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Fischer oder Aquarienpfleger?

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65 junge Männer aus den sieben Priesterseminaren und aus Ordensgemeinschaften werden heuer in Österreich zu Priestern geweiht. Um zehn Prozent mehr als im Vorjahr, aber viel zu wenige, um die Zahl der Abgänge auszugleichen.

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65 junge Männer aus den sieben Priesterseminaren und aus Ordensgemeinschaften werden heuer in Österreich zu Priestern geweiht. Um zehn Prozent mehr als im Vorjahr, aber viel zu wenige, um die Zahl der Abgänge auszugleichen.

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Als „nicht sehr rosig" bezeichnet Franz Grabenwöger, Vizepräsident des Canisiuswerk.es (das die Förderung geistlicher Berufe zum Ziel hat) und Rektor des Erzbischöflichen Seminars in Hollabrunn, die Situation beim Priesternachwuchs. Zwar stellen die 65 Weihen dieses Jahres seit 1983 - ausgenommen das Jahr 1988 - einen relativen Spitzenwert dar, aber absolut gesehen reicht diese Zahl bei weitem nicht aus, um den Abgang an Priestern zu ersetzen.

Daran ändert auch wenig, daß einzelne Weihen von Weltpriestern (zum Beispiel für die Militärdiözese) nicht in der Canisiuswerk-Stastistik aufscheinen, weil die Betreffenden keines der sieben Priesterseminare absolviert haben. Und daran ändern auch Studienhäuser wie das „Rudolphi-num" in Heiligenkreuz oder jenes der Oratorianer in Mayerling wenig, weil die dort Studierenden (sofern sie überhaupt in Österreich tätig werden wollen) vor der Priesterweihe in der Regel doch noch in ein Diözesanseminar oder in einen Orden eintreten müssen und statistisch dann ohnehin dort aufscheinen.

Zu Beginn einer jetzt laufenden Medienkampagne des Canisiuswerkes (FURCHE 12/1991), mit der der Priesterberuf „positiv ins Gespräch" gebracht werden soll, wurde darauf hingewiesen, daß zwischen 1984 und 1989 nur 364 Neuzugänge aus den sieben Seminaren insgesamt 684 Abgängen gegenüberstanden, daß bereits 660 der 3.075 österreichischen Pfarren keinen Priester mehr am Ort haben. Diese Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr. Wenn auch heute der Einsatz von Priestern in manchen anderen Bereichen wichtiger sein dürfte als die Erhaltung alter Strukturen auf dem Land, so ist der Rückgang doch Anlaß zu großer Sorge und führte auch zu der Kampagne, die der Grazer Bischof Johann Weber als Präsident des Canisiuswerkes bewußt nicht „Werbekampagne" nennt, weil man für den Beruf des Priesters, der vor allem Berufung sei, nicht wie für ein Waschmittel werben könne.

Der Klerus ist überaltert

Wenn heute junge Männer bei der Priesterweihe ihr „Adsum" aussprechen, haben sie oft einen anderen Lebensweg hinter sich als ihre Kollegen früherer Generationen. Verlief einst bei vielen dieser Weg geradlinig aus einem traditionell frommen Elternhaus über ein kleines Seminar (zumindest ein solches gibt es noch in jeder Diözese), die Matura und dann sofort das Priesterseminar zum Prie-stertum, so sind heutzutage Umwege keine Seltenheit. Viele der heuer - insbesondere in der Erzdiözese Wien - Geweihten haben vor dem Priesterseminar - oft sicher nützliche -Erfahrungen in anderen Studien und/oder im Berufsleben gesammelt.

„Wir spüren einen Gegenwind", meint Franz Grabenwöger aus der Sicht des Leiters eines kleinen Seminars. „Junge Menschen suchen Vorbilder, die sie anscheinend dort, wo sie Kirche direkt erleben, kaum finden." Die laufende Kampagne habe sicher etwas mehr Anfragen als sonst beim Canisius-werk gebracht, auffallend sei dabei, daß die Interessenten oft kaum Kontakt zu ihrer Heimatpfarre haben.

Für Grabenwöger gibt es einen Trend zur kleinen, familiären Gruppe, demzufolge sich heute viele gerne einem Orden anschließen. Hier zeigen sich von Stift zu Stift und Orden zu Orden (siehe Kasten) oft bemerkenswerte Unterschiede. Es fällt auf, daß der „Engelwerk"-Orden der Re-gularkanoniker vom heiligen Kreuz genausoviel Priesternachwuchs hat wie mancher bekannte alte Orden. Es gibt aber anderseits auch Jungtheologen, die das Weltpriestertum sehr bewußt der klösterlichen Gemeinschaft vorziehen.

Beim Canisiuswerk hat man besorgt registriert, daß ungefähr jeder zweite Seminarist sein Studium vorzeitig wieder abbricht und sich die Zahl der fehlenden Priester in den nächsten 15 Jahren zumindest verdoppeln dürfte. Das hängt mit der Überalterung des Klerus zusammen: 49,1 Prozent der Priester sind über 60 Jahre alt, 38,5 Prozent zwischen 40 und 60 und nur 12,4 Prozent unter 40. Zudem wird die durchschnittliche Lebensarbeitszeit des Priesters durch den Umstand verkürzt, daß es immer mehr Spätberufene gibt, die eben nicht mit etwa 25, sondern vielleicht erst mit 35 Jahren zur Weihe kommen.

Manchen erscheint der Mangel an Priesterberufen durch eine Änderung des Zölibatsgesetzes leicht lösbar, für Bischof Weber liegen die Ursachen tiefer. Er sieht hierein Spiegelbild der Glaubenssituation im Land und will ein modernes Priesterbild vor Augen stellen: „Der Priester der Gegenwart und Zukunft ist keine exzentrische Erscheinung, sondern steht aufgeschlossen im Leben und hat zugleich sein Leben auf Gott gesetzt." Mit 48 Weltpriester-Weihen in den Jahren 1986 bis 1991 liegt Webers Diözese Graz übrigens in diesem Zeitraum in Österreich weit voran.

Für Rektor Franz Grabenwöger liegt der Schlüssel zur Lösung offensichtlich auch am Image der Kirche, wenn er im Zusammenhang mit der Diskussion um Priestemachwuchs darauf hinweist, was ein spanischer Journalist sinngemäß gemeint habe: „Christentum sollte etwas mit Fischfang zu tun haben, wir wirken aber oft nur wie die Pfleger eines Aquariums."

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