltes Hemd, hohe Schuhe. Er stemmt gerade eine Mauer für eine Elektroleitung auf. Nicht nur im Halsausschnitt hat er eine Schicht roten Ziegelstaubs. „Die Leitungen habe ich fast alle selbst gelegt”, erklärt er lächelnd. Er habe sich immer schon für Technik interessiert, wollte sie auch studieren, sei dann aber in Heiligenkreuz eingetreten und Priester geworden. Sehr lang kann das noch nicht her sein. Ich schätze ihn auf Mitte Dreißig.

Also drängt sich die Frage nach dem Anliegen des Paters auf. „Ich stelle mir vor, daß das Haus des Friedens ein geistliches Zentrum wird, in dem die übliche allzu scharfe Trennung zwischen Wortverkündigung und gelebter Verkündigung wegfällt. Viel stärker wirkt es ja, wenn ich die Nächstenliebe predige und auch versuche, sie recht handfest zu leben”, bekomme ich zur Antwort.

Wie Fliegen zum Honig

Muß man dazu aber in ein verfallenes Haus übersiedeln? Geht das nicht im normalen Pfarrbetrieb? Eher schwer, meint Pater Franz. Das habe er in seiner Kaplanzeit erfahren. Ein Schlüsselerlebnis machte ihm das Dilemma besonders bewußt: Zwei Sandler, die es im WC eines aufgelassenen Geschäftes bei -15 Grad nicht mehr ausgehalten hatten (trotz ihrer fünf Mäntel), baten ihn, in irgendeinem Kammerl unterkommen zu dürfen. Aus organisatorischen Gründen aber konnte er nicht helfen. „Damals habe ich mir gedacht, alles, was du machst, ist falsch. Am nächsten Sonntag predigst du womöglich von der Nächstenliebe... und im entscheidenden Moment weichst du aus.”

Langsam wuchs die Entscheidung, einen ersten Schritt zur Änderung zu tun. Der Pater ersuchte seinen Orden um Freistellung. Er bekam sie für drei Jahre. Und ohne Geld, ohne Gehalt übersiedelte er vor zweieinhalb Jahren.

Schon am ersten Tag begleitete ihn ein Student, der noch drei Tage Ferien hatte, schloß sich ihm eine Studentin an, die in Ruhe über ihren weiteren Weg nachdenken wollte, kam eine Frau und brachte ein Mittagessen. Die Studentin blieb ein Jahr und hat sich mittlerweile den „Kleinen Schwestern” von Charles de Foucauld angeschlossen. Zur ersten Stammmannschaft gehörte auch ein Sandler. Er starb noch im ersten Jahr an einem Herzversagen.

Derzeit besteht der harte Kern aus zwei Theologiestudenten, zwei Krankenschwestern, einer medizinisch-technischen Assistentin, einem Mädchen, das mit Drogenproblemen kämpft. Aber der Bestand fluktuiert, sie sind eben alle noch recht jung.

„Natürlich müßte so ein Haus von einer soliden Gemeinschaft — vor allem im Glauben - gefestigter Menschen getragen werden”, umreißt Pater Franz seine Hoffnung für die Zukunft. Derzeit hängt eben doch sehr viel an ihm: ein Haus der offenen Tür, das für viele Jugendliche eine zweite Heimat geworden ist, wo man einfach hinkommen — aber auch bleiben kann.

Und sie kommen und sie bleiben, viele zum intensiven Gebet: „Ich staune oft, wenn manche, die wie Rocker aussehen, dann eine Stunde lang in der Kapelle knien. Es wäre doch gelacht: Wenn die Sekten es zusammenbringen, den Jungen Heimat und Geborgenheit erlebbar zu machen, dann werden doch auch wir das zusammenbringen!”

Und damit sind wir schon beim zweiten Grund für die Ubersiedlung ins Haus des Friedens: die Jugendseelsorge. Wieviel guter Wille sei da in die Sorge um Fernstehende investiert worden — und wie wenig hätten die Bemühungen doch gebracht. „Und dabei laufen uns die .Nahestehenden' davon!”

Aus dieser Erfahrung zog der Kaplan Konsequenzen und begann mit fünf Jugendlichen, die bereit waren, sich intensiv zu engagieren, die drei folgenden Elemente zu leben: Gebet, religiöse Vertiefung und apostolischer Dienst in der Pfarre. Ein J ahr lang geschah nichts. Doch dann begann diese Gruppe auszustrahlen.

Zwölf weitere junge Leute fanden dazu—und keinen hatte Pater Franz geworben. Aus dieser Gruppe ist schließlich das geworden, was heute nicht nur rund um Wiener Neustadt als Jugendvesper bekannt geworden ist: Monatlich kommen 400 bis 600 Jugendliche zu Messe und Gebet in der Neuklosterkirche zusammen. 85 solche Treffen gab es bisher schon!

„Das Prinzip: Fernstehende anzuziehen, indem ich Nahestehende betreue, das versuche ich auch hier. Carlo Caretto hat dies immer wieder betont: .Lauft den Menschen nicht nach. Schafft Orte des Gebetes, und die Menschen kommen wie Fliegen zum Honig!' Ich habe das nicht erfunden. Aber daß es funktioniert, kann ich hier täglich verifizieren”, faßt Pater Franz zusammen.

Geld ist nie da

Ein solcher Ort des Gebetes ist im Haus des Friedens entstanden. Man glaubt es kaum, wenn man aus dem Durcheinander der Baustelle durch die Glastüre in die Kapelle tritt: Welch wunderschöner Raum, viel Holz, Blick ins Grüne, Gebetsschemel, Fußbodenheizung ... Eine Einladung, sich hinzuknien, innezuhalten und still zu werden.

Wie war es möglich, diese Kapelle zu bauen? Viele haben da mitgeholfen, auch Fachleute. „Für sie war es zum Teil eine echte Zumutung, wie ich da wirtschafte. Denn zur Arbeit gehört für mich Gespräch, Gemeinschaft, miteinander beten. Gibt es einmal wenig Arbeitsfortschritt, so hat das auch sein Gutes. Daher war es sehr wichtig vom starren Planen und von den Terminen wegzukommen. Leicht war das nicht — aber wertvoll.”

Unkonventionell ist auch die Finanzgebarung. Geld ist nie da. Dennoch wird gebaut. Kommt dann eine Rechnung, so ist auch Geld auf dem Konto. Das ist für alle, die mit beiden Beinen im Wirtschaftsleben stehen, unfaßbar. Aber es hat bisher getragen. „Ich will auch durchaus nicht behaupten, jeder Firmenchef sollte so arbeiten”, meint Pater Franz.

Für ihn aber ist es konkrete Erfahrung, täglich an der Hand Gottes zu gehen, auf den Spuren des Franz von Assisi. Nicht um die Verwirklichung eines christlichen Programms geht es ihm, sondern um konkret gelebte Armut, die im eigenen Machtverzicht besteht, damit Gott machtvoll handeln kann.

Daher ist auch das Gebet die tragende Säule des gesamten Vorhabens. Dreimal täglich (früh, mittags und abends) versammeln sich alle Anwesenden zu regelmäßigem Gebet in der Kapelle. Aus diesem Hinhören auf Gott erfährt das Projekt letztlich immer wieder seine Ausrichtung.

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