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Organisator und Heiliger

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Der große Reiz dieses ausgezeichneten Werkes — und damit auch seine Bedeutung — liegt darin, daß der niederländische Literarhistoriker in geradezu einmaliger Weise die Persönlichkeit Bernhards von Clairvaux in das geschichtliche Zeitbild des 12. Jahrhunderts stellt und — streng objektiv — das Ringen dieses' zuerst starren Asketen mit seinen so gegensätzlichen Neigungen und Kräften zeichnet, das ihn schließlich zu einem gütigen und verstehenden Mönch und Abt, zu einem glühenden Christusmystiker, berühmten Prediger und hervorragenden Organisator formt und den Heiligen des 12. Jahrhunderts prägt, den Friedrich Heer den bedeutendsten Mann seiner Zeit nannte.

In dem Streit um die rechte Form des religiösen Lebens, der am Beginn dieses Jahrhunderts zwischen Cluny, dem feudalen Zentrum für Liturgie, Geisteswissenschaften und romanischer Kunst, und Citeaux ausbrach, das für strengste Befolgung der benediktinischen Regel, für harte Zucht und Askese sowie für ein Leben der Armut und Handarbeit eintrat, entschied sich der junge, aus vornehmer Familie stammende Bernhard für Citeaux. Er trat dort ein, wurde aber schon nach drei Jahren zur Gründung eines Tochterklosters bestimmt. Es entstand Clairvaux. Sein junger und strenger Abt hatte zuerst gewisse Schwierigkeiten innerhalb der eigenen Klosterfamilie zu überwinden, dann kam es zur Auseinandersetzung mit Oluny, das damals unter der Leitung des Abtes Petrus Venerabiiis stand. Es ging um die Struktur des Klosterlebens. Bezeichnend für Bernhard ist, daß ihm schon damals eine fast suggestive Kraft der Persönlichkeit zu eigen war, die ihm die Herzen auch seiner Gegner gewinnen ließ. So erging es auch Petrus Venerabiiis, der später zu einem Freund Bernhards wurde. Die schriftliche Auseinandersetzung der beiden, zeigt Bernhard unnachgiebig hinsichtlich der klösterlichen Observanz, als Feind jeglicher kirchlichen Prachtentfaltung, des Studiums und der Kunst. Der anscheinend so nüchterne Abt verfügt aber

über einen geradezu blendenden Briefstil, zitiert die lateinischen Klassiker und reißt durch die Glut seiner Christus- und Marienpredigten die Gläubigen mit. Und seltsam, die bildhafte Darstellung des Evangeliums, die Eigenheit, Christus als den menschgewordenen Gottessohn immer wieder in den Mittelpunkt seiner Reden zu stellen, hat die Entstehung neuer Kunstrichtungen zur Folge. Man beginnt in Malerei und Plastik die Darstellung Christi als Mensch, auch zeigen sich in der Dichtung die ersten Ansätze des Mysterienspieles. So zeitigte der Kampf Bernhards um das geistige Reich Christi — trotz seiner Aversion gegen die Kunst — dennoch künstlerische Ergebnisse.

Das Paradoxe des Wesens Bernhards erscheint auch in der ungewollten kirchenpolitischen Tätigkeit, die ihm aufgenötigt wird. Dieser Abt, der die Abgeschiedenheit des Klosters und die Regeltreue

liebte, muß die Beschwerden unzähliger Reisen durch halb Europa und die Anstrengungen zahlloser Predigten auf sich nehmen, um für Papst Innozenz 11. (gegen Anaklet 11.) einzutreten. Auch hier ist er erfolgreich, ebenso in den Aufrufen zum zweiten Kreuzzug, der aber unglücklich verlief.

Der Verfasser weist auch auf das harte Verhalten Bernhards gegenüber Petrus Abälard hin, dessen Verurteilung durch Rom nicht ohne seine Mitwirkung erfolgt war. Für die große Bedeutung Bernhards in seiner Zeit erwähnt Duäinkerken die Tatsache, daß Dante ihn zu seinem Begleiter im „Paradiso“ wählte.

Der ausgezeichneten Darstellung hinsichtlich des Inhaltes entspricht nicht immer die sprachliche Fassung.

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