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Oberößerteidis Stipe - Sterne auf Erben

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Weißschimmernd, in das Grün der fruchtbaren oberösterreichischen Landschaft eingebettet, die zwei Türme der von C. A. Carlone erbauten Kirche weithin mahnend wie Schwurfinger des Glaubens — das ist Sankt Florian. Am Grabe des Heiligen entstand früh schon ein Heiligtum nach Art der Severinsklöster, die Ergebnisse der jüngsten Ausgrabungen in der Gruft, die Brandreste und Spuren eines römischen Hauses beweisen die Existenz bereits im achlen Jahrhundert. Seit Karl dem Großen ist Sankt Florian Eigenkloster, 1071 berief Bischof Altmann regulierte Chorherren unter Propst Hartmann, der sechste Propst, Otto, starb als erwählter Bischof von Gurk im Ruf der Heiligkeit. In einer Zelle der Stiftskirche lebte die Reklusin Wilbirgis. 1686 begann Carlone mit dem Neubau der Kirche. Kröll und Födermayr vollendeten durch Prandtauer 1745 die herrlichen Stiftsgebäude, Jahr für Jahr das Ziel tausender Besucher aus nah und fern. Ansehen gewann das wissenschaftliche Streben der Augustiner-Chorherren. Lange Zeit war der Stiftpropst Generaldirektor der oberösterreichischen Gymnasien. Die Bibliothek zählt etwa 120.000 Bände Druckwerke und 800 Handschriften. Berühmt ist die Münzensammlung, geschätzt die Gemäldegalerie. Mit dem Namen des Stifts untrennbar verbunden ist Bruckner, der unter der Orgel begraben liegt. Jahr für Jahr finden in Sankt Florian Bruckner- Konzerte statt. In Sankt Florian befinden sich ein humanistisches Gymnasium und ein Sänger- knabeninstifut. Das Pfarrbewußtsein stärkte sich gerade in dunklen Tagen — wie während der Stiftsaufhebung 1941—45, da man die Kirche zur „Orgelhalle” erklärte. Starke Gruppen der Katholischen Männerbewegung, des Frauenwerkes, der Jugend und Junqschar, des Bildungswerkes — alle von der Pfarrcarifas unterhalten — stempeln auch heute Sänkt Florian zu einem religiösen und kulturellen Mittelpunkt dės Landes.

Von Sankt Florian nach Linz fahrend, kommt man dann von dort mit der Mühlkreisbahn nach Schlägl. Die Prämonstratenserabtei wurde 1204 gegründet. Die Kirche ist als miftelaherliche Klosterkirche gut erhalten. Kandier hat sie 1625—29 barockisiert. Die Bibliothek mit ihren 50.000 Bänden und 269 Handschriften ist eine Fundgrube für den Wissenschaftler, die viel zuwenig bekannte und gewürdigte Bildersammlung steht in ihrer Art einzig da. In pädagogischer Hinsicht ist Schlägl bahnbrechend durch seine landwirtschaftliche Winferschule vorangegangen. Kulturpolitisch kommt dem Stift — wie dem niederösferreichischen Geras — in Hinblick auf geistliche Ausstrahlung nach Böhmen besondere Bedeutung zu.

Wenn man nach Linz zurückkehrf, ist die kurze Aufobusfahrt nach W i I h e r i n g unerläßlich. 1146 hielten die ersten Mönche aus dem Kloster Rein (Steiermark) hier den Einzug. Der Besucher des Zisterzienserstifts kommt in kein Museum. Hier, an der Donau, ist alles fließendes Leben, erneuerter, sich aufrankender Geist. Selbst an einem trüben Tag ist der Innenraum der von Andreas Altomonfe zu einem Lob preis der Gottesmutter gestalteten, von Marfin und Bartolomeo Altomonfe mit prachtvollen Deckengemälden ausgesfatteten Kirche ein Jubelsturm der Sonne und der Freude. Der seelsorgerische Einfluß von Wilhering reicht bis an die böhmische Grenze. In neun Pfarreien betreuen die Stiftspriester 16.000 Menschen; dazu kom-

men noch vier Pfarreien in Niederösterreich. Seif 1928 wird sehr der Missionsgedanke gepflegt. In Withering besteht übrigens auch ein angesehenes, ständig überfülltes Sfiftsgymnasium.

Viel für die Wiederherstellung und Pflege de, Architektur haben die Zisterzienser auch in Engelszell an der Donau nächst dem oberösterreichischen Markt Engelhartszell geleistet.

Bekannt ist die schöne Rokokokirche von 1760 — das herrliche Chorgesfühl ist mit Schnitzwerken von Deutschmann geschmückt. Hundert Jahre hindurch bot sich den Besuchern eine weißgetünchte Fläche anschließend an die Deckengemälde Bartolomeo Altomontes. Die Renovierungsarbeiten wollen den farbigen Gesamteindruck wiederherstellen, keine leichte Aufgabe für Professor Fröhlich, der hier im Komposifionsschema Altomontes mif der Formensprache unseres Jahrhunderts eine moderne Paraphrase — Maria inmitten der huldigenden Engelhierarchie — geschaffen hat. Engelszell wird von Trappisten verwaltet, die in erster Linie von ihrer Hände Arbeit leben.

Die Benedikfinerabtei Lambach an der Traun sieht man linker Hand auf der Fahrt nach Salzburg bereits von der Bahnstrecke. 1056 gegründet, wurde die Abtei zufolge der zentralen Lage im Verlaufe ihrer Geschichte oft in Mitleidenschaft gezogen. Während der Reformationswirren schmolz der Konvent unter dem Abt Johannes V. auf einen Mönch zusammen. Abt Burkard Furfenbacher, „resuscitator Lambach- ensis" gerühmt, brachte die Adalbertstiftung zu neuem Glanz, unter Plazidus Hieber von Grei- tenfels entstand die frühbarocke Kirche. Unter dem bedeutendsten Abt, den Lambach besessen, unter Maximilian Pagl, einem Sohn der Pfarre Lambach — er ist aus Stadl-Paura gebürtig, das ihm die herrliche Dreifaltigkeitskirche, eine Sehenswürdigkeit besonderer Art, verdankt —, hob sich die Bedeutung der Abtei, jtrff Kulturleben ist- sie durch die Wirksamkeit des ersten Dialektdichters Oberösterreichs, P. Maurus Lindemayr, und durch den ersten Lithographen und Kupferstecher unseres Landes, P. Koloman Feiner, berühmt geworden. Das einzige Barocktheater Oesterreichs besitzt Lambach. Nach dem zweiten Weltkrieg (1941 wurde das Stift aufgehoben) wurde mit Landesunferstützung eine Landwirtschaftsschule errichtet, für Priestersfuden- ten eine Aufbaumitfelschule gegründet und vom gegenwärtigen Abt Benedikt Oberndorfer ein geräumiges Konvikt im Nordtrakf des Stiftes eingerichtet. Für die Seelsorge ist das Exerzitien- heim der Diözese Linz wichtig.

Am österreichischen Hochufer des Inn, 35 Kilometer von Passau entfernt, liegt das Augustinerchorherrenstift Reichersberg, 1084 gegründet. Der Dekan Magnus verfaßte eine der ersten oberösterreichischen Geschichtsquellen, die „Annales Reichersbergenses', Gerhoch trat mit Bernhard von Clairvaux in Verbindung. Der zehnbändige Psalmenkommentar (acht Originalbände davon stellen den wertvollsten Besitz des Reichersberger Stiffsarchivs dar) ist Gerhochs Hauptwerk, der als Wissenschaftler auch in neuester Zeit durch P. van den Eynde und Peter Classen gewürdigt wurde. Mehrere Schriften Gerhochs sind in den „Monumentą Germaniae’ abgedruckt. Die historische Schule des Stifts setzte Propst Konrad Meindl fori. Der gegenwärtige Propst Floridus Buttinger leitet seit 1946 erfolgreich das Stift, dem zwanzig Priester teils im Haus, teils auf den Pfarreien dienen. Vier Kleriker studieren in Klosterneuburg. Die bildende Kunst hat durch Männer wie Wink, Rahl, Modtter und die beiden Bergler bedeutende Werte hinterlassen. C. A. Carlone und G. B. Carlore statteten den namentlich vortrefflich stukkierfen Speisesaal aus. Eine der schönsten Sakristeien — gleichfalls hervorragend durch die Stukkaturen — besitzt Reichersberg, das übrigens auch in künstlerischer Hinsicht mit den beiden Schwanthalers verbunden ist. St. Michael ist die Kirche geweiht, Symbol und Hinweis für alle Zeilen.

Die Benedikfinerabtei Kremsmünster, die berühmte, 777 gegründete Hüterin des unschätzbaren Tassilokelchs, des Codex Millenarius (ein Evangeliar in karolingischer Unziale) und des Tassiloleuchfers, ist wert, Tage hindurch besucht und besichtigt zu werden. Kremsrhünsfer ist wohl eine der hervorragendsten qeistlichen Bildungsanstalten Oesterreichs. Adalbert Stifter hat hier am Stiffsgymnasium studiert und auch Malunterricht genossen. Eine besondere Zierde der Festzeiten in der Kirche sind die flämischen Wandteppiche, 1551 signiert. Wieder steht in der Kunst der Name C. A. Carlone auf. Spazzo und Mazza sfukkierten, Zürn schuf die denkwürdigen Engel der 1685 aufgesfellten neun Altäre. Sehenswert sind vor allem die vier Engel des Agapiti- und des Candidaaltars. Die Bibliothek enthält bei 400 Handschriften, 792 Inkunabeln und 100.000 Bände. Der Kaisersaal, die Kunstsammlungen (b6i einer Führung kann wegen Zeitmangels immer nur ein Teil der Schätze gezeigt werden), die Sternwarte, wohl der erste Wolkenkratzer der Welt, mit dem 50 Meter hohen Turm, die Fischbehälter: das sind nur einige der unumgänglich gnzusehenden Plätze. Das Stift versieht die Seelsorge in 26 ihm zugehörigen Pfgrreien. Im Konvikt sind weit über 200 Studenten der Obsorge von sechs geistlichen Präfekten on- vertraut. Mon konn von Kremsmünster nicht scheiden, ohne abends auf der Sternwarte das Herannahen der Nacht zu erwarten. Unten die traulichen Lichter des Ortes, wie irdische Sterne verstreut, oben die Hinweiser auf den Ewigen. Oberösterreichs Stifte sind die Sterne eines Landes und haben off genug die Nacht erhellt.

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