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Geistige Erneuerung im Jubeljahr fm

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Es war eine Naturkatastrophe, die das Zisterzienserstift Rein im Norden von Graz im ganzen Land bekannt machte. Als vor vier Jahren die Hochwasserflut das Kloster meterhoch unter Wasser setzte und vor allem an der spätbarocken Kirche großer Schaden entstand, verhallte der Ruf um Hilfe nicht ungehört.

Derzeit macht Rein aus erfreulicherem Anlaß wieder von sich reden: Der Konvent bereitet sich mit vielen Freunden auf das Jubiläum seines 850jährigen Bestehens vor. Am 22. April wird das Jubeljahr mit einem Festgottesdienst und der Eröffnung einer großen Ausstellung feierlich eingeleitet.

Andere Klöster präsentieren sich bei solchen Anlässen in sorgfältig restaurierter äußerer Pracht. In Rein ist es eher Schlichtheit, die dem Jubiläumsjahr eine besondere Facette verleiht. Zu lange wurden längst notwendig gewordene Restaurierungsmaßnahmen unterlassen. Als dann 1971 unter dem jungen Abt Paulus Rappold eine rege Wiederaufbauphase begonnen hatte, war es das Hochwasser, das binnen Minuten vieles zerstörte. Abt und Konvent empfanden die Hilfsaktionen, die damals spontan ins Leben gerufen wurden (und die zum Teil noch heute andauern) als ein ermutigendes Zeichen der Solidarität mit einem Kloster, das sich nicht ohne Stolz das älteste ununterbrochen bestehende Zisterzienserstift der Welt bezeichnen darf. Von den 28 Mitgliedern des Konvents sind heute viele in den 14 inkorporierten Pfarren des Stiftes als Seelsorger tätig.

Als die „grauen Mönche“ vor 850 Jahren aus Franken in die Steiermark kamen, erwartete sie ein von Sümpfen durchzogener Urwald, den sie gemäß der benediktinischen Regel („ora et labora“) urbar machten. Mit einer aus rohen Stämmen gezimmerten Kirche schufen sie den Grundstein für ein Zentrum, dessen Mönche 850 Jahre lang als Lehrer wissenschaftlicher Disziplinen fruchtbar wirkten. Rein wurde nicht zuletzt durch die monastische Lebensweise seiner Konventmitglieder zum geistig-religiösen Mittelpunkt

eines ganzen Landstriches. Wenn heute noch im weiten Umkreis bis in die Gotik und Romanik zurückreichende Kunstdenkmäler bewundert werden können, dann ist auch dies der kulturellen Schaffenskraft dieser Männer zu danken.

Die Gründerzeit des unweit der heutigen Papierfabrik „Leykam“ bei Gratkorn gelegenen Klosters war von einer faszinierenden Dynamik gekennzeichnet. Noch bevor Erzbi-schof Konrad von Salzburg 1138 die erste Zisterze einweihte, gründeten Reiner Mönche unter dem Gründer-Abt Gerlach die Klöster Sittich und - später - Wilhering. Daß diese expansive Phase mit den von Clair-vaux und Citeaux ausgehenden radikalen Reformen des Zisterzienserordens zeitlich zusammentraf, war sicher kein Zufall.

Mit Hilfe der Habsburger

Durch den „Reiner Schwur“, den die steirischen Adeligen 1276 für Rudolf von Habsburg in der Landstube zu Rein leisteten, erhielt das Stift zum erstenmal auch eine politisch bedeutsame Dimension. In der Zeit der Reformation waren es wiederum Habsburger, die Rein vor einer personellen Austrocknung bewahrten.

Von den österreichischen Zisterzienserstiften wurde Rein als letztes einer gründlichen Barockisierung unterzogen. Unter Verwendung der alten, romanischen Pfeilerbasilika entstand ein spätbarockes, mit farbenfrohen Fresken üppig geschmücktes Gotteshaus, das 1747 von Abt Marian Pittreich seine Weihe erhielt. Amonte, „Kremser Schmidt“ und Mölk zählten zu den bedeutenden Künstlern dieses Bauwerkes.

Auch der letzte Krieg hinterließ seine Spuren. 1941 sammelten sich von der Gestapo vertriebene Mönche in den umhegenden Pfarren, so daß der Konvent wenigstens in dieser Form weiter bestehen blieb. 1945 wüteten die Russen und fügten bei der Suche nach einem ominösen „Reiner Schatz“ zahlreichen Kunstwerken Schaden zu.

Der derzeitige Abt Paulus Rappold hat es verstanden, viele Kräfte in- und außerhalb des Konventes für das Stift zu mobilisieren. Neben Subventionen aus Landes- und Bundesmitteln bemühen sich private Vereine und Komitees um die Aufbringung der finanziellen Mittel, damit das vor acht Jahren begonnene Aufbauwerk fortgesetzt werden kann. Vordringlich sind restaurative Maßnahmen in der Stiftskirche, ebenso in der 80.000 Bücher und 200 Handschriften umfassenden Bibliothek, die durch ab-gemorschte Decken vom Einsturz bedroht ist.

In dem Bemühen, an die alte Tradition des Stiftes als Stätte der Wissenschaft, Bildung und Kultur anzuknüpfen, wurden einige bemerkenswerte Akzente gesezt: Durch die Erweiterung des Gymnasiums für 350 Schüler, die Errichtung eines Kindergartens im unmittelbaren Klosterbereich und durch die vor zwei Jahren erfolgte Einladung an den bekannten Kärntner Maler Prof. Giselbert Hoke, das von ihm geleitete „Institut für künstlerisches Gestalten“ an der Technischen Universität Graz in das Stift zu verlegen.

Nach einer langen Durststrecke gab es mit drei Priesterweihen in den letzten beiden Jahren auch hier zumindest Lichtblicke. In diese Richtung geht auch der Wunsch des Abtes: „Wir erhoffen uns vom kommenden Jubiläum, für dessen Vorberei-

tung sich so viele Freunde engagieren (so ist Dr. Heinrich Liechtenstein für die 400 Exponate umfassende Jubiläumsausstellung verantwortlich),

eine geistig-geistliche Erneuerung -für unser Kloster und darüber hinaus für den ganzen Bezirk.“

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