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Das Konzil

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78 Jahre alt war Kardinal Roncalli, als er zum Papst gewählt wurde. Ein Uebergangspapst, meinten viele. Und sie glaubten ein besonderes Zeichen der Weisheit der Kirche darin zu sehen, daß sie in diesen Zeiten ungeheurer Veränderungen vorsichtig einen Mann zu ihrem Oberhaupt bestellte, der bloß den Platz halten sollte für einen späteren Papst, der dann für die Kirche die Folgerungen aus dieser Zeit der Veränderung ziehen sollte. Wenige Monate sind seither vergangen. Und die Welt, wir alle, kommen aus dem Staunen nicht heraus. Wie hat der Papst uns allen bewiesen, daß die Kraft der menschlichen Persönlichkeit auch das größte Amt mit neuen Formen erfüllen kann, wenn die Gnade auf ihr liegt!

Nun hat der Heilige Vater ein neues Konzil angekündigt. Ein neues Konzil? Oder die Fortsetzung des nicht ordnungsgemäß geschlossenen Konzils von 1869? Das Thema läßt vermuten, daß es sich um ein neues Konzil handelt. Dieses Konzil, erklärte Papst Johannes XXIII. am Sonntag in St. Paul vor den Mauern in Rom, soll nicht nur zur Erbauung des christlichen Volkes dienen, sondern auch die von Rom getrennten christlichen Gemeinden aufmuntern, zusammen die Grundlagen für eine Rückkehr zur Einheit zu suchen. Diese christliche Einheit, die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen, ist ein Gedanke, dem der Heilige Vater schon bei seiner ersten Rede einen besonderen Platz eingeräumt hat und auf den er in allen seinen öffentlichen Aeußerungen seither immer wieder zurückkam.

Johannes XXIII. kündigte die Einberufung eines neuen Konzils am letzten Tag der Weltgebetsoktav an, in der Christen aller Bekenntnisse für die Wiedervereinigung beten. Seit Jahrhunderten wird die Trennung der Kirchen beklagt. Seit Jahrzehnten wird in der Weltgebetsoktav um ihre Wiedervereinigung gebetet. Aber, ob es jemals dazu kommen könnte und wie es dazu kommen könnte, wagte niemand zu sagen. Johannes XXIII. hatte seine Aufforderung, die Einheit der Kirche wiederherzustellen, vor allem an die Kirche des Ostens gerichtet, und der Patriarch der Orthodoxen Kirche in Konstantinopel hat diese Worte des Papstes aufgegriffen. Daß aber ein allgemeines Konzil in unseren Tagen sich mit dieser Frage ernstlich befassen wird, das wagte niemand zu hoffen. In diesem Zusammenhang verdient eine weitere Aeußerung des Heiligen Vaters, die er im Anschluß an die Ankündigung des Konzils machte, besondere Beachtung. Er sprach von einer Promulgation des neukodifizierten Rechtes der Ostkirche, das ist also des Kirchenrechtes der mit Rom uniierten östlichen Riten, sowie von einer Ueberarbeitung des Codex iuris canonici, des allgemeinen Kirchenrechtes. Wieweit hierbei Fragen des Zölibates eine Rolle spielen, wie sie von einem Teil der Presse in Erwägung gezogen werden, sind reine Kombinationen.

Das Pontifikat Pius’ XII. war ein Höhepunkt in der Geschichte der Kirche. Daß ein Höhepunkt niemals Abschluß bedeutet, sondern daß die Verheißung ewigen Bestandes, die de' göttliche Stifter Seiner Kirche mitgegeben hat, auch ewige Erneuerung bedeutet, hat Johannes XXIII. bewiesen. Der Papst hat gesprochen, die Kirche die Christenheit, die ganze Welt horcht auf!

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