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Das große Zeitalter von Lilienfeld

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Babenbergische Staatskunst und mönchische Kolonisationskraft des Mittelalters haben vor nahezu 750 Jahren jenes meisterliche spätromanische Bauwerk und Geisteszentrum des südlichen Niederösterreich in die herbe, reizvolle Landschaft gestellt, das in den folgenden Jahrhunderten ein starkes Bollwerk gegen den inneren und äußeren Feind christlich-abendländischer Kultur geworden ist: Stift Lilienfeld.

Abt Matthäus III. K o h 1 w e i ß, die überragende Persönlichkeit in der langen Geschichte des Klosters und seiner 61 Vorsteher, ist jener Mann, der mit dem großen Zeitalter des Stiftes Lilienfeld auf das engste verknüpft ist. Seinem persönlichen Mut und seiner Initiative ist es zu danken, daß der Ansturm jener osmanischen Abteilung, die 1683 den Befehl hatte, tief in die österreichischen Erbländer vorzustoßen, vor den Mauern Lilienfelds nach zwölf-maligem vergeblichem Sturm, trotz der geringen Zahl der Verteidiger, zusammenbrach. Das war das eine unschätzbare Verdienst, das sich, in seiner Bedeutung weit über die Lokalgeschichte Lilienfelds ragend, Kohlweiß erwarb. Die Kriegerhaufen, die am Hellaspont auf die grüne Fahne des Propheten den Eid schwuren, das christlich-deutsche Kaiserreich unter den Hufen ihrer Rös-ser zu zertrampeln, waren aber nicht die einzige Gefahr, die der Krone und der Einheit des Reiches drohten, denn auch die von Wittenberg ausgehende Bewegung schien das Reich endgültig, in zwei Lager gespalten, jeder Kraft nach außen beraubt zu haben.

Auch in diesem Kampf um die geistige und religiöse Vorherrschaft seiner weiteren und engeren Heimat stellte sich Abt Matthäus Kohlweiß bedingungslos dem Kaiserhaus zur Verfügung, sich jederzeit bewußt, daß nur der alte Glaube Träger des universellen Gedankens vom Heiligen Reich, Vorposten jenes mittelalterlichen Ideengutes, das scheinbar sich selbst überlebt habe, sein könne. So wie es im großen Streit des 11. und 12. Jahrhunderts zwischen Kaiser und Papst die clunyazensischen, exemp-ten Schutzklöster waren, die sich sua sponte der Kurie unterordneten und damit ein nicht unbedeutendes Gegengewicht gegen die kaiserliche Reiehs-kirche bildeten, standen auch im großen reformatorischen Sturm die Klöster — und hier besonders die des Bernhard von Clairvaux — ungebeugt und ungebrochen in ihrer Kraft. Lilienfeld war, als nach Münster-Osnabrück die Gegenreformation beziehungsweise Rekatholi-sierung ihren Höhepunkt erreichte, eines jener Zentren, um das' sich das gläubige Volk scharte, angeführt von den beiden großen Äbten Cornelius Strauch und Matthäus Köhlweiß. Aber Matthäus wußte nur zu genau, daß nicht allein die Reformkommissionen, von denen er selbst die im Viertel unter dem Wienerwald führte, den erhofften Erfolg bringen, zumal diese Abteilungen der Waffengewalt oft nicht entraten konnten, sondern daß vielmehr nur das katholische Volk selbst durch eine unzweideutige Haltung, eng angeschlossen an die vom neuen Glauben umbrandeten Trutzburgen, die Entscheidung herbeiführen könne. Eingedenk dieser Tatsache gründete Abt Kohlweiß im Jahre 1653 die Josefsbruderschaft, die bereits wenige Jahre später durch Papst Alexander VII. bestätigt und zur Erzbruderschaft erhoben wurde, womit sie ihrerseits wieder Filialen errichten durfte. Mit dieser Konfraternität schuf Matthäus ein einzigartiges Instrument der Zusammengehörigvoll und ganz erfüllte, vergaß er nicht jener Werte, welche die mittelalterlichen Klöster seit eh und je pflegten, nämlich der Wissenschaft. Es mag uns heute gleichsam als ein Symbol erscheinen, wenn jener Mann, dem nicht nur Lilienfeld, sondern — und es ist dabei nicht zu viel gesagt — die ganze christliche Welt dankbar sein muß, die höchste Würde erreichte, welche auch heute noch die Wissenschaft zu vergeben hat, nämlich die eines Rector magnifieüs.

Staatsmänrtischer Weitblick und tiefe Vaterlandsliebe, gepaart mit einer hohen Auffassung von seinen priesterlichen Pflichten und einem Glauben an Gott, an dem selbst eine hundertfache feindliche überrnaent zerbrach, haben Matthäus Kohlweiß, dessen Gestalt jetzt anläßlich der Dreihundert-Jahr-Feier seiner Abtwahl wieder in unser Blickfeld rückt, weit über die Lilienfelder Klostermauern hinaus zu einer historischen Persönlichkeit und einem Vorkämpfer christlicher Weltanschauung werden lassen.

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