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Beda Weber

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Am 28. Oktober 1798, also vor nunmehr 150 Jahren, wurde dem geistig regen Kleinbauern Johann Weber in Lienz ein Sohn geboren, der in der Taufe ebenfalls den Namen Johann erhielt; am 28. Februar des laufenden Jahres hat sich zum 90. Male der Tag gejährt, da dieser Mann zu Frankfurt am Main einem Herzschlag erlegen ist. Vier Tage später geleiteten den Entseelten zahlreiche Geistliche mit dem berühmten Bischof von Mainz, Freiherrn von Ketteier, an der Spitze, das diplomatische Korps unter Führung des österreichischen Präsidialgesandten am Bundestag in Frankfurt, Grafen von Rechberg, Bürgermeister und Senatoren der damals freien Stadt Frankfurt, eine Abordnung der österreichischen Besatzung von Mainz und viel, viel Volk aller Konfessionen unter den Klängen einer österreichischen Regimentsmusik zu Grabe. Man zählte fünfzig Equipagen.

Was war aus dem Osttiroler Kleinbauernsohn in den 60 Jahren seines Lebenslaufes geworden, daß ihm bei seinem Ableben solche Ehre widerfuhr und die Presse Österreich’ und Deutschlands ohne Unterschied der Parteirichtung ihm ehrende Nachrufe hielt? Die Frage läßt sich nicht mit einem Satze beantworten. Dazu war die Tätigkeit dieses rastlos schaffenden und ungemein anregenden Mannes viel zu vielseitig. Und selbst wenn wir hören, daß er nacheinander Schusterlehrling, Student, Ordensmann, Gymnasialprofessor, Kooperator, Parlamentarier, Stadtpfarrer, Domherr und Zeitungsgründer geworden, daß er ein Dichter, Schriftsteller, Redner und Gelehrter auf mannigfachen Gebieten gewesen ist, so gibt dies noch keine rechte Vorstellung von seiner Bedeutung und der geistigen Kraft, die von ihm ausstrahlte.

So regsamen, vielseitigen Naturen ist in der Regel auch ein bewegter Lebenslauf be- schieden. So war es auch bei Weber. Einer dreijährigen Lehre bei einem Schuster in Lienz folgten Gymnasialjahre in Bozen und Innsbruck, 1820 der Eintritt ins Benediktinerstift Marienberg im Vintschgau. Die Hauptstätte ‘eines Wirkens bildete 1826 bis 1848 das Meraner Stiftsgymnasium. Neben Unterricht und Seelsorge war eine reiche literarische und wissenschaftliche Tätigkeit die Frucht dieser Jahre. Vor allem trieb es ihn, seinem oft so übervollen Herzen, seiner reidien Gefühlswelt und Phantasie in lyrischen Gedichten Ausdruck zu geben. Er hat sie später, 1842 und 1850, als „Lieder aus Tirol“ und „Vormärzliche Lieder aus Tirol“ veröffentlicht. Es sind zumeist ernst-erhabene, bilderreiche Gedichte, in die vielfach der Jenseitsgedanke hineinragt. Mehr als sie sagt uns Menschen von heute seine. kräftige, wortschöpferische und gefühlswarme, oft aber auch recht kampflustige Prosa zu, wenngleich auch sie mit Vergleichen und Bildern überladen erscheint.

Was seine zahlreichen Prosawerke anlangt, so meldete sich in diesen zuerst der Theologe zu Wort. Anfangs der dreißiger Jahre übersetzte Weber aus dem Griechischen die sechs Bücher des hl. Johannes Chrysostomos über das Priestertum, dann verfaßte er eine Lebensbeschreibung der Klosterfrau Giovanna Maria dalla Croce aus Rovereto und gab Auszüge aus den Schriften dieser Mystikerin des 17. Jahrhunderts unter dem Titel „Blüten heiliger Liebe und Andacht, gesammelt für Kenner und Liebhaber des inneren Lebens“ heraus; in dem historischen Werk „Tirol und die Reformation“ behandelte er weitere Vorkämpfer der Gegenreformation. An einen größeren Leserkreis wandten sich seine heimatkundlichen Werke, die er meist in unglaublich kurzer Zeit auf Grund eifriger archivalischer Studien und genauer persönlicher Kenntnis weitester Teile des Landes verfaßte. 1837 und 1838 erschienen bei Wagner in Innsbruck die drei Bände: „Das Land Tirol“, eine für die damalige Zeit ausgezeichnete Topographie mit reichen geschichtlichen und volkskundlichen Ausführungen, und als Auszug aus dem dreibändigen Werk sein „Handbuch für Reisende in Tirol“. Die Teile des Landes, die er besonders gut kannte, schilderte er in der Folge in eigenen Werken, sie tragen die Titel: „Meran und seine Umgebung“, „Die Stadt Bozen und ihre Umgebung“, endlich „Das Tal Passeier und seine Bewohner mit besonderer Rücksicht auf Andreas Hofer urtd das-Jahr 1809“. Durch diese fruchtbare Tätigkeit als heimatkundlicher Schriftsteller hat Weber, der gegen jede Absperrung ‘eines Heimatlandes war und als einer der ersten die Bedeutung des Fremdenverkehrs für dieses erkannte, sehr zur Mehrung und Vertiefung der Kenntnis Tirols, seiner Geschichte und seiner Bewohner auch außerhalb des Landes beigetragen. Auch auf dem Gebiet der Germanistik betätigte er sich in den vierziger Jahren, seiner literarisch fruchtbarsten Schaffensperiode. 1847 gab er die Gedichte Oswalds von Wolkenstein mit einem Wörterbuch heraus und zwei Jahre später erweiterte er die historische Einleitung hiezu zu einem eigenen, umfangreichen Werk mit dem Titel: „Oswald von Wolkenstein und Friedrich mit der leeren Tasche". Dazu kamen noch zahlreiche Aufstäze aus tirolischer Geschichte und Sage, über Burgen, über altes und neues Kunstschaffen, bedeutende Zeitgenossen usw.

Mehrmals hatte Weber Berufungen an die Universität Innsbruck und nach süddeutschen Städten erhalten, sich aber stets einsichtsvoll der Entscheidung seines Abtes, der ihn als Lehrer am Meraner Gymnasium nicht entbehren konnte, gefügt. Als er aber dann im Mai 1848 im Wahlbezirk Meran mit großer Mehrheit zum Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung gewählt wurde, mußte ihn der Abt doch freigeben. Weber gereichte zusammen mit den meisten anderen Abgeordneten aus Tirol, wie insbesondere Flir, Gasser und Schuler, der an Dichtern und Denkern so reichen Versammlung gewiß zur Zierde. Er hat die Parteigruppierungen und Vorgänge in diesem ersten deutschen Parlament, das dem Deutschen Bund einschließlich Österreichs eine neue Verfassung geben sollte, mit lebhaftestem politischem Interesse verfolgt, hat dessen führende Köpfe in seinem Werk „Charakterbilder“ im Abschnitt „Umrisse aus der Paulskirche" geistvoll und mit dem ihm eigenen, oft bissigen Witz charakterisiert und sich in der Versammlung als treuer Sohn seiner Kirche, seines Volkes und Vaterlandes und seiner Tiroler Heimat erwiesen. In drei längeren Reden sprach er sich in der als Tagungsstätte dienenden Paulskirche entschieden und beredt für die Einheit des österreichischen Gesamtstaates, gegen den Ausschluß Österreichs aus Deutschland und gegen das preußische Erbkaisertum aus.

Nachdem das Frankfurter Parlament im Frühjahr 1849 an seiner Aufgabe gescheitert war, kehrte Beda Weber nach kurzem Aufenthalt in Tirol nach Frankfurt zurück, allerdings nicht mehr als Parlamentarier, sondern als neugewählter Pfarrer der katholischen Gemeinde in Frankfurt. Als solcher hat der nun innerlich Abgeklärte durch packende Predigten, zeitgemäße Reformen in der Seelsorge, im Schulwesen, auf dem Gebiet der Kirchenmusik, durch Gründung und Mitarbeit am „Frankfurter katholischen Kirchenblatt“ und an der viel gelesenen Zeitung „Deutschland“, durch Organisation von Vereinen und durch liebevolle Früsorge für Kranke, Arme und Kinder einen frischen Zug in das Leben seiner großen Pfarrgemeinde gebracht. Ein besonderes Verdienst aber erwarb er sich durch die gründliche Restaurierung des arg verwahrlosten Frankfurter Kaiserdomes, wozu er ansehnliche Spenden des österreichischen Kaiserhauses erwirkte. In diesem Dom, der heute inmitten von Ruinen aufrecht steht, hörte er noch am Vorabend seines Todestages die Beichte; auf dem Schreibtisch des plötzlich Verschiedenen aber lag korrigiert der letzte Bogen seines Werkes „Kartons aus dem deutschen Kirchenleben“.

So ist Beda Weber, diese oft vulkanisch anmutende, wandlungsfähigej allem doktrinären und bürokratischen Wesen abgeneigte Natur, von frühester Jugend bis zum letzten Tag seines Lebens seinem Wahlspruch treugeblieben: „Rastlose Tätigkeit allein ist Leben und begründet Leben."

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