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Rom und England

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In großer Stille hat am Freitag in der ersten Adventwoche 1960 Papst Johannes XXIII. den Erzbischof-Primas der Kirche von England, Dr. Fisher, empfangen.

Rom und Canterbury machen nicht viel Worte um das außerordentliche Ereignis. Dr. Fisher selbst hat es kurz als „ein historisches Ereignis“ angesprochen. Skizzieren wir zuerst kurz die Bedeutung dieser Begegnung für den römischen Katholizismus. Es ist heute ein offenes Geheimnis, daß Papst Johannes XXIII. in seinen ursprünglichen Wünschen, Plänen und Hoffnungen für das Römische Weltkonzil im Kreis seiner Mitarbeiter und der Mächte in Rom nicht durchdrang. Der Apparat, die Traditionen, die geistlichen Ämter lasten mit der ganzen Wucht ihrer Geschichte und ihrer Präsenz in der Gegenwart nicht zuletzt auf dem Heiligen Vater. Pius XII. hat in seinen stärksten Jahren unter ihrer Last gestöhnt. Es ist also nicht möglich gewesen, wie da und dort zunächst gedacht, erhofft, erbeten wurde, daß das kommende Römische Konzil bereits die Einigung mit den getrennten Brüdern in der Ostkirche und im Protestantismus mit zur Debatte stellen und diese als Teilnehmer empfangen sollte. Weder dej Großkörper des römischen Katholizismus noch die Weltkörper der Orthodoxie, geschweige denn die in sich gespaltenen protestantischen Kirchen und Konfessionen sind am Morgen des Atomzeitalters bereits so weit beweglich, mobil, um die Last der Geschichte so weit abwerfen zu können, daß sie wirklich Innerlich freier sich begegnen könnten.

Da wählt nun Papst Johannes XXIII. einen anderen Weg. Resolut sucht er persönliche Begegnungen mit führenden Repräsentanten der nipht der römischen Kirche assoziierten und uniierten Kirchen. So empfing er Männer der Ostkirche, so empfing er soeben den Primas der Kirche von England. Zwei Aufgaben hat sich hier der Heilige Vater gestellt: durch persönliche Begegnung die ungeheure Last des Mißtrauens abzutragen, das gegen „Rom“ in der Christenheit jenseits seiner Mauern schwelt, und zu konkreter Zusammenarbeit bei der Lösung von Aufgaben und Arbeiten zu kommen, die die ganze Christenheit angehen.

Es hat tiefere, ernstere Bedeutung, als unsere kurzlebige Gegenwart sehen will, wenn nun Dr. Fisher in seiner Predigt in der englischen Allerheiligenkirche in Rom am Vorabend seines Papstbesuches erklärte: Die Periode des kalten Krieges zwischen den beiden Kirchen ist zu Ende. Koexistenz tritt an ihre Stelle, Zusammenarbeit in einigen möglichen praktischen Dingen — er besuchte Kardinal Bea, den Vorsitzenden des Sekretariats für die Beziehungen zu den getrennten Kirchen in der vorbereitenden Kommission des Ökumenischen Konzils. Diese seine Worte, „Die Epoche des kalten Krieges ist zwischen uns vorüber“, können in Europa und darüber hinaus begründete gute Hoffnung erwecken: nichts hat sosehr Europa und seine Christenheit und die Glaubwürdigkeit des Christentums in aller Welt in den letzten Jahrhunderten geschwächt als der kalte und heiße Krieg der Christen widereinander. Seine Härte, seine Realität kann nicht überschwiegen, nicht durch schöne Worte aus der Welt geschaffen werden, sondern eben nur durch jene große Brüderlichkeit, die Papst Johannes XXIII. als Modell, als verpflichtendes Vorbild den Katholiken für alle ihre Auseinandersetzungen in der einen Welt vorstellt, vorlebt. Das ist nicht zuletzt die weltpolitische Bedeutung der Adventbegegnung 1960 zwischen dem Bischof von Rom und dem Bischof von Canterbury.

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