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Heimgang von Maria Laach

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Als die große Glocke des Laachner Münsters am 2. September morgens vor neun Uhr siebenmal ihren tiefen und vollen Klageton über den Laachner See sandte, da hatte ein Mann die Augen geschlossen, der zu den bedeutendsten Persönüchkeiten nicht nur der Beuroner Kongregation, sondern des ganzen Benediktinerordens gehörte.

Ildefons Herwegen war am 27. November 1S74 in Junkersdorf bei Köln geboren, stand also im 72. Jahre seines Lebens. Nach Absolvierung seiner humanistischen Studien in der Abtei Seckau in Steiermark, wo ihm die ersten Ideen über das Mönch tum durch einige ehrwürdige Mönchgestalten tief eingeprägt worden sind, wie er mir selber des öftern erzählt hat, trat er als Novize in Laach ein. Zum Studium der Theologie besuchte er die Universität der Benediktiner S. Anselmo in Rom. Der damalige Abt von Laach und jetzt noch lebende Primas des Ordens Fidelis von Stotzingen ließ den jungen Pater in Bonn rechtshistorische Studien machen, besonders, bei Prof. U. Stutz, Studien, die wohl entscheidend für seine kommende Laufbahn wurden. Am 26. Juni 1913 fiel die Abtwahl auf den 39 jährigen Gelehrten, der dann durch volle 33 Jahre den Abtstab von Maria Laach führte und in unermüdlicher Arbeit jene .Ideale verwirklichen konnte, die ihm in seinen Jugendjahren und durch seine Studien. aufgegangen waren.

•1920„ -erschien aus seiner,..Feder ein. Buch mit dem Titel: „Alte Quellen neuer K r a f t“, eine Sammlung verschiedener Aufsätze, von denen ein Teil die Aufschrift trägt „Aus dem Chor“ und der andere „Aus der Zelle“. Mit diesen drei Überschriften ist das ganze Lebenswerk Abt Herwegens am klarsten ausgesprochen: Chor und Zelle, Liturgie und Mönchtum als alte Quellen neuer Kraft. An diesen beiden Quellen hatte er selber reichlich getrunken und seine Seele so formen lassen, daß er gar nicht anders konnte, als nun selber als Abt eine Quelle zu werden für die ihm anvertrauten Mönche und Brüder. Der Stand der Abtei war um das Jahr 1940 ungefähr sechzig Patres und achtzig Brüder, die ehrfürchtig zu ihrem Abte aufblickten und unter seiner Lehre und seinem Beispiel sich gestalten ließen. Wenn auch manche Schriften aus seiner Feder in die Welt hinausgingen, so liegt seine Bedeutung nicht sosehr auf schriftstellerischem Gebiet, als vielmehr auf seinem lebendigen Wort, das er Sonntag um Sonntag und während der Woche an seinen Konvent richtete. Sein Wissen auf liturgischem, monastichem und historischem Gebiet wurde in ihm selber, in seiner Abtei und in seinen Mönchen lebendig und ließ Maria - Laach zu einem religiösen Zentruni des katholischen Rheinlands und Deutschlands und darüber hinaus werden. Menschen aus allen Volksschichten, besonders Akademiker und Jugendliche, wurden immer von neuem nach Maria-Laach hingezogen, wo sie Liturgie und Mönchtum gelebt sahen und wo die vollendete Feier der Mysterien der Ausdruck dessen war, was in den Seelen brannte. Neben der gelebten Liturgie stand das Wort, das Abt und Mönche innerhalb und außerhalb der Mauern für alle sprachen, die sich nach Vertiefung des religiösen Lebens sehnten. Die treibende Kraft aber hinter allen religiösen, liturgischen, wissenschaftlichen und künstlerischen Bestrebungen der Abtei war immer wieder Abt Herwegen, dessen Sorge darin bestand, daß seine Mönche gründlich ausgebildet wurden und das mona-stische Ideal von Chor und Zelle in sich verkörperten.

Die eine der Quellen, aus denen der Abt seine Kraft schöpfte, war das Mönchtum, in dem er einen wesentlichen Bestandteil der Kirche sah und das er verlebendigt wissen wollte, damit es befruchtend auf die religiöse Entwicklung des 20. Jahrhunderts, wirke. Vor seiner Wahl zum Abt hatte er mit einer kleinen Schrift: „Das pactum des hl. Fructuosus von Braga“ einen kleinen Beitrag zur Geschichte des suevisch-west-gotischen Mönchtums geliefert. 1912 begann er dann eine Reihe wissenschaftlicher Abhandlungen herauszugeben mit dem Titel: „Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Bene-diktinerorden s.“ Bisher erschienen zwanzig stattliche Hefte aus der Feder der besten Gelehrten. Herwegen ist im 3. Band vertreten durch die „Geschichte der benediktin ischen Profeßfor-m e 1“. Auf dieser Linie liegt dann das Werk über den hl. Benedikt (drei Auflagen), das 1917 erschien, und die verschiedensten Vorträge über das Mönchtum, das ihm seine tiefste Herzensangelegenheit gewesen ist. Seine Krönung fand dieses Anliegen durch die Gründung der Laacher Benediktinerakademie, deren Programm das Studium des alten Mönchtums und der Liturgie ist. An dieser Akademie für junge Mönche übernahm er selber die Vorlesungen über die Bencdiktinerregel, die er durch Jahre im Kapitel der Abtei immer von neuem unter neuen Gesichtspunkten erklärt hat. Als reife Frucht erschien dann im Jahre 1943 sein Hauptwerk: „Sinn und Geist der Ben e d i.k t i.n.e r r e gel“, das er selber als das Testament an seine Mönche bezeichnet hat, eine Arbeit, in der er vor allem den pneumatischen Charakter des Mönchtums herausarbeitete.

Die zweite Quelle der neuen Kraft war für Abt Herwegen die Liturgie der Kirche, nicht als etwas, was vom Mönchtum getrennt werden könnte, sondern als wesentlicher Bestandteil des Mönchtums, dem nichts über die Liturgie gehen darf, wie es der hl. Benedikt in seiner Regel schon ausgesprochen hat. In diese Richtung weist die von Abt Herwegen herausgegebene Sammlung „Ecclesia orans“, die über zwanzig Bändchen umfaßt. Viele Aufsätze und Vorträge des Abtes weisen alle in diese Richtung. Er war der Initiator des Vereins zur P.le/e der Liturgiewissenschaft, der in Maria-Laach seinen Sitz hat und jenes Werk herausgibt, das wohl auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Liturgie an erster Stelle genannt

Verden muß: „Jahrbuch für Liturgiewissenschaft“ (P. Odo Casel, 15 Bände). Auch bei den liturgiegeschichtlichen Quellen und Forschungen stand Abt Herwegen Pate. Diese Andeutungen mögen genügen, um zu zeigen, wie anregend Abt Herwegen auf allen diesen Gebieten gewirkt hat. Die Mysterienlehre der Laacher Schule, die durch Odo Casel weiter ausgebaut worden ist, geht auf Abt Herwegen zurück, der in ihr das Kernstück der liturgischen Erneuerung gesehen hat. Mysterium ist die kultische Gegenwärtigsetzung der ganzen Heilstat Christi. Durch diese Auffassung wird uns der Weg in das letzte Wesen der Liturgie geöffnet und der Blick dafür geschärft, daß es sich in der liturgischen Erneuerung um viel mehr handelt als um schöne Paramente und Zeremonien. Es geht um die Gegenwart des Heilswerkes Christi unter den Symbolen der Liturgie. Vor der Idee des Mysteriums waren Wort und Leben des Abtes Herwegen getragen.

Es sei der Reichtum des Lebens dieses führenden Abtes hier gezeigt. Aus meinem persönlichen Verkehr mit ihm lernte ich ihn kennen als tief frommen und gläubigen Menschen, der alles, was er als gut erkannt hatte, mit starker Energie durchsetzte, dabei immer freundlich und hilfsbereit war. Wir haben in den letzten Monaten die einzelnen Phasen seines Krebsleidens verfolgt und mit ihm und seinen Mönchen gebangt, gelitten und gebetet, haben uns auch darüber gefreut, daß er vollen len durfte. Beim Vorlesen der Berichte, die uns zugingen, fiel in unserem Konvente das Wort: „Abt Herwegen zelebriert sein Sterben“. Ergreifend muß der 3. August gewesen sein, als der Konvent ein feierliches Amt hielt, bei dem alle Nicht-priester die hl. Kommunion empfingen und die Hostie für den auf das Sterhen sich rüstenden A.bt konsekriert wurde. Der Konvent zog in feierlicher Prozession an das Sterbelager und nach einigen Danke-Worten des Priors sprach Abt Herwegen zum letztenmal zu seinem Konvent. Was er seinem Nachfolger ans Herz legte, war: die Treue zur alten Tradition des Mönchtums. Zu Füßen des Sterbelagers stand einer der Mönche mit der hl. Regel und ein ande, er mit dem Kommentar des Abtes. Und dann vollzog sich die von der hl. Kirche vorgeschriebene heilige Handlung. Wenige Tage später nahmen alle Patres und Brüder einzeln Abschied von ihrem verehrten Vater, indem sie alle an das Krankenlager traten und ihm schweigend den Ring küßten. Das wiederholten alle am Morgen des 2. September, als er um 8.30 Uhr seine große Seele ausgebaucht hatte. In diesem Augenblick betete der Konvent gerade den ersten Vers des 121. Psalms: „Ich freue midi, weil man mir sagt: nun geht es ins Haus des Herrn.“ Am 7. September, am Tag vor der Vollendung seines fünfzigsten Profeß-jahres wurde er zu Grabe getragen.

Es wird nicht zu viel gesagt sein, mit der Feststellung, daß Abt Ilde-Ions Herwegen die Gedanken des Abtes Gueranger und des Erzabtes Maurus Wolter nicht nur ganz in seine glühende Seele aufnahm, sondern sie konsequent weitergedacht und weitergelebt hat. Sein Werk wird duich seine Schriften und durch seine Abtei unter uns weiterleben.

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