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Keltische Kirche und die Erben

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Der nachstehende Artikel führt uns in die Anfänge des angelsächsischen Christentums zurück. In unserem ökumenischen Zeitalter ist ein Rückblick auf diese älteste Periode des nordischen Christentums nicht uninteressant, da die Reformation ja gerade in den germanischen und angelsächsischen Völkern am stärksten Wurzel gefaßt hat. Wir werden zurückgeführt zum gemeinsamen ehrwürdigen Ursprung und zum Zeugnis der ursprünglichen Einheit.

Die Redaktion

Am 1. März wurde in Wales die grüne Landesfahne mit dem roten Drachen gehißt. Die walisischen Regimenter der Königin, wo immer sie sich gerade befinden mochten, haben Paraden abgehalten, wobei Embleme, Porree darstellend, feierlich überreicht wurden. Alles das ist zur Ehre des heiligen David, des Landespatrons, geschehen; allerdings bleibt jener bescheidenen Gemüsesorte nur ein mißverstandener symbolischer Wert haften, woran allein Shakespeare schuld ist, der den Begriff „the Welsh leek“ in Umgang setzte (Heinrich V.). Er hatte die kleine walisische Märzglocke mit Lauch verwechselt. In der Geschichte dieses Volkes, das ein langes, wenn auch ungenaues Gedächtnis besitzt, ist vieles so sehr sagenumwoben und in „keltischer Abenddämmerung“ verhüllt, daß kleine Mißverständnisse dieser Art kaum als störend empfunden werden.

Als einziger Heiliger seines Landes, dem die Ehre der Altare (und nur in Großbritannien) zuteil wurde, wird St. David heute nicht nur von den dort spärlichen Katholiken sondern von Anglikanern und Freikirchlern verehrt. ' Trotzdem weiß man im Grunde, wenig über ihn. Beharrlich erzählt man Geschichten, die, wie in jedem Geschichtsbuch konstatiert werden kann. Jeder historischen Wahrheit entbehren; oft versucht man .den keltischen Kirchenvätern eine Art vöh.'Ui-pt'öt^tarii-: tismus anzudichten, die.,^a»cli..,yjijll[g; abwegig ist. Wer war St. David? Wie entwickelte sich die keltische Kirche

In ihrer Einsamkeit; warum beugte sie sich dem heiligen Augustin nicht, und vor allem: waren grundsätzliche doktrinäre Unterschiede im Spiel?

Wer war St. David?

Ein paar hundert Meter .Schafweide trennen die Geburtsstätte des Heiligen von den hochragenden Felsen, welche die große Bucht von St. Brides abschließen. Neben dem modernen Kloster steht eine kleine Kapelle, die vor dem zweiten Weltkrieg aus sorgfältig zusammengetragenen, der ursprünglichen Kapelle entstammenden Steinen gebaut wurde. Man fand sogar ein Taufbecken und versenkte es in die Vorderseite des Altars. Fast alles — vor allem die Bausteine — stammt aber aus einer späteren Zeit, denn damals baute man nicht mit Stein, sondern mit Holz und Lehm. Die Weihe gilt der Mutter Davids, St. Non, angeblich Ehefrau des regierenden Fürsten von Cere-digion. Im späteren Leben wurde sie Nonne, und außer in Wales sind Kirchen in Devon und Cornwall und auch in der Bretagne (Dirinon) in ihrem Namen geweiht worden. Ungefähr anno 520 geboren, wurde David getauft;' er ging in Cardiganshire zur Schule, wurde Priester und widmete sich jahrelang dem höheren Studium. Von der Legende, daß er in Begleitung seiner Zeitgenossen, den Heiligen Pa-darn und Teilo, nach Jerusalem pilgerte, trennt man sich ungern: oft nicht minder tendenziös wie fromm, wollten mittelalterliche Geschichtsschreiber mit dieser Behauptung die Selbständigkeit der bischöflichen Autorität Davids untermalen. Auf jeden Fall gründete David im „Tal der Rosen“ unweit seines Geburtshauses eine Ordensgemeinschaft, der viele Tochterhäuser folgen sollten. Er wurde Abt und auch Bischof von St. Davids.

Wie lebten die Mönche der keltischen Kirche in Wales wie in Irland und auf den westlichen Inseln? Zunächst . muß gesagt werden, daß das Christentum schon um 200 nach Christi, wahrscheinlich sogar viel früher, nach Großbritannien gebracht wurde, und obwohl es erst sehr langsam Fuß faßte und immer wieder schwerstcns in Bedrängnis kam, konnte David im 6. Jahrhundert bereits auf gewisse Traditionen zurückblicken. Aus der Sorge, mit der der römisch erzogene Mönch und Geschichtsschreiber Gildas die extrem asketische Lebensführung der Mönche Davids betrachtete, ist zu ersehen, daß David ein Reformer war, dem, zusammen mit seinen Jüngern, die andere Stifte verließen, um sich ihm anzuschließen, die bequemeren Regeln der Zeit nicht genügten. Gildas erzählt, daß diese Mönche jeden Fleischgenuß ablehnten; sie tranken nur Wasser; in der Landwirtschaft verzichteten sie sogar auf den Gebrauch von Ochsen und ließen sich selbst vor dem Pflug einspannen.

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