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Ein Beispiel für Zivilcourage

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Ein Orden, der sich jahrhundertelang nicht auf seine Gründerin berufen durfte, feiert nun deren 400. Geburtstag. Ein interessantes Kapitel in der Kirchengeschichte.

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Ein Orden, der sich jahrhundertelang nicht auf seine Gründerin berufen durfte, feiert nun deren 400. Geburtstag. Ein interessantes Kapitel in der Kirchengeschichte.

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Die Regeln der Gesellschaft Jesu, die Mary Ward 1611 ihrer Frauen-Kongregation zugrunde legen wollte, hat das Institut der Englischen Fräulein 1978 zugestanden erhalten, womit das Wirken dieser mutigen und starken Frau schließlich doch noch in allen Zügen Bestätigung gefunden hat, eine Geste der Wiedergutmachung dem weltweit verbreiteten Orden gegenüber, dessen Zweig der Loretto Nuns auch die Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa ursprünglich angehört hat. Denn das Unrecht der Kirchenbehörden an Mary Ward — derselben Behörden übrigens, die sich auch im Falle Galilei beträchtliche Urteilsschelte gefallen lassen mußten —, ist doch immer ein dunkler Punkt in der Vergangenheit gewesen.

Zwei Jahre vor Galileis letzter Zitation vor ein kirchliches Tribunal hatte 1630 Mary Ward in München über Betreiben des päpstlichen Nuntius für Monate als Häretikerin und Gehorsams-verweigerin in einem Klarissenkloster am Anger interniert werden müssen. Sie wurde allerdings nicht nur unmittelbar danach wieder vom Papst in Gnaden aufgenommen, sondern hat auch trotz der Verbotsbulle auf das Uberleben ihres Werks innerhalb der Kirche vertraut. Es überlebte allerdings nicht unter dem von ihr vorgezogenen Namen Jesu, sondern unter dem eines Instituts der allerseligsten Jungfrau Maria (IBMV). Denn darin, gewissermaßen über das den Frauen zustehende Ressort hinausgegrast zu haben, lag wohl die Ursache für die Bedenken, die innerhalb der Hierarchie ihrem Lebenswerk hindernd entgegenstanden.

Es ist kein Ruhmesblatt in der Kirchengeschichte, wie sich dabei Gegner unterschiedlichster Provenienz verbündeten: die Antije-suiten in der Kurie, die traditionellen Frauenorden, die in diesem weiblichen Zweig der Jesuiten ohne Klausur und mit emanzipa-torischen bis abenteuerlichen Zielen eine unerträgliche Konkurrenz fürchteten, der englische Weltklerus, weil die von Mary Ward geplante bzw. schon praktizierte Missionspolitik unter An-glikanern die Annäherung des Hauses Stuart an den Katholizismus hintertreiben hätte können, und schließlich die Jesuiten unter ihrem General Vitelleschi selber, da sie nach schlechten Erfahrungen im 16. Jahrhundert für keinen weiblichen Zweig mehr verantwortlich gemacht werden wollten. Dabei hatte sich Mary Wards institutioneller Zusammenhang mit der Gesellschaft immer schon auf die Seelenführung durch einzelne Patres beschränkt, und eine generelle Unterstellung war ebensowenig beabsichtigt wie die Führung des Namens Jesuitissen, den ihre Gegner ihnen beüegten.

Als Mary Ward dennoch alle Zurücksetzung als Prüfung Gottes geduldig hinnahm und an ihrem Programm eines klausurfreien Ordens unter einer keinem Mann außer dem Papst selber unterworfenen Generaloberin festhielt, noch frisch erinnerlicher Vorschriften des Tridenti-nums ungeachtet, konnte derlei englische Obstinatheit auf dem altgläubigen Kontinent nur als Widersetzlichkeit und Ungehorsam aufgefaßt werden. Man hatte ja großteüs gar keine Ahnung, zu welchem Mut gerade auch unter Frauen das halbe Jahrhundert Verfolgung und Untergrundkirche in England Anlaß gegeben hatte.

So war ihr Institut trotz bester Referenzen über ihre in Rom zur Prüfung eingerichtete Musterschule und die Tätigkeit ihrer Gefährtinnen in Neapel und Perugia nicht zu retten. Diese Ablehnung mündete in die Uberreaktion römischer Stellen, als Mary den Wink mit der Aufhebung ihrer italienischen Wirkungsstätten nicht verstand und neben dem Ausgangskloster im flandrischen St. Omer und den Instituten in Lüttich und Köln nun von München aus ein neues Wirkungsfeld (Wien, Preßburg, in Planung: Prag) erschloß. Die Anfeindungen durch den örtlichen Klerus, den Wiener Kardinal Khlesl, den Prager Fürstbischof Harrach — Kardinal Pazmäny in Preßburg war die rühmliche Ausnahme — haben viel zu dem römischen Dekret Anlaß gegeben, das ihre florierende Erziehungsarbeit an den Töchtern von Bürgerschaft und Adel auch hier offen untersagte.

Von München, dem letzten Re-fugium, das ihr der selber von den Schweden gerade schwer bedrängte Kurfürst Maximilian offenhielt, breitete sich der Orden langsam wieder in die angrenzenden Lande aus—aber da war Mary schon am 30. Jänner 1645 mitten im Bürgerkrieg ihrer englischen Heimat, in die sie sich zurückbegeben hatte, ihren körperlichen Schwächungen erlegen. Englische katholische Adelsfamilien waren es vor allem, die sich das schöne Privileg teilten, durch ihre Töchter für genügend begabten Nachwuchs zu sorgen, daher auch der Traditionsname „Englische Fräulein”.

Und allmählich entwickelte sich mit der päpstlichen Bestätigung des Instituts von 1703 auch der von den Umständen erzwungene, aber nie ausschließliche Hauptakzent der Tätigkeit des Ordens, die Erziehungsarbeit, der er auch seinen Ruf verdankt. Schon 1706 nahm das erste österreichische Ordenshaus in St. Pölten diese Arbeit auf und hat sie bis heute fortgeführt.

Gleichzeitig mit der päpstlichen Anerkennung einer Generaloberin erfolgt 1749 aber dann ein empfindlicher Rückschlag: gestützt auf die verzerrte Darstellung ihres Falles in römischen Archiven wird dem Orden untersagt, sich auf Mary Ward als seine Gründerin zu berufen. Es bedurfte erst der auf Quellen gestützten Biographie der Mater Catherine Chambers IBMV aus den Siebzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, um die gängigen Vorurteile gegen den Charakter der Stifterin auszuräumen und ihr wahrhaft heiligmäßiges Leben in ein günstigeres Licht zu setzen. Im Jahre 1909 war es dann endlich soweit:

Mary Ward durfte wieder offiziell als Gründerin ihres Ordens verehrt werden. Ganz dürften freilich die Widerstände noch nicht ausgeräumt sein.

Eher romanhafte Biographien, — so haben etwa die dem Orden verbundenen Schriftstellerinnen Maria Veronika Rubatscher und Ida Friederike Görres den Stoff im Gefolge der ebenfalls in St. Pölten erzogenen Enrica von Handel-Mazzetti behandelt - haben für längere Zeit die historische Aufarbeitung übernommen.

Erst in jüngster Zeit sind neben Quellenstudien in den römischen Archiven, mit denen P. Joseph Grisar S J hervorgetreten ist, auch die auf das Jubiläumsjahr gezielten Biographien Walter Niggs (Mary Ward.'Eine Frau gibt nicht auf. München 1983) oder Mathilde Köhlers (Maria Ward. Ein Frauenschicksal des 17. Jahrhunderts. München 1984) erschienen, die sich nun der Aufarbeitung des Hintergrunds widmen.

Immerhin ist bemerkenswert, daß die Gründerin des Ordens in der Angelegenheit ihrer Kanonisierung von heiligmäßigen Gestalten aus dem späteren Umkreis ihres Ordens wie den jüngst seliggesprochenen Loosdorfer Schwestern Maria Theresia und Ursula Julia Ledochowska mit Leichtigkeit „überholt” werden konnte.

Weniger, als bisher angenommen, dürfte dabei der quasi „natürliche” Antifeminismus der damaligen Kirchenleitung zum alleinigen Sündenbock gemacht werden, obgleich er sich ungleich stärker gegen die selbstbewußte Kongregation Mary Wards gewendet hat als gegen die damals in reicher Zahl sprossenden cari-tativen Frauenorden, die ihren Zielen auch nur unter Lockerung oder Umgehung der Klausur nachkommen konnten (Ursulinerinnen, Salesianerinnen, die barmherzigen Schwestern des hl. Vinzenz von Paul usw.).

Da war wohl entscheidender, daß Mary Wards ursprüngliche Pläne einer mutigen England-Mission — in Weltkleidung, unter erhöhtem Finanzbedarf für Bestechungsgelder und standesgemäßes Auftreten, wie Quellen berichten - in zunehmendem Maße mit den Koexistenzbemühungen der Kirchenbehörden in Widerspruch gerieten. Zugleich bedeuteten die Verwandtschaftsbeziehungen Mary Wards und ihrer ersten Gefolgschaft zu den Pulververschwörern des Jahres 1605, an die die Anglikaner heute noch der Guy-Fawkes-Day erinnert, eine historische Belastung, wobei Mary Ward und ihr Institut ihren innerkirchlichen Gegnern wie ein Versuch einer Fortsetzung der Pulververschwörung mit anderen Mitteln erscheinen mußten.

Als noch dazu die jesuitenfeindliche Richtung mit Urban VIII. Barbarini und seinem Hinneigen zur französischen Sache in Rom an die Macht kam, konnte auch der Schutz eines Habsburgers wie Ferdinand II. am feindseligen Klima für Mary Wards Anliegen nichts mehr ändern. So durch die Mühlsteine der Politik zerrieben, blieb zwar Mary Ward, nicht aber ihre Idee auf der Strecke.

Dem Institutum Beatae Mariae Virginis, zu dem sie in der Folge geworden ist, bietet das doppelte in diesem Jahr gefeierte Jubiläum, 400. Geburtstag und 340. Todestag in derselben Woche (am 23. und 30. Jänner) die Gelegenheit, aus der bisher noch gelegentlich spürbaren Zurückhaltung gegenüber der Geschichte seiner Entstehung herauszutreten und sich der Leistungen, der Gründerin und ihrer bewiesenen Zivilcourage zu erfreuen.

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