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Abgebaute Vorurteile

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Johannes Paul II, hat mit seinem Besuch in England, Schottland und Wales in der vergangenen Woche einen wichtigen Beitrag zum anglikanischkatholischen Dialog geleistet.

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Johannes Paul II, hat mit seinem Besuch in England, Schottland und Wales in der vergangenen Woche einen wichtigen Beitrag zum anglikanischkatholischen Dialog geleistet.

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Man sah dem Papst an, daß er zufrieden war, als er am Dienstag, dem 1. Juni spätabends in Rom aus dem Flugzeug stieg. Er hatte die erste große Reise, die nach dem 13. Mai 1981 ohne Schonprogramm verlief, gut überstanden, er hatte sich die Herzen der sonst so kühlen Briten erobert und konnte einen beachtlichen ökumenischen Erfolg nach Hause mitbringen. „Ich bin in dieses Land als Pilger, Seelsorger und Diener Jesu Christi gekommen”, erklärte er während seiner letzten Veranstaltung mit über 40.000 Begeisterten, immer wieder skandiert „John Paul” rufenden Jugendlichen in Cardiff.

Die Betonung der Bibel und der Sakramente der Kirche sowie der für Papst Wojtyla gänzlich ungewohnte Verzicht auf eine betonte Marienverehrung zeigen, daß dieses Reiseprogramm ökumenische Zielsetzungen hatte.

Der Vormittag des 29. Mai wird in die Geschichte Englands eingehen. Eine nicht endenwollende Prozession von Abordnungen der Regierung, der Behörden, der

Rechtsprechung, des Universitätswesens, kurz von allem was in England Rang und Namen hat, zog in die altehrwürdige Kathedrale von Canterbury ein. Dann die kirchlichen Würdenträger der anglikanischen Staatskirche — Kontinentaleuropäer mochten den Eindruck gehabt haben, einen monumentalen Kulturfilm über ein Ereignis aus dem 17. Jahrhundert zu sehen. Doch der Engländer liebt Tradition und Würde im öffentlichen Leben des Staates und der Kirche.

Das alles konnte die tiefe Tragik, die über Canterbury lastet, höchstens für diesen denkwürdigen Vormittag kurz vergessen lassen. Hier stand nämlich einst eine der größten Klosteranlagen des Abendlandes. Hier war nach Rom, Jerusalem und Santiago di Compostela der größte Wallfahrtsort der Christenheit. Hier wurde der berühmte Schrein, der die sterblichen Uberreste des Märtyrerbischofs Thomas Becket enthielt, verehrt. Doch als König Heinrich VIII. in der Folge seines Bruchs mit Rom und in Nachahmung reformatorischer Vorgänge außerhalb Englands Klöster aufhob und den Becketschrein unauffindbar verschwinden ließ, war der Geist von Canterbury tödlich getroffen.

435 Jahre nach dem Tod Heinrichs VIII. zog Robert Runcie, nach anglikanischer Zählung der 102. Erzbischof von Canterbury, feierlich in die Kathedrale ein.

Auf dem Kopf trug er zum Zeichen seiner Bischofsweihe die Mi-tra, in der Hand hielt er zum Zeichen seiner Jurisdiktion einen prunkvollen Hirtenstab. Daneben ging Papst Wojtyla der hohe, geehrte Gast, Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, die die anglikanischen Weihen nicht anerkennt, auch nicht deren geistliche Jurisdiktion.

Das der Papst in einer solchen Weise in die Kathedrale einzog, stellt seinen festen ökumenischen Willen unter Beweis den man ihm noch vor wenigen Jahren absprechen wollte. Zum Abschluß unterzeichneten Papst und Erzbischof eine Erklärung. In ihr verpflichteten sie sich in drei Punkten:

Einsetzung einer neuen gemeinsamen Kommission, welche die bisherige ablösen, deren Arbeit fortsetzen und noch bestehende Kontroversen nach Möglichkeit einer Lösung zuführen soll; gegenseitiges Verstehen und brüderliche Liebe zwischen den beiden Kirchen zu fördern und schließlich über die erhoffte Wiedervereinigung hinaus für die Einheit aller Christen zu arbeiten.

Eine Pastoralreise

Im wesentlichen war aber die Reise nach Großbritannien eine Pastoralreise mit großen Eucharistiefeiern, wie wir sie von den vorausgegangen Reisen kennen. Eine systematische Betonung erfuhren diesmal die Sakramente durch die Spendung der Taufe in der Westminster-Kathedrale von Lohdon, der Firmung in Canterbury, der Priesterweihe in Manchester im Verlauf der größten Eucharistiefeier in der englischen Geschichte, und der Erstkommunion in Cardiff.

Auch diesmal zeigte Papst Johannes Paul II. seine außergewöhnliche charismatische Ausstrahlungskraft auf junge Menschen.

Der pastorale Erfolg dieser Reise, etwas verdunkelt durch die gegenüber den Vorausschätzungen merklich geringere Beteiligung ah den Großveranstaltungen, hatte seine Rückwirkung auf die Ökumene. In diesen sechs Tagen konnten zahlreiche interessierte Anglikaner und Protestanten in den ausgezeichneten Fernsehübertragungen ein erweitertes Bild von der römisch-katholischen Kirche erhalten. In sechs Tagen wurden viele Vorurteile abgebaut und vielleicht liegt darin der bedeutendste und nachhaltigste Erfolg dieser 12. großen Pastoralreise.

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