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Aus Österreichs schwerer Zeit
Flacht and Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683. Herausgegeben von P. Hermann Watzl SOCist. Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich, Band 8, Graz-Köln. Hermann Böhlaus Nfg., 251 Seiten, 8 Tafeln, 1 Karte, Preis 88 S.
Flacht and Zuflucht. Das Tagebuch des Priesters Balthasar Kleinschroth aus dem Türkenjahr 1683. Herausgegeben von P. Hermann Watzl SOCist. Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich, Band 8, Graz-Köln. Hermann Böhlaus Nfg., 251 Seiten, 8 Tafeln, 1 Karte, Preis 88 S.
Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch ist für jeden an der Vergangenheit Anteil Nehmenden ein Erlebnis. Wer wissen will, was der große Türkeneinfall 1683 für die Menschen unserer Heimat bedeutet hat, wie sie wirklich gedacht, gesprochen und gelebt haben, der greife nach diesen Tagebuchaufzeichnungen. Sie stammen noch dazu von einem Mann, der in jener schweren Zeit Mut, Verantwortungsbewußtsein und Gottvertrauen in außerordentlichem Maß bewiesen hat.
Der um 1651 geborene Balthasar Kleinschroth war 1683 Präfekt der Sängerknabenschule des Zisterzienserklosters Heiligenkreuz südwestlich von Wien. Er hatte seine eigene Ausbildung zum Musiker und Weltpriester dem Kloster und Wiener Jesuiten zu verdanken. Heiligenkreuz ist ihm von Kindheit an die Heimat, an der sein Herz hängt. Er verläßt sie erst im Augenblick größter Gefahr, um das Leben seiner zehn Schüler zu retten. Mit seiner kleinen Schar, die sich zuletzt auf zwölf Buben vergrößert und für die er väterlich sorgt, schlägt er sich inmitten des fliehenden Volkes durch den südlichen Wienerwald und das Triestingtal über Lilienfeld bis in die Steiermark und schließlich nach Oberösterreich durch. Er hat dabei aufrührerische Bauern zu beschwichtigen, die in jedem Geistlichen ihren Feind sehen. Da von der noch vor wenigen Jahrzehnten protestantischen Bevölkerung die Schuld an der Türkeninvasion wegen der Gegenreformation in Oberungarn bestimmten Orden zugeschrieben wird, gerät Kleinschroth mehrmals in Gefahr, als verkleideter Jesuit von den 'aufgeregten Bauern zumindest verprügelt zu werden. Andere Gruppen halten ihn für einen Zisterzienser, und da das Gerücht umgeht, daß alle Heiligenkreuzer Herren große Geldsummen mit sich tragen, bewahren ihn nur Glück und persönliches Geschick vor regelrechter Ausplünderung. Dabei ist Kleinschroth kaum mit den notdürftigsten Mitteln versehen. Denn als am 4. Juli 1683 ein aus dem Burgenland geflohener Zisterzienser in Heiligenkreuz meldete, er habe am Neusiedler See bereits die Feuer der „Tartern“ gesehen, wurde er „vor einen verzagten haasen gescholten, ausgelacht und verspotet“. Gemeinsame planmäßige Vorbereitungen für Verteidigung oder Flucht wurden nicht getroffen. Man fühlte sich zu sicher... Vier Tage später schleppt sich Kleinschroth mit seinen Buben, deren jüngste neun Jahre zähle,nf,jb]ere.jts als,Flüchtling durch den Wienerwald. Er, Jbat. sejne liebe Not, die durstigen, ermatteten Kinder bei tagelangen Märschen aufrechtzuerhalten. Einige gehen in Augenblicken regelloser Flucht vor
dem bereits auf Sichtweite nahen Feind verloren, aber wie durch ein Wunder findet Kleinschroth seine Schützlinge wieder, und am Ende der Flucht sind alle gerettet. Daß ihm das nur Hilfe von oben ermöglichen könne, hat Kleinschroth bald erkannt. In einer wirklich lebensgefährlichen Situation gelobt er für den Fall des glücklichen Ausganges der Flucht, sie auf Grund seiner Notizen genau zu beschreiben und diesen Bericht der Mutter Gottes von Alt-Oetting zu opfern, da ihm der Weg nach Mariazell versperrt ist. Drei Jahre später erfüllt der nunmehrige Kapellmeister des Damenstiftes in Hall sein Gelübde. 1687 verliert er dieses Amt, sein weiteres Schicksal ist unbekannt.
Ebenso ist ungeklärt, wie sein Votivmanuskript vom Alt-Oettinger Gnadenaltar in ein Antiquariat kam. Nach Heiligenkreuz kehrte es 1897 durch eine Schenkung zurück. Von der für die historische Landeskunde, die Sozial- und Kulturgeschichte hochbedeutsamen Quelle wurden seither nur kleine Ausschnitte veröffentlicht. Der Stiftsarchivar von Heiligenkreuz, P. Hermann Watzl, hat sie nun mit vorzüglichen Erläuterungen versehen und erstmalig geschlossen herausgegeben. Er hat nur einige nicht auf den Türkenkrieg Bezug nehmende Stellen aus dem Tagebuch Kleinschroths weggelassen. Daher schließt die vorliegende Edition mit dessen erschütternder Schilderung von der Heimkehr nach Heiligenkreuz im Spätherbst 1683. Das verarmte, verwüstete Kloster kann ihm nicht mehr Arbeit und Brot als Musiker und Pädagoge geben. Zu groß ist die Not nicht nur in Heiligenkreuz. Kleinschroth Sieht die verbrannte Erde rund um das befreite Wien, sieht auf dem Hauptplatz von Perchtoldsdorf noch am 1. November über 300 Tote liegen. Er spricht mit den ausgeplünderten Ueberlebenden und erzählt mit ihren Worten, was sie mitgemacht haben. Daß in diesem wahrhaft ergreifenden Tatsachenbericht auch tragikomische Ereignisse, wie der Streit eines auf einem Baum versteckten Bauernehepaares, das durch sein lautes „Truz“-Geschrei schließlich die Türken erst recht herbeilockt, nicht fehlen, vertieft nur den Eindruck geradezu unglaublicher Lebensnähe.
Wir besitzen aus jener Zeit nur wenige erzählende Quellen. Meist stammen sie aus dem Bereich des Hofes, des Adels oder des hohen Klerus. Vom Leben des „kleinen Mannes“ in Niederösterreich zur Zeit der großen Türkennot legt „Flucht und Zuflucht“ in einzigartiger Weise Zeugnis ab.
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