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Bis sich das Herz weitet

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Wie die meisten Klöster der alten Orden in Österreich entstand das Benediktinerstift Melk im Hochmittelalter. Im Jahr 1089, als der Babenberger Markgraf Leopold II. am 21. März dem Benediktinerabt Sigibold aus dem oberösterreichischen Stift Lambach mit seinen Mönchen das neugegründete Kloster übergab, begann die benediktinische Geschichte des Klosters.

Der heilige Benedikt hatte eigentlich nie im Sinn gehabt, einen „Orden“ zu gründen. Im Prolog

seiner Regel will Benedikt .. eine Schule für den Dienst des Herrn einrichten“, in der er „nichts Hartes und nichts Schweres“ anordnen will, bis man durch alle Schwierigkeiten hindurch im klösterlichen Leben Fortschritte macht, „sich das Herz weitet und man den Weg der Gebote Gottes in unsagbarer Freude der Liebe geht“. Nach Benedikt steht das Kloster unter zwei bestimmenden Faktorep: dem Abt und der Regel. Die Regel ist das Objektive, gleichsam der „Lehrplan“ der Schule, der Abt verkörpert die subjektive Seite: es geht um den Menschen, der in dieser Schule steht, und nicht um den Buchstaben. Der Abt kann die Bestimmungen der Regel anpassen und gerade so wirksam machen und in die existentielle Situation stellen.

In den neunhundert Jahren seines Bestandes war das Stift aber auch immer zugleich ein Spiegelbild seiner Zeit, der Gesellschaftsordnung, der Kirche und zugleich eine kritische Instanz gegenüber den Verhältnissen der Zeit. Nach dem großen abendländischen Schisma wurde Melk zum Ausgangspunkt einer florierenden monastischen Reformbewegung, der Melker Reform. Unter dem Reformabt Nikolaus Seyrin- ger (1418-1425) wurde strengste Klosterdisziplin gehalten, auf eine gute Ausbildung der Mönche geachtet und viel Wert auf eine würdige Feier des Gottesdienstes gelegt. Viele Eintritte und die Tatsache, daß von Melk ausgehend fast alle Klöster Österreichs und des süddeutschen Raumes visitiert wurden und die Reform an- nahmen, belegen das Gelingen dieser Reformbewegung.

In der Zeit der Reformation, ab 1524 etwa, schlug die Misere der Kirche auf das Kloster durch. Ohne glaubwürdiges christliches Leben der Hirten der Kirche war es nicht mehr plausibel, in Gemeinschaft mit ihnen den Weg des heiligen Benedikt zu gehen. Die Zahl der Eintritte nahm rasch ab, die Bildung der Mönche wurde immer mangelhafter, und der klösterliche Lebenswandel ließ viel zu wünschen übrig. Im Jahr 1566 zählte der Konvent nur mehr acht Mönche, davon zwei Priester. Erst in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts gelang die allmähliche Konsolidierung des Klosters, der bald eine steigende Zahl

von Neueintritten folgte.

Der prachtvolle Barockbau des Stiftes, 1702 begonnen, zeigt, daß nicht die Repräsentation an sich, die Lust am Schönen schlechthin oder der Ruhm des Reichtums beim Bau Pate standen. Uber dem ganzen Baugeschehen steht als Motto ein Zitat des Apostels Paulus im Giebel der Ostfassade über dem Eingang zu finden: „ABSIT GLORIARI NISI IN CRUCE“ (Es sei fern, sich zu rühmen außer im Kreuze).

In der Zeit der Aufklärung wurde es schwierig, ein Mönch zu sein: die Sinnhaftigkeit des Ordenslebens stand in Frage und führte in ihrer österreichischen Form, dem Josephinismus, zu empfindlichen und oft kleinlichen Eingriffen des Staates in das Leben des Stiftes. Das Stift Melk hatte zwar wegen seiner geordneten finanziellen Verhältnisse, seiner Pfarrseelsor- ge und seiner Klosterschule nicht die Aufhebung zu befürchten, aber die Weigerung der Patres, in Wien und St. Pölten im Habit aufzutreten — wegen des damit verbundenen Spottes der Passanten -, illustriert eindringlich die Lage.

Der Konvent des Stiftes zählt gegenwärtig 41 Mönche. Als Benediktinerkloster weiß sich das Stift Melk zunächst dem gemeinsamen Leben und der Freude am Gottesdienst verpflichtet. Es wird versucht, diese Freude am Gotteslob gerade auch der Jugend, zu der ein Zugang durch das Gymnasium gegeben ist, zu vermitteln. Die Schule, in der gegenwärtig

acht Patres unterrichten, ist ein gewachsenes Aufgabenfeld. Besonderer Wert wird auf eine ganzheitliche Bildung gelegt, die den jungen Menschen gerade auch in existentiellen Fragen nicht allein läßt. Zwei Mönche arbeiten gegenwärtig im angeschlossenen Konvikt.

Die Pfarrseelsorge, die in einem Großteil der 27 inkorporierten Pfarren von Patres des Stiftes ausgeübt wird — gegenwärtig sind 18 von ihnen eingesetzt -, will den Geist des heiligen Benedikt in die Pfarren und eine pastorale Ausrichtung in den Konvent bringen. Wenn auch die teilweise große Entfernung der Pfarren vom Kloster oftmals beschwerlich ist, ist die Pfarrseelsorge gerade auch in Zeiten des Priestermangels ein Akt der Solidarität mit dem Sendungsauftrag der Kirche und ermöglicht einen guten Kontakt der Mönche mit den Weltpriestern zum gegenseitigen Nutzen.

Ein immer größeres Betätigungsfeld ist der Tourismus. Hunderttausende Menschen pro Jahr machen eine Führung durch das Stift. Ihnen gilt es dabei den Weg des heiligen Benedikt nahezubringen und etwas vom Wesen eines Benediktinerklosters zu vermitteln. Dazu soll auch die vom 18. März bis zum 15. November täglich geöffnete Jubiläumsausstellung „900 Jahre Benediktiner in Melk“ dienen.

Oer Autor ist Professor am Stiftseymna- sium und zuständig für die Fremdenverkehrsaktivitäten des Stiftes.

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