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Digital In Arbeit

Alle Kräfte sammeln

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Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ist auch für Ordensangehörige wichtig. Kommunikationstraining gehört nicht nur in den ,profanen' Bereich.

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Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ist auch für Ordensangehörige wichtig. Kommunikationstraining gehört nicht nur in den ,profanen' Bereich.

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Allen Ordenschristen gemeinsam ist der Wunsch, die frohe Botschaft Jesu Christi auch heute noch zu verkünden, sie zuj>ezeugen und als erfüllende Lebensweise weiterzugeben. Die verschiedenen Ordenstraditionen mit ihren oft jahrhundertelangen Erfahrungen gelebten Glau-bensvollzugs, zusammengefaßt in den verschiedenen Spiritualitäten, sind unerschöpfliche Schätze für den modernen Menschen von heute und Quellen für viele Fragende auf der Suche nach dem Sinn des Lebens im Angesicht Gottes.

Diesem Anliegen des Bezeugens sind viele Ordenschristen bis vor kurzem mit ihrer Arbeit in verschiedenen großen Werken wie Schulen, Spitälern und so weiter nachgekommen. Mit dem zur Zeit nur spärlichen Nachwuchs in den Orden wird dieser Weg der Weitergabe der Spiritualität immer kleiner - und damit auch „hinter-fragwürdiger". Krisen, Frustrationen und Spannungen sind meist die Folgen in einer Gemeinschaft. Viele Ordensleute sehen diese Notsituation aber als Chance für eine Neubesinnung. Sie stellen sich der Frage: „Wie kann das Anliegen unserer Spiritualität und das daraus folgende Engagement mit den Ressourcen, die wir haben, heute überzeugend gelebt werden?"

Gemeinschaften, die sich dieser Frage stellen, entschließen sich oft dazu, gemeinsam ein Leitbild zu erarbeiten, um einen gehbaren Kurs für die gegenwärtige Realität zu finden. Gemeinschaften, die mit diesem Wunsch an mich herantreten, erwarten von mir die Moderation und das Begleiten des Prozeßweges.

Das übergeordnete Ziel (die Weitergabe des Glaubens durch ein überzeugendes Leben) macht im Verlaufe der gemeinsamen Arbeit meist immer mehr bewußt, daß eine Zusammenarbeit aller Kräfte (Orden und Laien) unabdingbar wird. Die gemeinsame Arbeit macht auch deutlich, daß wir im gemeinsamen Austausch voneinander lernen und einander beschenken.

Ich denke, daß gerade in dieser Zusammenarbeit eine große Chance liegt, daß die Spiritualität einer Gemeinschaft weitergehen wird und auch kann, auch wenn es für diesen Konvent unter Umständen bedeutet „auszusterben".

Uns getaufte Christen verbindet alle der Auftrag, so zu werden, wie Gott sich mich gedacht hat. Dies ist meiner Meinung nach nur möglich im Zusammensein, -leben mit anderen Menschen im Sinne Martin Bubers: „Ich werde am Du ... Alles wirkliche Leben ist Begegnung."

Die persönliche Berufung finden, die Persönlichkeitsentwicklung konsequent angehen ist mit Fragen und Problemen verbunden, genauso wie das Gestalten guter zwischenmenschlicher Beziehungen nicht nur eitel Freude bedeutet, sondern auch Konflikte und Dialogbarrieren beinhaltet.

Auch das sind Schwerpunkte in meiner Arbeit mit und in den Orden. Nicht zuletzt deswegen, weil die frühere „Demutserziehung" sich immer mehr als Bumerang erweist, indem unterdrückte Konflikte unheilvoll sich im Gemeinschaftsleben Bahn brechen.

Die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit ist Thema vor allem in der geistlichen Begleitung, in Exerzitien und Einkehrtagen. Anfragen von Ordenschristen an mich in diesem Bereich sind steigend und weisen meiner Meinung nach auf ein echtes Bedürfnis hin. Meist steckt dahinter der Wunsch: „Wenn ich mich besser kenne, dann verstehe ich meine Mitmenschen besser und meine Beziehung zu Gott kann sich vertiefen."

Miteinander ins Gespräch kommen (Kommunikationstraining) und sinnvolles Verhalten in Konfliktsituationen sind Schwerpunktthemen von Tagungen, Seminaren und Su-pervisionen, die ich in unterschiedlichsten Gemeinschaften wahrnehme. Das Bejahen, daß reibungsloses, harmonisches Miteinander nicht immer gelingt, ist der erste Schritt auf dem Weg als Gemeinschaft überzeugend in dieser zerrissenen Welt zu wirken. Das Bejahen der Realität und der Wille zur Veränderung der Situation ist der Boden, wo eine gute Kommunikation und eine reife Konfliktkultur sich entwickeln kann, die dadurch Signalcharakter für die Umwelt hat.

Das faire Umgehen miteinander lernen, üben und praktizieren, empfinde ich neben der Leitbildarbeit als eine der zukunftsträchtigsten Perspektiven religiöser Gemeinschaften. Dieses faire Miteinander kann Vorbild beziehungsweise „Gegenkultur" sein für die Gepflogenheit und die Praktiken in der „normalen" Welt, wo so viele Menschen unter der Ellbogenpraxis leiden.

Miteinander ins Gespräch kommen ist nicht nur eine innerkommu-nitäre Angelegenheit, sondern angesichts der gleichen beziehungsweise ähnlichen Probleme und Anliegen anderer Gemeinschaften auch eine interkommunitäre Sache.

Ein gelungener Ansatz in dieser Richtung ist für mich der Versuch eines Lehrgang für Leitungsverantwortliche in religiösen Gemeinschaften: Ganz unterschiedliche Gemeinschaften, Männer und Frauen, gehen gemeinsam in diesem Kurs Fragen im Zusammenhang mit Führen und Leiten an.

Auch die Tagungen der Verantwortlichen auf diözesaner Ebene beziehungsweise landesweit erachte ich als zukunftsversprechende Austauschmöglichkeit im Bewältigen gleicher Probleme. Diese Zusammenkünfte sind Orte gegenseitiger Ermutigung auf einem nicht einfachen Weg des Umbruchs.

Die Autorin ist als Laientheologin, Psychologin und Psychotherapeutin mit und für Ordensgemeinschaften tätig. Unter anderem begleitet sie den einjährigen Lehrgang „Führen von religiösen Gemeinschaften ", der zur Zeit im Wiener Bildungshaus Lainz stattfindet.

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