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Kremsmünster

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400 Jahre sind es nun, seitdem das heut weit über die Grenzen der Heimat berühmte humanistische Gymnasium des Stiftes Kremsmünstep der Jugendbildung die Tore geöffnet hat. In seiner Geschichte spiegeln sich die Kulturbilder einer vierhundertjährigen österreichischen Vergangenheit bis herauf in die jüngste Zeit, ihr Glanz, ihr Niedersinken, ihre Heimsuchungen, ihre Wiedererhebung.

Als Kaiser Ferdinand L, um sie der Heimat enger zu verbinden, 1548 ein Verbot für die österreichische Jugend erlassen hatte, im Ausland zu studieren, öffnete der Kremsmünsterer Abt Gregorius Lechner 1549 die aus der frühmittelalterlichen Schreibstube des Benediktinerstiftes hervorgegangene und während der Frührenaissance durch den allgemeinen geistigen Aufschwung zu hoher Blüte gelangte humanistische Hausschule dem allgemeinen Besuche. Das Reformationszeitalter kurz nach 1560 und die frühen vierziger Jahre des 17. Jahrhunderts bedeuteten schwere Gefahrenzeiten für das junge Gymnasium; aber fast unvermittelt folgten dann langwährende Zeiträume hoher Blüte unter den Äbten Plazidus Buechauer und Erenbert Schrey- vogel, die, außer um die Hebung des Lehrplanes und die Heranbildung vorzüglicher benediktinischer Lehrkräfte, auch durch Neubauten für die Unterbringung der im Stifte lebenden Studenten des Gymnasiums und Sängerknabenkonvikts Sorge trugen. Von den Leitern der Schule hat P. Simon Rettenpacher (1667—1671), Orientalist, Ethiker und lateinischer Schauspieldichter, in der Wissenschaft seinen Nomen verewigt. 1737 erweiterte Abt Alexander Fixlmillner den Lehrplan um zwei Jahrgänge philosophischer Studien, gründete 1741 die Ritterakademie für Söhne adeliger Häuser, deren Ausbildung sich auf juristische und philosophische Fächer sowie auf Sprachen und die schönen Künste bezog, erweiterte neuerdings die notwendigen Unterkünfte durch Neubauten und führte schließlich den „Mathematischen Turm", das Wahrzeichen Kremsmünsters, als astronomisches Observatorium auf. In seinen Tagen erlangte die Pflege der Naturwissenschaften, darunter der Astronomie, in Kremsmünster ihren Höhepunkt und europäisches Ansehen. Diese große Tradition hat übrigens bis zur Gegenwart ihre Pflege und sorgfältige Bedeutung gefunden. Abt Leander Czerny, der, sechsundachtzigjährig, 1944 verstarb, war ein weltbekannter Naturforscher, 223 Dipterenarten wurden von ihm neu beschrieben, zwei Gattungen und 18 Arten wurden von anderen Dipterologen ihm zu Ehren benannt. P. Thiem-Schwarz, der 1947 verstorbene langjährige Direktor des Gymnasiums, erwarb sich große Verdienste um die Erforschung der Meteorologie — und gegenwärtig bemühen sich jüngere Mitglieder der geistlichen Professorenschaft, das alte wissenschaftliche Ansehen durch neue Arbeiten — zumal auf historisch-quellenkritischem und kunsthistorischem Gebiete — zu rechtfertigen.

Mit den josephinischen Klosteraufhebungen war auch das Stift und ein Gymnasium auf das äußerste gefährdet; von der Aufhebung wurde jedoch nur die Ritterakademie betroffen. Di napoleonischen Kriege und die mit diesen verbundenen Kontributionen brachten auch der Schul manche Beschwerden. Lehrplanänderungen, die der Gründung des k. k. Unterrichtsministeriums 1848 folgten und bis zum Jahrhundertende manche Neuerung bis zur Schaffung des allgemeingültigen Typus de österreichischen humanistischen Gymnasiums verlangten und der Schule schließlich den Titel und die Rechte des „öffentlichen Obergymnasiums der Benediktiner zu Kremsmünster“ eintrugen, hielten bis zur Aufhebung des Klosters und seines Gymnasiums durch die Hitlerherrschaft an. Für di seit dem späten 19. Jahrhundert im Stiftskonvikt und in einzelnen Kosthäusern untergebrachten Schüler baute schließlich Abt Leonhard Achleuthner 1891 92 zwilchen Sternwarte und Hofgarten das neu Gymnasium, in dem heuer zum erstenmal nach Wiederkehr von Abt und Konvent und Aufnahme des Lehrbetriebes (im Herbst 1945) die erste Reifeprüfung wieder abgehalten werden kann.

Heute ist nach Überwindung vieler, wenn auch nicht aller Hindernisse der jüngsten Zeit die alte Tradition wieder lebendig, die zu schöner Verbundenheit zwischen alt und jung, zwischen Lehrern und Schülern, zwischen Kremsmünster und allen jenen geführt hat, die ihm jemals angehörten.

Wenn am Pfingssamstag die Festgäste zu großer Feier eintreffen werden, versinken für sie kurze Tage alle Sorgen ihres Seins und nimmt sie Kremsmünster wie jemals ans Herz.

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