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IDEALE NICHT AUFGEBEN

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In Österreich leben und arbeiten 55 verschiedene katholische Männerorden unterschiedlichster Größe. Eine österreichische Besonderheit liegt darin, daß im Vergleich zu den übrigen katholischen Ländern Mitteleuropas, der Anteil der monastischen Orden mit sechs Ordensgemeinschaften in 34 Abteien beachtlich ist.

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In Österreich leben und arbeiten 55 verschiedene katholische Männerorden unterschiedlichster Größe. Eine österreichische Besonderheit liegt darin, daß im Vergleich zu den übrigen katholischen Ländern Mitteleuropas, der Anteil der monastischen Orden mit sechs Ordensgemeinschaften in 34 Abteien beachtlich ist.

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Allen Ordensfamilien sind heute einige Sorgen gemeinsam, deren Bewältigung mit unterschiedlichem Erfolg angegangen wird. Der Ordensnachwuchs und das Bemühen um junge Menschen, die auch in Zukunft die Weiterführung der Ordensaufgaben garantieren, ist bei allen Gemeinschaften ein vordringliches Anliegen. Wenngleich in den letzten zwölf Jahren (1980-1992) durchschnittlich 63 Novizen sich auf die engere Bindung an den Orden und den Einsatz im Dienst dieser Gemeinschaften vorbereiteten, so ist mit dieser Zuwachsrate von 2,2 Prozent keine Vorausstrategie in den Gemeinschaften möglich, denn der Abgang durch Tod oder Ordensaustritt liegt bei 3,1 Prozent. Dies führt dazu, daß kleinere Außenstellen aufgegeben werden, um die zentralen Aufgaben zu halten.

Bei den Ordenseintritten ist wohl aufgefallen, daß die monastischen Orden (Stifte) gegenüber den in kleineren Einheiten lebenden Seelsorgeorden von den eintretendenjungen Menschen bevorzugt werden. Mancher Abt kann mit Freude feststellen, daß in-%erhalb der oft über Jahrhunderte gehende Geschichte des Stiftes kaum je-mals mehr Konventualen im Hause lebten als derzeit. Das sind zwar Ausnahmen, aber doch auch eine Realität.

Weniger angezogen scheinen junge Menschen vom Lebensstil und von den Arbeitsbedingungen der Seelsorgeorden zu sein, die in Österreich keine geringe Stellung haben, wie zum Beispiel Franziskaner, Kapuziner, Jesuiten, Salesianer. Die verminderten Ordenseintritte spüren besonders jene Gemeinschaften, die schon immer als kleinere Gruppe mit 30 bis 40 Mitgliedern in Österreich vertreten waren. Sie tragen noch mehr als die größeren Gemeinschaften am hohen Durchschnittsalter ihrer Mitbrüder. Die statistischen Werte aus allen Männerorden Österreichs weisen 37,4 Prozent der Mitbrüder aus, die das 60. Lebensjahr bereits überschritten haben. Wenngleich sich das Bild eher verdüstert als erhellt, so ist derzeit in Österreich keine Gemeinschaft unter den Männerorden, die unmittelbar vom Aussterben bedroht ist.

Ein anderer Sorgenbereich der Orden liegt in der Verwirklichung ihrer ursprünglichen Berufung und Sendung. Die Bischöfe der Ortskirchen stellen zunehmende Anforderungen und beziehen die Ordenspriester in den Dienstplan der ordentlichen Seelsorge ein. Die Ordensoberen werden bedrängt, immer mehr Ordenspriester für den Seelsorgsdienst in den Pfarreien als Pfarrer oder Kapläne zur Verfügung zu stellen.

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Die Folge davon ist, daß für die ursprünglichen und dem Ordenscharis-ma zugeordneten Aufgaben immer weniger Kräfte in den Klöstern zur Verfügung stehen. Dies bekommen die monastischen Orden zu spüren, die schon die Seelsorge in den ihrer Abtei inkorporierten Pfarren vollständig wahrnehmen. Es trägt außerdem zu einer Entfremdung von den Vollzügen des monastischen Lebens bei, weil allein die seelsorglich bedingten Abwesenheiten vom Kloster die Schar der Beter im Mönchschor zu einem kleinen „Fähnlein” zusammenschmelzen läßt, das sich dann auch im großen Konventgebäude verliert.

Die Lebensform und der Seelsorgsdienst der Mitglieder der apostolischen Orden gleicht sich auch mehr und mehr den Erfordernissen der Pfarrseelsorge und dem Lebensstil der Weltpriester an. Die Rückbindung an eine Kommunität ist eine nicht zu unterschätzende geistliche und menschliche Hilfe für jeden Priester.

Es trifft aber alle Ordensleute oft die provokante Frage junger Menschen, die sich für eine genuine Form einer zeitgemäßen Verwirklichung der Gründerideale interessieren: „Was unterscheidet euch noch in Lebensstil und pastoralem Dienst von den Weltpriestern?” Die Konsequenz ist bei diesen jungen Menschen nicht, daß sie ins Priesterseminar eintreten, sondern daß sie sich eher in andere Berufe verlieren. Den Schritt in eine klösterliche Gemeinschaft, die diesen Lebensbedingungen ausgesetzt ist, riskieren sie nicht.

Was stellen die Männerorden diesen Herausforderungen entgegen? Wie profilieren sie sich gemäß dem Charisma ihres Ordens? In allen Abteien und Kommunitäten der Männerorden wird Wert auf die Pflege des geistlichen Lebens gelegt durch die treue Einhaltung der Gebetszeiten und der Feier der Liturgie, selbst wenn fallweise die Schar der Beter sehr geschrumpft ist. Die gemeinschaftlichen Lebensvollzüge wie Mahlzeiten und gemeinsame Rekre-ation, Einkehrtage und Exerzitien werden für die in Seelsorge, Schule, Krankenhaus, Jugendpastoral und wiSsenschaft-licher Lehrtätigkeitbeschäftigten Ordensleute zu Angelpunkten des geistlichen Familienlebens.

Der „Jour-fix” ist wöchentlicher Familientag für die Pendler zwischen den Außenstationen und den klösterlichen Ge-meinschaften. Der rege Gedanken- und Erfahrungsaustausch, die geistlichen und humanen Impulse aus der brüderlichen Begegnung werden zu tragenden Elementen des Ordenslebens für alle Mitbrüder, gleichgültig ob sie sich im „Innendienst” im Kloster oder im „Außendienst” auf den verschiedenen seelsorglichen oder wissenschaftlichen Einsatzstellen befinden.

Die jungen Menschen, die sehr nach der tragenden Brüdergemeinschaft Ausschau halte, aber auch einen hohen Grad an Eigenständigkeit in Leben und Arbeit beanspruchen, scheinen immer mehr für das von den „Nöten der Zeit” geprägte Ordensleben angesprochen zu sein. Dies erfordert allerdings auch ein Umdenken und praktische Konsequenzen bei den Mitbrüdern der „alten Garde”, die auch bereits auf diesen Stil einschwenken müssen, ohne das Gefühl, wesentliche Punkte des Ordensideals preisgegeben zu haben.

P. Leonhard Gregotsch OSCam ist Generalsekretär der Superiorenkonferenz Österreichs.

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