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„Klösterreich“ expandiert

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1988, 855 Jahre nach seiner Gründung, wird das Stift Heiligenkreuz ein Superiorat errichten. Nicht in Österreich oder in einem Missionsgebiet, wie man vielleicht annehmen würde, sondern im dichtestbesiedelten Industriegebiet Europas, das von Kohle und Stahl geprägt ist, nämlich in Bochum. 1957 wurde das Ruhrgebiet, das bislang zu den Diözesen Köln, Paderborn und Münster gehörte, zur Diözese Essen erhoben. Erster und bislang einziger Bischof dieser Diözese wurde der damalige Weihbischof von Paderborn, Franz Hengsbach, auch ,Jluhr-Bischof" genannt. Als Zeichen der Verbundenheit mit seiner Diözese ließ er einen Bischofsring anfertigen, in dem ein Stück Kohle eingefaßt ist.

Hengsbach bemühte sich recht bald um klösterliche Zentren in seiner Diözese. Durch den Reichsdeputationshauptschluß des Jahres 1803 war die überwiegende Mehrzahl der alten Klöster Deutschlands (Benediktiner, Zisterzienser, Prämonstratenser, Augustiner-Chorherren) aufgelassen worden, erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts gelang eine teilweise Neubelebung (zum Beispiel Maria Laach). 1803 wurden in Deutschland anteilsmäßig mehr Klöster aufgehoben als zwanzig Jahre vorher in Österreich durch Kaiser Josef II.

. In der neuen Diözese Essen gab es daher kein Kloster eines alten Ordens. 1959 gelang es Hengsbach, im Norden von Duisburg die alte

Prämonstratenserabtei wieder-zubesiedeln. Doch einen Orden mit benediktinischer Tradition zu gewinnen, blieb ihm lange versagt. Dann kam ihm ein wenig der Zufall zu Hilfe. In Heiligenkreuz im Wienerwald waren vor einiger Zeit einige junge Leute aus dem Bistum Essen eingetreten. Vorsichtig wurden erste Fäden ge-

knüpft, schließlich war es soweit. Am 13. November 1986 sagte das Kapitel des Stiftes Heiligenkreuz zu, ein neues Kloster in der Diözese Essen zu gründen.

Vier Zisterzienser sollen 1988 entsendet werden, um zunächst ein von Heiligenkreuz abhängiges Superiorat zu gründen. Sollte sich das Projekt bewähren, könnte aus dem Superiorat ein „abhängiges Prior at" werden, aus diesem darm ein „unabhängiges Priorat" und schließlich sogar eine eigene Abtei. Aber bis dahin wird noch viel Wasser die Ruhr hinabfließen!

Als Ort des Superiorates wurde Bochum-Stiepel ausgesucht. Stiepel ist eine alte Marienwallfahrtsstätte, die bereits um das Jahr 1000 gegründet wurde. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts bekam sie ein Vesperbild, eine „Schmerzhafte Muttergottes". Im Zuge der Reformation verschwand das Bild, und auch die Wallfahrten hörten auf. Erst zu

Beginn dieses Jahrhunderts wurde das Bild wieder entdeckt und der zur selben Zeit erbauten neuen Pfarrkirche übergeben. Wie von selbst belebten sich die Wallfahrten wieder, sie wurden 1930 vom Erzbischof von Paderborn, zu dem Stiepel damals gehörte, genehmigt.

Bereits als Paderborner Weihbischof wollte Hengsbach etwas entstehen lassen, was ihm erst jetzt mit Hilfe von Zisterziensern aus dem niederösterreichischen Stift Heiligenkreuz möglich ist: ein Wallfahrtszentrum mit einem Haus der Besinnung. „Das gibt es im ganzen Ruhrgebiet nicht", verkündete Hengsbach am 9. Dezember vergangenen Jahres vor einer Kleruskonferenz seiner Diözese, als er seinen Plan mit Stiepel mit-.eilte.

Doch es gibt auch Widerstände. Wie aus der bischöflichen Pressestelle Essen zu erfahren war, machen sich unter den Gemeinde-mitgliedem von Stiepel Bedenken breit. Man will keinen Wallfahrtsort von oben verordnet bekommen. Es wird wohl noch viel Aufklärungsarbeit notwendig sein, damit die Zisterzienser aus Heiligenkreuz auch richtig aufgenommen werden.

Für Österreich ist dieser „Klo-v sterexport" wichtig. Dieser geistlich-kulturelle Export ist ein weiterer Mosaikstein, um das Bild unseres Landes, das gerade in den letzten Jahren so stark gelitten hat, ein wenig zu korrigieren.

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