„Für uns ist Newman nach wie vor wichtig“

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Patrick Curran ist der Pfarrer der Wiener anglikanischen Gemeinde und als Bischofsvikar für ganz Osteuropa sowie Russland bis zum Pazifik zuständig.

Die Furche: Das Bild der Anglikaner ist durch Diskussionen und Streitigkeiten geprägt.

Patrick Curran: Dass es in Fragen der Frauenweihe und der Segnung homosexueller Partnerschaften unterschiedliche Ansatzpunkte und Auffassungen gibt, ist richtig. Das liegt daran, dass die anglikanische Kirchengemeinschaft aus eigenständigen, unabhängigen, nationalen Kirchen besteht, die alle ihre eigene Ordnung und auch ihre eigenen Standpunkte zu strittigen Fragen haben. Was die Kirchen heute in erster Linie verbindet, ist eine gemeinsame Kirchengeschichte und eine liturgische Tradition zusammen in der Gemeinschaft mit dem Erzbischof von Canterbury.

Die Furche: Glaubt man den Medien, dann gibt es auf der Insel bereits jetzt mehr praktizierende Katholiken als Anglikaner, dazu noch viele Anglo-Katholiken.

Curran: Die Kirche von England hat natürlich wie andere Kirchen ihre Probleme, auch was die Mitgliederzahl betrifft. Es gibt mehr römisch-katholische Christen die Sonntagsgottesdienste besuchen, ob es mehr praktizierende als Anglikaner gibt, bezweifle ich. Fest steht: Viele Einwanderer waren und sind römisch-katholisch.

Die Furche: Es gibt doch aber auch Anglikaner, die sich zur römisch-katholischen Kirche hingezogen fühlen.

Curran: Klar, diese Anglikaner haben Schwierigkeiten damit, dass Frauen zu Priestern geweiht werden oder mit der sich ändernden Sexualethik. Doch die meisten sind noch in der Kirche. Zwar haben rund 250 Priester bei Einführung der Frauenweihe die anglikanische Kirche in Richtung Rom verlassen, in den Jahren unmittelbar danach wurden rund 1000 Frauen zu Priesterinnen geweiht, also wenn man so will ein vierfacher Zugewinn. Der Punkt ist: Einige sind unzufrieden mit der Kirche, sie würden aber die Kirche nie verlassen, weil sie Engländer sind und in der Kirche von England bleiben wollen. An dieser Haltung wird sich auch nichts ändern, sollten einmal Frauen zu Bischöfinnen geweiht werden. Und ich gebe zu bedenken, dass Übertritte in beide Richtungen passieren. Es gibt Römisch-katholische, die der Kirche von England beitreten.

Die Furche: Und doch hat der Papst 2009 mit dem Dokument Anglicanorum coetibus die Möglichkeit für diese Anglikaner geschaffen, in die römisch-katholische Kirche überzutreten unter Beibehaltung der anglikanischen Traditionen – eine Provokation?

Curran: Das sehe ich nicht so. Der Papst hat auf die Wünsche einiger Anglikaner reagiert und diese Möglichkeit für sie geschaffen. Das ist legitim. Was aber kritisiert werden muss, ist die Art der Umsetzung. Obwohl der Papst und der Erzbischof von Canterbury zahlreiche Gespräche führten und in Kontakt standen, erfuhr Letzterer erst einen Tag vor der offiziellen Publikation davon.

Die Furche: Der Anlass für den Papstbesuch ist die Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman. Welche Rolle spielt er für die Anglikaner heute?

Curran: Für uns ist Newman nach wie vor wichtig, trotz seiner Konversion. Man darf nicht vergessen, er ist erst mit Ende 40 übergetreten, dass heißt seine früheste und tiefgreifende kirchliche Formung als Christ geschah in der Kirche von England. Er ist und bleibt eine der großen christlichen Persönlichkeiten im 19. Jahrhundert, auch für uns.

Die Furche: Welche Position würde Newman heute einnehmen?

Curran: Newman würde auf jeden Fall darauf achten, dass der ökumenische Dialog voranschreitet, aber dass alle wichtigen Fragen nur gemeinsam von allen Kirchen angegangen werden können. So wäre er wohl gegen eine Weihe von Frauen zu Bischöfen in der Kirche von England, da dies das ökumenische Gespräch in Richtung Rom und Konstantinopel erschweren würde.

* Das Gespräch führte Stefan Janits

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