Ex-Ölmanager macht unmöglichen Kirchenjob

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In einer Liste der "most impossible jobs“ der Welt ist derjenige des Erzbischofs von Canterbury vermutlich an vorderer Stelle zu finden. Denn der Primas der Church of England und Ehrenprimas der anglikanischen Weltgemeinschaft muss Positionen zusammenhalten, die so disparat sind, dass es eigentlich infrage zu stehen scheint, hier von einer Kirchen-"Gemeinschaft“ zu sprechen. Abgesehen davon, dass sich im Mutterland der englischen Staatskirche die Säkularisierung nachhaltig bemerkbar macht, sind es Kontroversen, die die Anglikaner seit Jahren nicht zur Ruhe kommen lassen: Zuerst war es die Frauenordination zu Priesterinnen, jetzt die Bischofsweihe von Frauen sowie die Frage der Bewertung von Homosexualität und der daraus resultierenden Zulassung von homosexuell lebenden Amtsträgern und die Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

Letztere Fragen führten nicht nur zu Rissen zwischen konservativen Minderheiten auf den britischen Inseln und in Nordamerika, sondern der Graben zwischen dem Norden und dem - an Gläubigen wachsenden - Süden ist hier besonders tief. Rowan Williams, der derzeitige Erzbischof von Canterbury hat darob das Handtuch geworfen und zieht sich mit Jahresende auf eine Professorenstelle zurück.

Die Nominierung des neuen AnglikanerPrimas zog sich daher lange hin. Am 9. November war es dann soweit: Königin Elizabeth II. ernannte den bisherigen Bischof von Durham, Justin Welby, zum neuen Erzbischof von Canterbury. Der 56-Jährige war erst vor einem Jahr zum Bischof geweiht worden und hat eine außerkirchliche Karriere hinter sich: Der Absolvent der Eliteschule Eton und von Cambridge war mehr als ein Jahrzehnt als Manager im Ölgeschäft tätig. Erst mit 37 Jahren wurde er zum Priester geweiht. Welby ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.

Im Gegensatz zu seinem intellektuellen Vorgänger gehört Welby dem evangelikalen Flügel der Church of England an. In den strittigen Positionierungen nimmt er unterschiedliche Standpunkte ein. So befürwortet er die Weihe von Bischöfinnen, ist aber ein Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Bereits in der Vergangenheit hat sich Welby einen Namen als Diplomat und Vermittler gemacht, so war er als Mediator in afrikanischen Bürgerkriegen tätig. Trotz seiner Herkunft aus der typischen Upper Class hat sich Welby aber als Sozialkritiker prominent geäußert. Zuletzt kritisierte er im Oktober bei einer Rede in Zürich den Umgang mit der Finanzkrise seit 2008 scharf: In der Finanzwelt sei ein hektischer Aktivismus ausgebrochen, der aber "keinerlei sozialen Zweck“ verfolgt habe, meinte er da.

Welby ist der 105. Erzbischof von Canterbury, seit der Reformation ist dieser das geistliche Oberhaupt der Church of England, das nominelle Oberhaupt ist nach wie vor der britische Monarch. Die Leitung der anglikanischen Weltgemeinschaft ist ein Ehrenprimat, der Primas hat keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den 26 anglikanischen Nationalkirchen außerhalb Englands..

Weltweit gehören dieser Kirchengemeinschaft knapp 80 Millionen Gläubige an. Die meisten Anglikaner gibt es in den USA und Australien sowie - mit stark wachsender, auch zahlenmäßiger Bedeutung - vor allem in den ehemaligen britischen Kolonialgebieten Afrikas. Welbys Verhandlungsgeschick wird sich spätestens 2018 weisen, wenn die Weltgemeinschaft bei der nächsten "Lambeth Conference“ ihre unüberbrückbar scheinenden Gegensätze lösen muss.

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