6594905-1952_51_10.jpg
Digital In Arbeit

Der Throneid und die englischen Katholiken

Werbung
Werbung
Werbung

Die feierliche Krönung Königin Elisabeths II, die im nächsten Juni stattfinden wird, wirft ihre Schatten voraus, und der Krönungsrat ist jetzt vollauf mit den Vorbereitungen für diesen großen Tag beschäftigt. Eine Krönung ist aber in erster Linie ein religiöser Akt, nicht nur ein öffentliches Schauspiel, und als solcher bedeutungsvoll für alle Christen. Das heutige Zeremoniell in der Westminster- abtei gleicht dem der ersten Krönung in der Abtei im Jahre 1066 — so scheint es wenigstens, denn die anglikanische Kirche betrachtet sich bekanntlich als die „katholische reformierte Kirche Englands“. Die Substanz der katholischen Lehre aber ist diesem Zeremoniell, sosehr es auch die Kontinuität der christlichen Tradition in England durch die Jahrhunderte bestätigt, verlorengegangen. Um die Frage des Krönungseides im besonderen ist jetzt erneut ein altes Problem zwischen englischen Katholiken und Anglikanern aufgeworfen worden, an dem sich die nonkonformistischen Kirchen, die der Methodisten, Baptisten, Unitarier, denen es um das christliche Dogma nicht so ernst ist, weniger beteiligen.

Anlaß dazu war eine Predigt, die der anglikanische Bischof von Monmouth, Dr. Morris, kürzlich in der Westminster- äbtei hielt. Dr. Morris erklärte:

„Die anglikaniche Kirche ist keine neue, von Heinrich. VIII. oder Elisabeth I. gegründete Kirche. Sie ist die alte Kirche dieses Landes, reformiert zwar, aber dennoch katholisch. Nirgendwo in ihren offiziellen Formeln oder Dokumenten bezeichnet sich die anglikanische Kirche als protestantisch, sondern betont oder deutet ihren Anspruch an, die katholische Kirche in England zu sein ... Das Wort .protestantisch' wurde al6 Bezeichnung der deutschen Lutheraner eingeführt, die gegen die Glaubenslehre der römischen Kirche protestierten. Da die anglikanische Kirche gleichfalls protestierte, wurde diese Be- zeidinung von einigen ihrer Autoren auch auf sie angewandt, aber das War itre- führend. Eine falsche Ansicht folgerte daraus, daß die anglikanische Kirche, wie die lutheranische, durch den Protest gegen die römischen Irrtümer ihres katholischen Charakters verlustig ging."

Es handelt sich hier um die alte Streitfrage der Gültigkeit der anglikanischen Weihen. Die anglikanische Kirche gründet sich bekanntlich auf ihre apostolischen Ursprünge und behauptet, daß die Reformation im wesentlichen keine Änderung der Glaubenslehre, sondern nur eine eher administrative Verlegung des kirchlichen Hauptquartiers von Rom nach Canterbury mit sich gebracht hat. Die Predigt des Bischofs von Monmouth richtete sich gegen die heutige Formulierung des Throneides und zeigt in besonderem Maße das Dilemma der Staatskirche. Der Eid, den die Königin in die Hände des Erzbischofs von Canterbury ablegen wird, lautet:

„Werden Sie die Gesetze Gottes und das wahre Bekenntnis dės Evangeliums zu ihrem besten Vermögen aufrechterhalten? Werden Sie die protestantisch reformierte Religion, wie sie gesetzlich besteht, im Vereinigten Königreich aufrechterhalten? Werden Sie die Bestellung der Church of England, ihre Lehre, Gottesdienst, Diszi- ziplrn und Regierung, wie sie gesetzlich besteht, aufrechterhalten und unversehrt bewahren? Und werden Sie die Rechte und Privilegien bewahren, die den Bischöfen und Klerus von England und ihren Kirchen gesetzlich zustehen oder zugestanden werden?“

Mit diesem Eid wird die sogenannte „protestantische Nachfolge“ des Thrones gesichert, wie dies auch der Eid tat, den die Königin am 4. November bei der Parlämentseröffnung abletjte und ln dem sie erklärte: „Ich bin eine treue Protestantin." Der Erzbischof von Canterbury administriert diesen Eid nun nicht im Namen der Kirche, sondern im Namen des Staates, der durch Parlamentsbeschluß vom Februar 1937 diese Formel festlegte. Bis zum Jahre 1910 war noch die von Dr. Morris wohlweislich nicht erwähnte Formel aus der 1689 erlassenen Bill of Rights gebräuchlich gewesen, die eine viel deutlichere Absage äh die Transsubstan- tiation, Muttergottesverehrung und das Meßopfer enthielt. Die Bemühungen des Bischofs von Monmouth, den Anglikanismus seines protestantischen Charakters zu entledigen, wurden von katholischer Seite beantwortet.

Pater Joseph ChriStie S. J. wies auf die Verwechslung spiritueller mit rechtlicher Kontinuität hin:

„Das Kennzeichen des Katholizismus ist die Verbundenheit mit Rom, und als diese verschwand, verlor auch die Lehre ihre Kraft, den Irrtümern zu widerstehen. Die Lehre der anglikanischen Kirche ist nach wie vor vom Willen des Parlaments abhängig, und dem Einfluß dieses Willens ist es zuzuschreiben, daß die anglikanische Kirche immer die vorherrschende politische Richtung vertreten muß. Thomas More und Bischof Fisher starben, indem sie sich einer solchen Situation widersetzten; Kardinal Mindszenty und Erzbischof Stepinafc sind heute in der gleichen Lage.“

Father Christie wies auf die Neuausgabe des änglikäniscben Prayer Book hin, das im Jahre 1928 vom Unterhaus, also von Politikern ohne besondere theologische Befähigung, debattiert und ab- gelehht werden konnte.

Dr. D w y e r, der Superior der Catholic Misšionarįr Söclety, zitierte die Eidesformeln, die die Erzbischöfe von Canterbury bei ihrer Wahl zu sdiwören hatten. Vor der Reformation war dies eine Erklärung der Treue und des Gehorsams „zum heiligen Petrus und der heiligen apostolischen römischen Kirche und zu meinem Herrn, dem Papst“; nach der Reformation mußte dem König gegenüber ein Bekenntnis abgelegt werden, das ihn als „Oberhaupt des Landes in geistigen und kirchlichen \frie auch zeitlichen Dingen anerkennt". Father Dwyer fuhr fort:

„Wenn man den Gottesdienst, die Lehre und maßgebliche Authdrität einer, Kirche ändert, ist es Wortverdrehung, zu behaupten, daß keine wesentliche Änderung stattgefunden habe.“

Und der Franziskaner Pater Agnellus Andrew, der die BBC in katholischen Belangen berät, Schrieb im „Caiholic Herai d", daß Dr. Morris, wenn ihm sd sehr daran gelegen sei, den protestantischen Charakter der anglikanischen Kirche abzustreiten, sich doch zwei Fragen stellen möge: In der alten Kirche Englands war die Messe der eine wesentliche Ändächts- akt, ein echtes Opfer Und die Erneuerung des KreuzfesopfferS. Wird dies in der Church of England heüte so gėšehen? — Hatten die nachreförmatönscheh anglikanischen Bischöfe wirklich die Absicht, Priester zu ordinieren, die das Meßopfer für die Lebfenden und Toten darbringen?

Dr. Morris’ Antwort mußte wohl verneinend lauten, aber seine Ansichten entsprechen zweifellos denen einer wachsenden Zahl von anglikanischen Christen, die die Trennung der Staatskirche vom Staat anstreben. Was das Krönüngszeremoniell betrifft, spricht besonders hiefür der völlig ändere Charakter der Kirche von Schottland, deren Supremat Königin Elisabeth II. gleichfalls irinehat, denn die Kirche von Schottland ist presbyterianisch. Wenn sich daher die Königin nach der Londoner Krönung nach Edinburgh begibt, wird sie in der dortigen Kathedrale als Haupt einer Kirche anerkannt werden, der eine bischöfliche Kirchenordnung als häretisch erscheint.

Hier liegt zweifellos ein ernstes Problem für Anglikaner wie den Bischof von Monmouth vor, die den „katholischen“ Charakter ihrer Kirche bewahrt sehen möchten. Dr. G a r b e 11, der Erzbischof von York, der sich auch stark um die Trennung von Kirche und Staat bemüht, schreibt in seinem Buch „Church and State:

„Wir besitzen eine Kirche, deren erste Geistliche von einem NichtchriSten (das heißt dem jeweiligen Premierminister) nominiert werden können; deren öffent- lidier Gottesdienst nur mit Erlaubnis einer Versammlung, 'die nicht notwendigerweise christlich Sein muß, geändert Werden kann; deren heilige Synode nur mit Erlaubnis des Staates Zusammentreffen uhd Regeln für ihre eigenen Mitglieder aufstellfeh darf; und deren Lehre letzten Endes von Laien interpretiert wird, die weder Kirchengläubige noch Anglikaner zu sein haben.“

Die englischen Katholiken werden mit diesen Sorgen sympathisieren müssen, aber, wie die katholische Presse hier bemerkt hat, es handelt Sich um Feststellungen, die vierhundert Jahre zu spät kommen. Dr. Morris griff die englischen Katholiken an, daß sie es seien, die die anglikanische Kirche als „protestantisch" gestempelt hätten. Es mag etwas Wahres daran sein, denn die theologische Kompromißstellung des Anglikanismus ist leicht verkennbar, aber letzten Endes geht es darum ob die Bezeichnung zutrifft oder nicht. Es wird zweifellos schwer sein, die heutige anglikanische Kirche in ihrer Gesamtheit zur Annahme des Satzes zu brin gen, den noch Heinrich VIII. in sein Änti- Luther-Buch schrieb und für welches ihm der Papst den Titel „Fidei Defensor" Verlieh: „Welch ein großes Glied des Teufels ist derjenige, der danach strebt; die christlichen Glieder Christi von ihrem Haupt zu trenhen?"

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung