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Benedikt — Vater des Abendlandes

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Am 21. März feiert die Welt den 1400. Todestag des heiligen Benedikt.

„Eine alte Welt sinkt in Trümmer, eine neu, gesündere soll erstehen. Wo aber sind die Baumeister? Von der Antwort auf diese Frage hängt das Schicksal der christlichen Kultur, der christlichen Welt ab.“ So fragt Papst Pius XII. die Christen von heute.

„Wo ist der Baumeister?“ Nicht minder entscheidend war die Antwort auf diese Frage im 6. Jahrhundert. Denn dieses Jahrhundert stand unter dem Zeichen des römischen Zusammenbruchs, einer einzigen Wirtschaftsnot, der Besetzung Italiens durch die Goten, einer sittlichen Verwilderung ohnegleichen. Wo war der Baumeister, der über den Trümmern dieser sinkenden Welt ein Neues erbauen konnte und wollte?

Er kam aus Nursia, der Bergstadt, die schon einmal in der Person Kaiser Vespasians einen Großen der Welt geschenkt hatte. Es ist Benedikt, der kein Kaiser, aber der Vater des Mönchtums, ja der Vater des Abendlandes wurde. Von ihm sollten die Bildungs-kräfte der Menschenformung und der abendländischen Kultur ausstrahlen. Das Seltsame ist: Benedikt wollte gar nicht eingreifen in die Welt und seine Zeit angreifen. Kaum hatte er sein Hochschulstudium in Rom begonnen, flieht er aus der Welt. Aber hier liegt gerade das Geheimnis. „Wer für die Welt etwas tun will, darf sich mit ihr nicht einlassen.“ (Goethe.)

Warum geht der entscheidende Bildungseinfluß für die kommende Zeit nicht von Cassiodor, dem hochgebildeten Kanzler Theodorichs, aus? Er hat doch ein klares humanistisches Kulturprogramm entworfen und suchte in seinem Kloster die Wissenschaft zu organisieren. Und der Erfolg? Er ist nicht bei diesem Humanisten und Politiker, sondern bei der christlichen Humanitas des hl. Benedikt. Sein Werk ist auf Gott ausgerichtet, auf das Ganze. Er sucht nur das Reich Gottes, und deshalb wird ihm alles andere zugeworfen. Adolf Harnack hat recht gesehen, wenn er sagt: „Die großen Mönche haben neue Stufen in der Entwicklung der Kirche herbeigeführt, nicht die großen Politiker, oder vielmehr die Politiker nur, weil sie auf den Schuiltern der Mönche standen. Hier können wir Protestanten lernen, daß es mit Verfassungsänderungen in der Kirche nicht getan ist, mag man nun stärker binden oder entschlossener lösen. Es kommt überall nur auf die Personen an, die sich von der Welt befreit und in Gott ihre Stärke gefunden haben.“ Und das hatte Benedikt. Er tritt fast ganz hinter sein Werk zurück. Aber er hat mit seiner Regel dem Abendland ein Erbe hinterlassen, das auch heute nach 1400 Jahren noch nicht aufgebraucht ist. Längst weiß man, daß diese Regel nicht bloß deshalb zu einem Schicksalsbuch des Abendlandes geworden ist, weil Gregor der Große ihr den Weg in den weltgeschichtlichen Raum gebahnt hat und später die karolingischen Herrscher sie im ganzen Reich verpflichtend machten, nein, ihr Geist war das Schöpferische und Zukunftsverheißende. Es war der christliche, abendländische Geist.

Das Möncir um war ein orientalisches Gewächs und wurde bis zu Benedikt in der Kirche des Westens als etwas Fremdes empfunden. Erst der hl. Benedikt hat die Maßlosigkeit der Eremitenaszese zu maßvoller Zucht gewandelt und das geistige Vagantentum der italischen Landmönche zu geordneter Stete gewendet. Nicht als reißender Strom und kühner Brandstifter kam Benedikt, sondern mit der Ausgeglichenheit römischer Humanitas. Er hat die Milde des Mannes, die voll Grazie ist, aber ohne jede Weichheit und Selbst-bemitleidung, die innere Sicherheit und Autorität, die in großer Selbstbemeisterung und weiser Besonnenheit wirkt. Sein Einspruch gegen die sittliche Verkommenheit bestand nicht in einem übergesteigerten Asketentum, in jenem Argwohn gegen die Natur, der nie zur Ruhe kommen kann, sondern in der Gesundheit eines selbstverständlichen christlichen Lebens. Er war der gute Mensch, der an das Gute im Menschen glaubte and ihn dadurch für das Gute gewann. Ihn mit der Rute darzustellen, wie das Perugino getan hat, ist höchst einseitig. Denn wo gibt es in einem anderen Orden so etwas wie bei Benediktus, der einen davongelaufenen Mönch dreimal wieder aufnimmt, der einfach alles aus seinem väterlichen Herzen herausholt, um rohe Gemüter zu wandeln, feine zu fördern und eine Rücksichtnahme auf die Individualität übt, die geradezu erstaunlich ist?

Diese wahre christliche Huma-n i t a s, die bei Benedikt in der „Discretio, der Mutter aller Tugenden“ gipfelt und trotz aller festen Ordnung in wesentlichen Dingen ein hohes Maß von Anpassungsfähigkeit zeigt, hat ihm aber auch das Abendland gewonnen. Nie wäre es sonst gelungen, solche Erfolge in der Christianisierung Europas zu erzielen.

Benedikts Erziehungsweisheit ist gespeist von der Heiligen Schrift, von den führenden Geistern abendländischer Erziehungskunst, von Hieronymus, Augustinus und besonders Leo dem Großen-. Er nimmt dankbar an, was die des Ostens, Pachomius, Makarius und vor allem Basilius, dieser christliche Humanist, ihm bietet, den man wegen seiner wirklichkeitsnahen Menschenformung „den Römer unter den Griechen“ genannt hat; aber in dem, was er auswählt, gibt Benedikt seiner Regel doch die P.rägung seines Geistes, so daß wir sie als selbständige Schöpfung empfinden.

„Aus dem Tiefsten muß das Höchste zur Höhe kommen.“ Bevor der hl. Benedikt auf der Höhe des Monte Cassino seine eigentliche geschichtliche Sendung antreten konnte, die den Stempel des Einmaligen trägt, mußte er aus den tiefsten Erprobungen herausschreiten. Er hat in Subiaco erfahren, daß die Einsamkeit für den Ungefestigten tödliche Gefahren heraufbeschwören kann. Er hatte in Vicovaro eine Mönchsgemeinschaft kennenlernen müssen, die eine Gemeinschaft von Ruchlosen war. Die Eifersucht eines Weltpriesters hätte ihm fast den Tod und den Seinen tiefstes Verderben gebracht. So gewann er das rechte Augenmaß für die Wirklichkeiten des Lebens. Ja, dieser Weg aus der Tiefe ist vielleicht kostbarer als die Vollendung der Höhe, denn sie zeigt die Hochgemuth'eit Benedikts, zeigt, wie menschliche Größe errungen wird. Gerade dadurch, konnte er so vielen Vater werden, weil er gelernt hatte, den vielen in Liebe zu dienen. Wertvoll war . dieses Beispiel für seine so chaotisch aufgewühlte Zeit, wertvoller ist es für die unsere, die mehr als alle vorangegangenen im tiefsten ruhelos, unzufrieden und heillos entwurzelt ist. Der Ruhelosigkeit und geistigen Zigeunerei stellt er seine Friedensburg auf dem Monte Cassino, mit dem unbeirrbaren Gleichmaß ihrer gottlobenden Lebensform entgegen, der umstürzlerischen Unzufriedenheit ein schlichtes, anspruchloses Leben, das mit allem zufrieden ist, weil es in Gött seinen Frieden hat, der erschreckenden Entwurzelung der Zeit die Stabilität der Ewigkeit, das „Annos aeternos in mente habui“, die Ehrfurcht vor dem Wesen und den Werken Gottes.

Als Monte Cassino im Jahre 1944 vollständig zerstört wurde, horchte die ganze Welt einen Augenblick erschrocken auf: „Jetzt ist es aus mit der abendländischen Kultur. Denn das Symbol dieser Kultur ist dahin.“ Aber Monte Cassino ist nicht nur Symbol, es ist auch Geschichte. Nur die

Geschichte gibt hier die Antwort. Die Geschichte aber sagt, daß man schon öfter vor den Trümmern der Erzabtei stand und jedesmal meinte: „Jetzt ist es aus!“ Und siehe da, gerade da fing es an. Kaum ein Menschen-alter nach dem Tode des hl. Benedikt müssen aille Mönche vor den einbrechenden Langobarden aus Cassino nach Rom fliehen. Und eben diese Flucht führt die Söhne des hl. Benedikt auf ihre weltgeschichtliche Bahn. Denn als sie endlich nach 100 Jahren auf den Monte Cassino zurückkehren können, war inzwischen unter ihrer segnenden Hand die angelsächsische Kirche zu der blühendsten des Abendlandes herangewachsen und hatte einen Gelehrten wie Beda den Ehrwürdigen hervorgebracht, der der Lehrmeister des ganzen Mittelalters und durch alle Zeiten das Vorbild für Generationen von Benediktinergelehrten wurde.

Benedikts Gesetz der Stabilität hatte die ruhelosen Germanenstämme fest an den Boden gebunden, der hl. Bonifatius aber sie durch seine Missionszentren unlöslich mit Rom verbunden und so den Grund zur christlichen Kulturgemeinschaft gelegt. Die Benediktinerabteien waren die neuen römischen Kolonien in der germanischen Wellt. Sie zeigten Fülle und Farbe des Gottesdienstes, dem Benediktus nichts vorgezogen wissen wollte. Und in ihrer heiligen Kunst sangen sie das Lied von der Schönheit ihres Gottes. Dieser Kraft und Schönheit aber wollte man sich gerne und willig ergeben. So waren die Söhne des hl. Benedikt geistige Eroberer einer merkwürdig stillen Art. Durch ihre Schulen eroberten sie die Seelen des Kindes, durch ihre Musterwirtschaften zogen sie zahllose Mitarbeiter heran, und was in die geistige Reichweite dieser Abteien trat, lernte auch römische Bildung, Sprache und Kunst.

Karl der Große hatte klar erkannt, daß das Wohl seines Reiches nicht allein vom Schwerte abhing, sondern von jenen religiösen und geistigen Kräften, die er in Benedikts Regel lebendig sah. So verhalf er ihr zum Vallsieg über alle anderen Regeln der Zeit. Aus den Reihen der Mönche bildete er seine Akademie, mit ihnen führte er die k a r o-lingische Renaissance, eine Hochblüte der Geisteskultur, berauf.

Von neuem wird Benedikt Vater des Abendlandes. Germanische Fürsten treten als Mönche in sein Urkloster auf dem Monte Cassino: der fränkische Hausmeier Karlmann, der Langobardenkönig Radchis, Karls Neffe Adalhart. Paulus Diaconus schreibt hier die unschätzbare Geschichte seines Langobardenvolkes. — Aber auf so leuchtender Höhe konnte sich die Stiftung Benedikts nicht dauernd hallten. Immer wieder muß sie die Tragik des Abstieges erleben. Es war ja schon die erschütterndste Erfahrung des hl. Benedikt gewesen, daß der Mönchsstand nicht die unbedingte Gewähr für den Christenstand sein müsse. Im 10. Jahrhundert war das Mönchsleben in Monte Cassino abgerissen, eine Finsternil unheimlich- Art breitete sich über die Kirche. Da kam überstrahlendes Licht in dieses dunkle Jahrhundert aus der burgundischen Abtei von C1 u n y. Wieder ist es das Mönchtum, das die sinkende Kirche rettet, die verweltlichte befreit, wieder ist es die zeugende Kraft der alten Regel Benedikts, die, neu und unbedingt gelebt, wahrhaft große Abte wie Majolus, Odilo und Odo hervorbringt und 2000 Klöster geistig befruchtet, einen großen Reformpapst wie Leo TX. zur Führung der Kirche beruft.

Und abermals isr es ein Benediktiner, der hl. Anselm von Canterbury, der die erste abendländische Synthese aus christlicher Gläubigkeit und griechischem Vernunftbegriff wagte und so der „Vater der Scholastik“ wurde.

Und als nach zwei Jahrhunderten auch die Kraft Clunys erlahmte, trat, auf dem Boden der Benediktinerregel, Bernhard von C 1 a i r v a u x als Gegner der neuen dialektischen Methode auf. Ihm war Glühen mehr als Wissen. Durch ihn wurde sein Orden zu einer europäischen Großmacht, nach ihm wurde das ganze Jahrhundert benannt.

Im 12. Jahrhunden war Monte Cassino die einzige Stätte' des Abendlandes, an der Griechisch gelehrt und geschrieben wurde. Hier hat der Mönch Constantinus Af riwnus, den der Chronist etwas volltönend Lehrer des Morgen- und Abendlandes nennt, als erster die medizinische Literatur dem Abendland vermittelt. Mit ihm hat die Universität von Salerno ihren Weltruf angetreten. „Dieses Sinai des Abendlandes“, wie man, Monte Cassino hieß, „war zugleich das Mekka sowohl der südlichen Langobarden als der Normannen. Sie plünderten, aber sie verehrten inbrünstig St. Benedikt und wall-fahrteten, Psalmen singend, zu seiner Gruft.“ Dann aber ist es, als hätte sich seine Kraft erschöpft. Im 15. Jahrhundert geriet es in die Hände weltlicher Äbte, ja sogar in eine äbtelose Zeit.

Es war über das Abendland der Herbst des Mittelalters gekommen. Viele Abteien waren nicht mehr von dem Geist erfüllt, von dem der hl. Benedikt seine Jünger erfüllt wissen wollte. Die Reform an Haupt und Gliedern war das schreiende Anliegen der Christenheit geworden, die Schicksalsfrage der Menschheit. Durchgeführt wurde sie nicht. Aber daß sie bei den Benediktinern ein Echo fand, ist doch ein Zeichen, daß noch die Kraft zu einemi inneren Aufschwung vorhanden war. In Italien war St. Justina die große Reforinabtei, in Österreich ging von Melk jene gewaltige Reformwelle aus, die bald ganz Süddeutschland ergreifen sollte, im Norden wurde B u r s f e 1 d zum Haupt einer weitreichenden Kongregation. Und eines hat diese Reform als bleibenden Erfolg zu verzeichnen. Sie eröffnet im 15. Jahrhundert eine Bauperiode, die später nur von den Barockstiften übertroffen wurde. Wie im 10. Jahrhundert nach dem Berichte des Chronisten von Cluny „die Welt sich schüttelte und ihre alten Kleider abwarf, um ein weißes Gewand von Kirchen anawiegen“ — Frankreich herrlidiste romanische Basiliken sind von Benediktinerhand erbaut —, so gibt es keine Reformabtei im ausgehenden Mittelalter, die nicht ihre Sakralbauten wiederhergestellt oder ganz neu errichtet hätte. Diese Bauten sind gar nicht hinwegzudenken aus der Landschaft des Abendlandes. Was wäre die Wachau ohne die ragenden Klosterburgen von Göttweig und Melk? Aber all diese Baugebilde sind mehr als ein auswechselbares Kleid. Sie sind geformter Geist. Der altert nicht, wenn auch ein Neues nadidrängen will.

Dieser Geist aber verkündet die wohltuende Ausgewogenheit zwischen dem Or und L a b o r a. Nicht bloß das Ora, das einst Cluny groß gemacht, aber in der maßlosen Übersteigerung schließlich Stillstand und Abstieg bedeutet hatte. Nicht bloß das Labora des“ modernen Leistungsmenschen, der gerade an dem zugrunde geht, was ihm zur Macht verhelfen sollte. Sondern beides: die Zucht des Geistes im Ora, die Zucht des Leibes im Labora! Die vom Leben des Gebetes durchwohnte Arbeit!

Gerade das hat im 17. Jahrhundert die Mauriner Benediktiner in Frankreich zur 'wissenschaftlichen Weltgeltung geführt? die mit dem Geist des Gebetes durdidrungene Gelehrtenarbeit. Wenn Dilthey sagt: „Es entfaltet sich hier eine wissenschaftlidie Tätigkeit, die in der historischen Forschung ihresgleichen sucht“, so deutet er an, daß hier benediktinische Arbeit nicht bloß die Antike vermittelt, sondern ein wahrhaft Neues schafft. Wir kennen in der Geschichte kein zweites Beispiel einer so schöpferischen Kritik, wie sie Johannes Mabillon, der König aller Benediktinergelehrten, geübt hat. Er wurde damit der Schöpfer der Urkundenlehre und der Paläographie, der eigentliche Begründer der modernen Geschichtswissenschaft, der bis heute das Denken unserer Tage wesentlich mitbestimmt.

Hermann Hefele hat einmal an Benedikt, den Vater des Abendlandes, Worte gerichtet, die an das Tiefste seines Geistes und Werkes mahnen: „Ehrwürdiger Vater, Ihr spracht nicht von Kultur und wertesdiaffender Arbeit, und doch haben Flure Söhne darin mehr getan als alle die überlauten Geschäftigen, in Ackerbau und geduldigem Abschreiben der alten Büdier, in Kunst und stiller, der Tageswirkung abgekehrter Wissenschaft. Und durdi die wediselnden Jahrhunderte hindurch blieb Euer Geist, in der.heiligen Regel Eures Ordens zusammengefaßt, fruchtbar; jener ruhig schöne Geist kluger Zurückhaltung und weiser Unterscheidung, des inneren Friedens und der Heiterkeit der Seele, der gefälligen und gewichtigen Form, gesitteten Betragens, und schuf i n sidi und u m sich ein Werk geläutertster Kultur und reiner geistiger Ordnung.“

So ist also dieses Todesjahr des hl. Benedikt vor 1400 Jahren in der Tat für das Leben des abendländischen Menschen ein entscheidendes Jahr geworden. Aus ihm wuchsen die Formkräfte, die das geistige Antlitz des christlichen Mittelalters wesentlich mitgestalten halfen. Aber weit über diese Epoche hinaus wirkt der formende Geist des hl. Benedikt. Er hat einen „Nachsommer“ erreicht in einem unserer größten, ja abendländischen Dichter, in Adalbert Stifter Stifter, der einmal sagt: „Das ist das Merkmal des großen und guten Menschen, daß er immer zuerst auf das Ganze und auf andere sieht, auf sich zuletzt“, war Benediktinerzögling. Er hat in diesem Satz Benedikt gezeichnet und in seinem „Witiko“ noch einmal den mittelalterlichen Ordnungsgedanken, das Seinshafte, wie kein zweiter gestaltet. Er hat, wie der berufenste Stifterforscher sagt, „sein Leben lang etwas von dem Benediktinergeist bewahrt, der den ländlichen Wildling im oberösterreichischen Benediktinerstift Kremsmünster bildete“. In der Tat, alle Diditungen Stifters, von den „Studien“ bis zum „Nachsommer“ und „Witiko“, haben bei aller frohen Weltlichkeit etwas von der sakralen Kunst mittelalterlicher Mönche, sie sind, wie .Ernst Bertram sagt, „lauter Votivbilder, dem Altar und Ideal einer schönen platonischen Lebensverklärung mit künstlerischer Andacht gebildet und dargebracht. Ein mönchisches, ein Benediktinerideal bildet überall den Goldgrund dieser still-innigen Kunst“ Adalbert Stifters. Das Schöne, so hat einer seiner Benediktinerlehrer den jungen Stifter gelehrt, sei das Göttliche im Gewand des Reizes.

Längst ist das benediktinische Mönchtum über den abendländischen Kulrurkreis hinausgewachsen und Benedikt ist der Vater vieler Nationen geworden, in Übersee, in den Missionsländern des ganzen Erdkreises, zu allerletzt im äußersten Osten, in der neu-gegründeten Abtei von China. Und nun warten wir auf das Zeichen. Auf das Zeichen nämlich, ob diese 450 Millionen für die Botschaft Benedikts, wie der ehemalige Ministerpräsident Lou Tseng-Tsiang glaubt, aufgeschlossener sein werden als das zerwühlte, müde gewordene Abendland. Wir warten, ob dort die alte Regel Benedikts von neuem die Fruchtbarkeit erweisen wird, mönchisches Leben weiterzuschenken an ein Volk, das sich den formenden Händen Gottes ehrfürchtiger hinhält als der europäische Durchschnittschrist, ob es vor allem fähig sein wird, das herrliche Leben zu leben, das der hl. Benedikt „opus Dei“ genannt und das er mit dem Zeichen der Ausschließlichkeit besiegelt hat.

Und wir warten, ob es bei uns Menschen und immer mehr junge Menschen geben wird, die willig sind, gleich Benedikt^ die großen, ewigen Ordnungen Gottes in ihr Leben aufzunehmen, die es wagen, mit Reinhold Maria Sorge zu sprechen: „Ich will die Welt auf meine Schultern nehmen und sie mit Lobgesang zur Sonne tragen“; die vor den Trümmern des Abendlandes nicht mehr zu fragen brauchen: Wo ist der Baumeister? weil sie ihn im hl. Vater Benediktus längst gefunden, erkannt und geliebt haben und ihm nun helfen wollen, das Haus des Friedens zu bauen, in das allein die abendländische Kultur sich retten und in dem sie weiter leben kann.

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