in schwieriger Mission

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Johannes Paul II. war zuletzt 1982 am Höhepunkt der ökumenischen Beziehungen in England. Nachfolger Benedikt XVI. hat es in Großbritannien schwerer: Der Wind ist rauer geworden.

Papst Benedikt XVI. wird ein anderes England vorfinden als Johannes Paul II. 1982. Nicht nur, dass sein Besuch vom 16. bis 19. September der erste päpstliche Staatsbesuch in Großbritannien seit der Reformation ist, während die letzte Papstvisite ein Pastoralbesuch war, sondern weil sich so viel seit 1982 geändert hat. Der Papst kommt in ein England, das unter der Oberfläche noch stark von der protestantischen Ethik geprägt ist und in dem, wenn auch seit dem II. Vatikanum tief verborgen, antikatholische Ressentiments noch immer lauern.

Die Beziehungen zwischen der anglikanischen und der katholischen Kirche waren beim Besuch Johannes Pauls II. 1982 auf einem Höhepunkt. Die katholische Kirche wurde unter dem heute beinahe legendären, im ganzen englischen Volk beliebten katholischen Erzbischof von Westminster, Kardinal Basil Hume (1923–99), geachtet wie nie zuvor. Hume war ein Mann des Konzils, das vor allem wegen seiner ökumenischen Öffnung die katholische Kirche in der englischen Öffentlichkeit „rehabilitiert“ hat.

Ein viel weniger „christliches“ Land

England war damals auch noch ein viel „christlicheres“ Land als heute. In allen staatlichen und staatlich geförderten Schulen wurde etwa noch täglich vor dem Unterricht gemeinsam gebetet: Alle Schüler, egal welchem religiösen Bekenntnis sie angehörten oder ob ihre Eltern Agnostiker waren, versammelten sich täglich um neun Uhr in der Schulhalle, um mit dem Lehrpersonal zu beten und Hymnen zu singen. Christliche Gebete und Hymnen natürlich. Danach erst gingen sie in ihre Klassenzimmer zum Unterricht. Das ist heute längst nicht mehr der Fall – und auch fast unvorstellbar geworden.

Benedikt XVI. findet also ein ganz anderes England vor als sein Vorgänger. Die Städte sind multikulturell geworden und das Land als Ganzes viel säkularer. Was die ökumenischen Beziehungen zwischen der katholischen und der anglikanischen Staatskirche, dessen Oberhaupt die Königin ist, betrifft, hat sich vieles zum Schlechteren verändert. Die Frauenweihe bei den englischen Anglikanern und die Weihe eines homosexuellen Bischofs in Amerika, sowie auf katholischer Seite die Dokumente Dominus Iesus und Anglicanorum coetibus haben zu nicht unerheblichen Turbulenzen geführt.

Mehr als 400, zumeist verheiratete anglikanische Priester sind nach der Zulassung der Frauenweihe in den 90er Jahren katholisch geworden. Aber Dominus Iesus, das von der Glaubenskongregation unter Joseph Ratzinger, dem heutigen Papst, im Jahr 2000 herausgeben wurde und in welchem erklärt wird, dass die protestantischen Kirchen keine „Kirchen im eigentlichen Sinn“ sind, hat viele Anglikaner gekränkt und verärgert. Und die Frage der Bischofsweihe für Frauen und Homosexuelle drohte die anglikanische Kirche zu spalten. Kardinal Cormac Murphy O’Connor, bis 2009 (katholischer) Erzbischof von Westminster, warnte, dass jegliche Spaltung, egal in welcher christlichen Kirche, immer die ganze Kirche Jesu bedrohe.

Im November 2009, als es sicher zu sein schien, dass die anglikanische Kirche Frauen zu Bischöfen weihen würde, publizierte Rom die Apostolische Konstitution Anglicanorum coetibus, die jene Anglikaner, die gegen die Weihe von Frauen zu Bischöfen waren, einlud, katholisch zu werden, und ihnen versprach, dass sie auch als ganze Gruppen konvertieren durften und ihre anglikanische Liturgie und sogar vielleicht ihre verheirateten Bischöfe behalten könnten – als eine Art katholische Westkirche nach dem Muster der griechisch-katholischen Ostkirchen.

Nicht die „feine englische Art“

Kardinal Hume, der leise gehofft und gebetet hat, dass England eines Tages wieder katholisch werden würde, hat immer davor gewarnt, dem Beispiel der katholischen Ostkirchen zu folgen, weil solche Gruppierungen seiner Meinung nur spaltend wirken.

Die englische katholische Kirche wird nach Ansicht vieler von Rom bevorzugt behandelt, vielleicht weil es in England so viele Konvertiten gibt und viele angesehene Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben katholisch geworden sind – so etwa Expremier Tony Blair. Es gab auch keine kontroversiellen Bischofsernennungen. Aber Anglicanorum coetibus hat viele Katholiken gleichfalls ins Herz getroffen: Als Engländer empfinden sie es als „Fischen in fremden Gewässern“ und alles andre als die „feine englische Art“. Ich erinnere mich, als mitten in der Groër-Krise Jeremy Peake, der damalige anglikanische Pfarrer in Wien, mir erzählte, er habe viele Anrufe von österreichischen Katholiken bekommen, die wegen der Affäre Groër Anglikaner werden wollten. Auf meine Frage, wie er auf solche Bitten reagiere, sagte er: „Ich sage ihnen klipp und klar, dass man in stürmischen Zeiten sein Schiff nicht verlässt!“

Seit Anglicanorum coetibus wid in manchen anglikanischen Kirchen in England nicht mehr für den Papst gebetet, was seit dem II. Vatikanum bis jetzt meistens der Fall gewesen ist.

Beim kommenden päpstlichen Staatsbesuch wird sehr viel davon abhängen, wie gut der Vatikan England, den „English way of life“, aber auch die Feinheiten der englischen Sprache kennt. Vor ein paar Tagen hat der Vatikan Kardinal Newman’s Motto noch falsch übersetzt und gemeint, der künftige Selige sei Ire gewesen. Keine gravierenden, aber doch maßgebliche Fehler.

Englands Katholiken sind nervös

England denkt anders, weil es unter anderem seit Generationen ein vollkommen anderes Erziehungssystem hat. Dissens, zum Beispiel, ist etwas ausgesprochen Positives. Die Nonconformists, jene Protestanten, die sich der damaligen anglikanischen Kirche widersetzt haben, verfolgt wurden und als Pilgrim Fathers nach Amerika auswanderten, sind in englischen Augen Helden. Anders als in katholischen Ländern ist Folgsamkeit, auch bei Schulkindern, nicht unbedingt eine Tugend …

Sehr viel wird also davon abhängen, wie genau der Vatikan die Debatten über den Papstbesuch, die täglich in England in den letzten Monaten geführt wurden, beobachtet hat und wie gut Benedikt XVI. vorbereitet ist.

Englands Katholiken sind nervös. Die katholische Kirche ist eine Diasporakirche und muss mit einer sehr aggressiven Presse und sogar mit einem teilweise antikatholischen Boulevard rechnen. Es gibt zwei besonders starke Lobbys gegen den Papstbesuch, die Säkularisten und die Homosexuellen, die bereits Demonstrationen angekündigt haben. Englands Katholiken werden aber auch zur Kasse gebeten werden. Sie können auf keine Kirchensteuergelder zurückfallen und allein der Polizeischutz bei den großen Veranstaltungen kostet Millionen. Sie müssen deswegen Eintrittsgelder zu den großen Events mit dem Papst zahlen.

Es könnte aber trotzdem alles gut gehen.Wenn der Papst vor allem die katholische Soziallehre hervorhebt und die Wichtigkeit von Familie und Ehe unterstreicht – England hat eine sehr hohe Scheidungsrate und die höchste Anzahl von ledigen Teenager-Müttern in Europa – und heikle Themen wie das Thema „Dissens“ vermeidet, wird er viele Engländer, die sehen, wie ihre Gesellschaft auseinanderbricht, auf seiner Seite haben. Es wird auf den richtigen Ton und die richtige Wortwahl ankommen. Dann kann der Besuch trotz aller Turbulenzen gelingen.

* Die Autorin ist Wien-Korrespondentin der englischen katholischen Wochenschrift „The Tablet“

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