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Vor allem gegen soziale Notstände

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Bei einer Anzahl von fünfzig Orden für Frauen, allein in Großbritannien, wovon die meisten eine oder mehrere Tochterhäuser in der Heimat und selbstverständlich in den Missionsländern besitzen, ist es unmöglich, auf die Eigenart jedes einzelnen einzugehen, wobei die selbständigen Gründungen in den Commonwealth-Ländern, aber auch solche, die in den USA den Erzbischof von Canterbury als Oberhaupt anerkennen, nicht vergessen werden dürfen. Gewisse Divergenzen sind aber wichtig. Schon die Zahl der weiblichen Orden, welchen sieben Orden für Männer (zwei noch nicht offiziell anerkannte können dazugezählt werden) gegenüberstehen, ist vielsagend. Im allgemeinen sind die weiblichen Orden — zum Unterschied von individuellen Berufungen — dazu gegründet worden, um einem spezifischen Notstand entgegenzuwirken oder um soziale Mängel und Lücken auszugleichen.

Viele, ähnlich der schon erwähnten Society of the Holy Trittity, besitzen moderne, von den Gründerinnen unter Heranziehung des Rates der kirchlichen Obrigkeit zweckentsprechend ausgearbeitete Regeln. Es gibt aber etliche Orden, die mehr oder minder streng nach den alten monasti- schen Disziplinen leben; nicht nur die jüngeren Orden der Salesianerinnen und Vinzentinerinnen, sondern auch Benediktinerinnen, Franziskanerinnen und Augustinerinnen, ja sogar Zister- zienserinnen. Mit anderen Worten — es ist merkwürdig, daß unzählige, durchaus fromme Mitglieder der Church of England leben und sterben, ohne davon eine Ahnung zu haben — in der anglikanischen Kirche gibt es beschauliche Orden, Nonnen, die nach dem Ablegen der ewigen Gelübde in strenger Klausur leben.

Viele sind „gemischte Gemeinschaften”, die sich gleichermaßen der Beschaulichkeit und der Caritas widmen. Wir finden ein Beispiel in der Society of Franciscan Ser- vantsofJesusandMaryin Crediton, Devon. 1930 gegründet,legten die ersten zwei Schwestern das ewige Gelübde 1935 vor dem Bischof von London ab. Zweck und Ziele dieser Gemeinschaft sind „das Gebet, die Armut und gute Werke, dem allmächtigen Gott geweiht, für die Heiligmachung jedes Mitgliedes und als Zeugen Gottes in der Welt”. Das Kloster hat kein gesichertes Einkommen, die Schwestern führen alle Arbeiten in Haus und Garten selbst aus. Exerzitien werden — wie in den meisten Ordenshäusern — unter der Führung eines Priesters abgehalten, PostulaatinneiV dürfen, nach vier bis seehs Monaten, dem-raindestens zwei Jahre dauernden Noviziat beitreten. Zeitliche Gelöbnisse werden darnach jährlich abgelegt; erst drei Jahre nach Abschluß der Noviziate darf das ewige Gelübde abgelegt werden.

Langsam und vorsichtig…

Aus der Geschichte einiger Orden ist eine Tendenz zu ersehen, langsam und vorsichtig den Weg zur monasti- schen Beschaulichkeit zu gehen und aus der Erfahrung zu lernen: besser gesagt auf die Führung des Heiligen Geistes zu warten und darnach zu handeln.

The Community of the Holy Family zum Beispiel sind Schulschwestern. Die Gemeinschaft wurde schon im Jahre 1896 gegründet, aber erst 1929 wurde die ursprüngliche Absicht der Gründerin verwirklicht, nebelt einem Konvikt für Schulschwestern auch ein Kloster ins Leben zu rufen, wo diejenigen Nonnen, die den Ruf zum Sühnegebet in der Klausur verspürten, sich endgültig zurückziehen könnten.

In Wales lebt die Society of the Sacred Cross, die schon von vornherein die Absicht hatte, eine „Konfraternität des verborgenen Lebens” zu werden. Es dauerte aber einige Jahre, bis „Zeichen des kontemplativen Lebens” deutlich wahrnehmbar wurden und sich drei Gruppen allmählich auszeichneten: die künftigen Nonnen, die Oblaten und Assoziierte, die in der Welt bleiben. Auch die augustinische Society of the Precious Blood (des kostbaren Blutes) ist 1905 in Birmingham mit dem Zweck gegründet worden, geistliche Schwestern an die Seite der schwer überlasteten Pfarrer dieser Industriestadt zu stellen. Erst allmählich machte sich die Notwendigkeit einer inneren Burg der Beschaulichkeit deutlich fühlbar. Heute liegt das Mutterhaus in Burnham Abbey, die ein Herzog von Cornwall im Jahre 1266 einer Gemeinschaft augustinischer Mönche stiftete. Unter augustinischer Disziplin leben die Nonnen in strenger Klausur. Ihr Lebenszweck: Dauernde Fürbitte für die katholische Kirche und für die Erlösung aller Seelen in der Einheit des kostbaren Blutes Christi.

Waren die Frauen als Antwort zur verheerenden, sozialen Not den Männern vorausgeeilt, gründete Richard Meux Benson schon 1865 bis 1866 den ersten Orden für Männer, der bis heute weiterbesteht. Benson (f 1915), ein Mann von tiefster Religiosität und unvergleichlichem Einfluß, nannte seine Gemeinschaft The Society of St. John the Evangelist und errichtete sie in Cowley bei Oxford, weshalb man die Mönche Cowley Fathers nennt. Im Jahre 1870 er- öffneten sie ein Haus in Boston, Massachusetts. Die Absicht war, „ein College für Geistliche” zu bilden, „die unter dreifachem Gelübde Zusammenleben sollten”. Man mied alle „malerischen Äußerlichkeiten” und lebte im Geiste einer Armut, die jene der ersten Franziskaner fast übertreffen sollte. Das endgültige Ordensgelübde darf erst mit dreißig Jahren abgelegt werden.

Für die Wiedervereinigung

The Community of the Resurrection (1892) mit ihren acht Niederlassungen im Heimatland und in Übersee widmet sich dem apostolischen Leben im Gebet, in den Missionen, im Abhalten von Exerzitien und in der Ausbildung von Ordinan- den zur Priesterberufung. Sie hat die Disziplin der Dominikaner übernommen, verwendet aber das anglikanische Gebetbuch, das Tagestundengebet des Sarum - Breviers und ihr eigenes Brevier. Sehr wichtig ist die ökumenische Tätigkeit dieses Ordens, der zu den Ostkirchen, zu gewissen römisch- katholischen Orden und zu den protestantischen Kirchen in Skandinavien und vor allem auch zu den calvinisti- schen Bruderschaften Taizė und Grandchamp Beziehungen pflegt. Ebenfalls in der dominikanischen Tradition wirken die ungefähr 50 verstreut lebenden Priester-Ter- zianer des hl. Dominik (1925). Sie lesen entweder das dominikanische Brevier oder das ebenfalls römisch-katholische Brevier für Weltpriester, und beten für die Vereinigung mit dem historischen Orden und mit Rom.

Der Ausbruch des ersten Weltkrieges sah die Gründung einer Abtei, die mit dem benediktinischen Orden völlig parallel läuft. Die Nashdom-Abtei, mit vollem Namen Abbey of Our Lady and St. Benedict, N a s h d o m, benützt die katholische Missale und befolgt genauestens die Verordnungen der heiligen Kongregation für Riten; trotzdem erhalten sie vom anglikanischen Bischof von Oxford die Priesterweihe.

Von zwei Brüderschaften aus der geistigen Richtung der Franziskaner hält die Brotherhood of the Holy Cross in Nunhead, südöstlich von London (1924) die ursprünglichen Ideale von Assisi in aufgelockerter Form aufrecht. The Society of St. Francis (1921) dafür, mit ihren acht Häusern in England und drei in Übersee ist bedingungslos franziskanisch. Ein weiterer, aber ausschließlich beschaulicher Orden ist die Community of the Servants of the Will of God in Crawley (1938). Diese Mönche leben in völliger Verborgenheit und in größter Askese; manuelle Arbeit und Gebet füllen den Tag aus. Lediglich von der Society of theSacred Mission in Kelham, Nottinghamshire (1893), kann behauptet werden, sie sei keineswegs extrem hochanglikanisch.

Einleitend ist auf den scheinbaren Widerspruch hingewiesen worden, daß die anglikanischen Orden einerseits von größter Bedeutung seien, daß ihre Existenz in England aber immer noch zum Teil übersehen oder verschwiegen wird. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Von den Menschen in der Welt, denen die Schwesern und Patres dienen, werden sich wenige darüber den Kopf zerbrechen, woran diese, genau genommen, glauben. Sie werden diese Mönche und Nonnen für offensichtlich besonders fromm halten: aber was ist sonst dabei? Der Durchschnittsanglikaner, der evangelisch ist und bleibt, ist durchaus in der Lage, sein Leben lang im Schoß seiner Kirche zu leben, ohne ein einziges Mal mit den Orden in Kontakt zu kommen. Erst die innere Regung, das seelische und geistige Verlangen nach den un- ausscböpfbaren Gnaden des sakramentalen Lebens, führt den evangelisch erzogenen Anglikaner zu den hochanglikanischen Kirchen und zu den Orden.

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