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Haben Orden Zukunft?

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Nicht das Überleben bestimmter Orden durch Rekrutierung ist vordringlich, sondern ein solides geistliches Fundament.

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Nicht das Überleben bestimmter Orden durch Rekrutierung ist vordringlich, sondern ein solides geistliches Fundament.

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Orden" scheinen sich neuerdings in Fernsehsendungen wie „Schie-jok täglich" oder „Vera" einer zunehmend großen Medienwirksamkeit zu erfreuen. Sie vermögen vielleicht das eine oder andere Vorurteil zu entkräften und Achtung für Ordenschristen zu wecken, die ein glaubwürdiges Zeugnis für ein solches Leben geben. Häufig überwiegen allerdings auch bei Gesprächen zu diesem Thema Klischeevorstellungen oder Unkenntnis. Krankenhäuser, Schulen und andere von Orden geführte Werke sind in unserem I^and allgemein geschätzt und anerkannt. Gestreßte Manager suchen Ruhe und Erholung in Abteien und Stiften, „Urlaub im Kloster" ist immer mehr gefragt.

Vieles ist in der letzten Zeit zu diesem Thema gesagt und geschrieben worden, vor allem auch rund um die Bischofssynode über das Ordensleben (1994). Das nachsynodale apostolische Schreiben „Vita Consecrata" richtet ermutigende Worte an die Ordensleute. Zugleich weist dieses Dokument daraufhin, daß „Institute des geweihten Lebens in manchen Gegenden der Erde eine schwierige Zeit durchzumachen scheinen", und dazu gehören wohl eine ganze Reihe von Gemeinschaften in Österreich und anderen Ländern Westeuropas. Zwar ist die. Generation der Mittvierziger bis zu den Mitt- und Endfünfzigern noch zahlreich, und sie war es, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit großen Hoffnungen an die „Erneuerung" des Ordenslebens heranging. Nicht wenige führte dieser Neuaufbruch allerdings wieder aus den Orden hinaus, die Zahl der Eintritte in die Noviziate ging bald zurück, vor allem in diesem Jahrzehnt und heute müssen sich immer mehr Orden aus ihren Werken und Niederlassungen zurückziehen.

So ist die Frage berechtigt, ob die Orden denn überhaupt noch Zukunft haben. Es werden Stimmen laut, die ein nahes Ende voraussagen: Da wir im „Zeitalter der Laien" leben, haben Orden und Kongregationen ihren Dienst geleistet und scheinen für das Leben der Kirche nicht mehr notwendig zu sein. Das trifft in dem einen oder anderen Fall wohl zu, aber eine solche Schlußfolgerung kann auch dadurch entstehen, daß der Sinn des Ordenslebens oft auf seine Dienstleistungen reduziert wird und diese mit der Zeit mehr in ihrer professionellen Funktion als in ihrer prophetisehen Dimension gesehen wurden.

Andere können sich ein Weiterleben nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen vorstellen. „Die Orden" werden in Westeuropa voraussichtlich zahlenmäßig weiter abnehmen, aber „das Ordensleben" oder, aus anderen Sprachen wörtlich übersetzt, das „religiöse Leben" (religious life, vie religieuse ...) hat insofern Zukunft, als es immer Menschen gegeben hat, die zu einem geistlichen Leben berufen wurden und auf diesen Ruf antworteten. Ordensleben ist , ein Weg, in der Nachfolge Jesu das Evangelium zu leben und zu verkünden. Wenn dieser Weg in die Zukunft führen soll, ist nicht das „Uberleben" bestimmter Gruppen durch Rekrutierung die vordringlichste Aufgabe, sondern ein solides geistliches Fundament, eine tiefe und klare Spiritualität, Gemeinschaften, die sich im Hören auf den Geist üben, die wie die Gründer und Gründerinnen die Zeichen der Zeit erkennen und sich daraus für ihren Sendungsauftrag und ihren Dienst je neu entscheiden.

„Zukunft haben" bedeutet dann Neubeginn, und die Geschichte zeigt, daß alte Orden durch die Jahrhunderte mehrfach ihren Untergang und Neuanfang erlebt haben. Andere haben aufgehört zu existieren. Vielleicht leben wir in einer Zeit des Überganges, die uns noch keine neuen Lösungen finden läßt, sondern uns vor Fragen stellt, die zu neuen Antworten führen können: Werden die neu entstehenden geistlichen Gemeinschaften im Westen oder Neueintritte in bestehende Orden im Osten Europas einen Weg in die Zukunft aufzeigen?

1989 sind drei Schwestern unserer Gemeinschaft nach Ungarn zurück gekehrt. Während wir in Österreich weniger und älter werden, sehen wir uns in Ungarn durch die wachsende Zahl von jungen Schwestern herausgefordert, nicht so sehr um das Weiterbestehen der Gemeinschaft für eine absehbare Zeit zu „sichern", sondern „Neues" zu schaffen. Damit dies gelingt, wird die Generation der „Vorläuferinnen" sowohl die Bereitschaft zum Loslassen bestimmter Vorstellungen und Formen aufbringen müssen, wie auch die Fähigkeit, etwas von der ursprünglichen Dynamik und Begeisterung der Gründungszeit an die neue Generation zu vermitteln.

Welche konkreten Aufgaben auf sie warten, scheinen die jungen Schwestern klar zu sehen: „Wir müssen nach der ,Wende' alle Kräfte dafür einsetzen, ein positives Gottesbild zu vermitteln, Alternativen zum Konsumverhalten zu entwickeln, richtige demokratische Verhaltensweisen einzuüben, eine neue Werteskala aufzubauen. Der Sendungsauftrag unserer Gemeinschaft begeistert mich, weil es das ist, was nötig ist, um das Land aufzubauen, angefangen bei der Jugend. Ich möchte, daß wir in unserem Land viele kleine, offene Gemeinschaften haben, die mitten unter den Menschen echte Liebe leben und weitergeben ", schreibt eine von ihnen, die sich auf die ewigen Gelübde vorbereitet.

Die Frage, ob Orden „Zukunft" haben, läßt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten; ich stimme Hermann Schalück, dem Generalminister der Franziskaner zu, der sagt: „An der Schwelle zu ... einem neuen Jahrtausend kann es gar nicht anders sein, als daß wir mehr Fragen als Antworten haben ... Wir brauchen aber um unseren Auftrag und die Sinnhaftigkeit unseres Lebens nicht zu fürchten, wenn wir an jener Jdentität' festhalten, die das Le- , ben in der Nachfolge zu allen Zeiten begründet und bestimmt hat, nämlich der Gotteserfahrung mitten in der Welt, der Verkündigung eines menschenfreundlichen und in das Leben verliebten Gottes, der Übergabe unserer Freiheit als Gottesdienst wie auch als Dienst an der Befreiung der anderen, der friedlosen Welt, der Schöpfung." (H. Schalück: Zur Identität des Ordensleben in Europa. Ordensnachrichten 35/1 (1996) S. 35-48).

Die Autorin ist

Provinzoberin der Sacre-Coeur-Schwe-stern für Österreich-Ungarn sowie Versitzende der Regionalkonferenz der Frauenorden für die Diözesen Wien und Eisehstadt.

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