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Ein Leben in strenger Askese

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Indessen, klagt Gildas, hat sich durch solcherlei Übertreibungen ein gewisses Pharisäertum eingeschlichen. Zwei Ansichten über die Askese, ähnlich dem späteren Gegensatz zwischen Clairvaux und Cluny, existierten offenbar nebeneinander; in der keltischen Kirche siegte die strengere Richtung zunächst völlig. Daß weniger strenge Mönche ein sehr luxuriöses Leben führten, ist im 6. Jahrhundert schon wegen der Primitivität der allgemeinen Lebenskultur kaum anzunehmen. Das übliche Muster eines damaligen Klosters sah folgendermaßen aus: Eine Anzahl von einzelnen Zellen, in denen die Mönche getrennt schliefen, eine Kirche, vielleicht ein Gemeinschaftssaal, dazu Scheunen, alles mittels eines Zaunes eingefriedet. Man schwieg wähV^d'alr WBef^auf afcrf'TOd una es nicht, und die J&isdmcksweise, wie „mein Kittel“ oder „mein Spaten“, war verboten. Das . Stundengebet wurde vollständig ausgeführt.

Die externen Verpflichtungen der Mönche, welche die Priesterweihe empfangen hatten, bestanden nicht nur aus Messe-Lesen in der nahen Umgebung. Die Mönche wurden vielmehr als Missionare, „pelegrini“, angesehen, die in die Welt hinausgeschickt werden sollten, um die Heiden zu bekehren und zu betreuen und um andere Ordenshäuser und Kirchen zu gründen. Ein Kloster war also nicht nur Refu-gium, diente nicht nur der Meditation und der Arbeit, sondern es war vor allem ein Missionszentrum. Trotzdem waren weit weniger als die Hälfte der Mönche Priester. Das Kloster übte Autorität über kleine Kirchen und ihre Weltpriester aus, aber es gab in der keltischen Kirche weder Diözesen (auch nicht solche, wo Abt und Bischof identisch gewesen wären) noch Pfarren.

Diese Begriffe bürgerten sich erst viel später ein. Der Bischof mußte sich um keinerlei administrative oder finanzielle Probleme kümmern. Sein Amt und seine Autorität waren rein geistlicher Natur. (Dies ist eine Tatsache, die uns heute noch zu denken geben könnte.)

Väter und Söhne...

Die Äbte wurden von ihren Mönchen gewählt. Verwandtschaft spielte dabei eine große, wenn auch keine ausschlaggebende Rolle. Die Wahl war sicherlich noch lange keine leere Formalität; es gab kein Recht der Nachfolge; immerhin wurde das angeborene Recht des Adels, zu regieren, und auch im gegebenen Fall die Ansprüche von Sprößlingen einer Familie, die sich mit • de^<'KIo&#171;er ^denWSftert harte, im' ja%emincn aner.kanht, ,V% den acht, Äbten zum Beispiel,- die in Iona im siebenten Jahrhundert regierten, waren sieben Verwandte St.. Columbans. Es sind aber auch Fälle bekannt, in denen die Wahl gegen den „Erben“ und zu Gunsten eines ihm geistig überlegenen Kandidaten ausgefallen ist. Die Mönche mußten ausnahmslos das Keuschheitsgelübde ablegen, aber die Weltpriester durften unter Umständen heiraten und Familien gründen. Oder wenn sie es auch nicht durften, taten sie es. Diese schwierige Frage ist anscheinend nicht einmal innerhalb jener

Kirche einheitlich gelöst worden. In den verschiedenen Landteilen wiederholt verboten, ist eine verheiratete Priesterschaft nicht nur auf Grund „höherer Berufung“ von den Kirchenvätern abgelehnt worden, man hatte auch sehr schlechte Erfahrungen hinsichtlich des Familienbesitzes in Kirchengütern gemacht. Dieser Nepotismus hatte sich bis Ende des 9. Jahrhunderts in Wales fest eingenistet. In seiner „Reise durch Wales“ schreibt zweihundert Jahre später Giraldus Cambrensis, es sei durchaus üblich, daß Priestersöhne Amt und Güter ihrer Väter übernehmen.

Der hl. Augustin erhob sich nicht...

Bis zur Ankunft des heiligen Augustin im Jahre 597 in England hatte die keltische Kirche 150 Jahre lang in einer Abgeschiedenheit gelebt, die jedoch von eifriger selbständiger Mis-siönstätigkeit auf dem Kontinent begleitet wurde. So entstanden manchmal Konflikte mit Missionen, die von Rom aus geleitet wurden. In seiner „History of the English Church and People“ schildert Bede die berühmte Geschichte, wie die von Augustin zum Gespräch gerufenen keltischen Bischöfe zuerst einen Eremiten fragten, wie sie sich entschließen sollten. Er riet ihnen, sich nach dem Verhalten Augustins leiten zu lassen. Sie beschlossen, wenn er sich bei ihrer Ankunft zum Gruß erheben sollte, zur Verhandlung überzugehen. Augustin erhob sich aber nicht, worauf die Bischöfe erbost sagten: „Wenn er sich uns gegenüber jetzt so überheblich zeigt, wie würde er uns dann behandeln, wenn wir uns ihm unterwerfen?“ Und sie enthielten sich der Anerkennung Augustins. In Wirklichkeit fanden eine Reihe von Konferenzen statt, die sich über mindestens ein Jahr (601 bis 602) erstreckten. Erst allmählich gaben die verschiedenen Zweige der Kirche nach. Der Synod von Whitby (664) klärte die Lage in England, aber es sollte noch mehr als dreihundert Jahre dauern, bis sich alle keltischen Kirchen der Autorität Roms beugen und die römischkatholischen Bräuche vollständig übernehmen' sollten. '• Ausschlaggebend&#187;&#171;'&#171;1 ren endlich 4er Einfluß des Benediktinerordens und der Antnarsch normannischer Kultur.

Niemals aber hatte der heilige Augustin den Briten dogmatischen Verfall vorgeworfen. Am Konzil von Rimini (3 59) waren britische Bischöfe zahlreich vertreten; im letzten Jahrhundert der römischen Besetzung war England weitgehend christlich geworden; die gefürchtete pelagische Häresie — obwohl sie einen Widerhall in der englischen Seele fand, der bis heute keineswegs verklungen ist — wurde zur Zeit überwunden.

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