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Die Frau Bischof

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„Wir fordern eine Gemeinschaft — nicht ein Empire, eine Föderation oder eine Jurisdiktion — eine Gemeinschaft am Tisch des Herrn.“ Mit diesen Worten charakterisierte der englische Primas, Erzbischof Robert Runcie, jenes Band, das 525 Bischöfe aus 27 autonomen Provinzen der anglikanischen Weltgemeinschaft, zur XII. Lambeth-Konferenz im kentischen Canterbury versammelt, zusammenschließt.

Und doch: Eben diese Gemeinschaft ist angesichts der Divergenzen von Meinungen und Taten in Frage gestellt.

Gastgeber Runcie ist kein Papst, nicht einmal ein Führer,

sondern Erster unter Gleichen, mit dem einzigen Vorrecht, die Teilnehmer auszuwählen und nach Canterbury, nicht in den für diese Teilnehmerzahl viel zu kleinem Lambeth-Palast in London, einzuladen. Als Schiedsrichter im 'freundschaftlichen Cricketspiel der Kirchenführer hatte aber Runcie letztes Wochenende mehr Entscheidungsgewalt als im Vorsitz der Bischofskonferenz.

Die Position des 102. Nachfolgers des heiligen Augustinus von Canterbury ist delikat: Er hat nicht nur alle Hände voll zu tun, um die verschiedenen Strömungen der englischen Hochkirche wenigstens notdürftig zusammenzuhalten, er muß sich auch im Kreise der Bischöfe aus allen Kontinenten bemühen, eine Struktur der Autorität zu finden, um von der jeweiligen Unabhängigkeit der Schwesterkirchen zu einer wechselseitigen Abhängigkeit zu gelangen. Dem unentschlossenen und weichen Runcie wird dieses Kunststück am wenigsten zugetraut, zumal er über keine Machtbefugnis verfügt, die

Vereinigung autoritär durchzusetzen.

Autorität ist denn auch im Universitätsgebäude von Canterbury das zentrale Problem, von dem alle anderen ausgehen. Die Bischöfe auf der Versammlung sind sich wohl einig, daß etwas getan werden muß, kaum einer aber will sein Scherflein dazu leisten.

Erzbischof Robert Eames, irischer Primas und als Nachfolger von Runcie in Canterbury favorisiert, legt den Finger auf die Vielfalt des Anglikanismus: „Wir haben eine gestreute Autorität, jede Provinz ist autonom. Wir wollen Vielfalt, wir wollen nicht in allem übereinstimmen. Wir sind eine Gruppe von Mitchristen, die in verschiedensten Teilen der Welt mit ihren spezifischen Problemen lebt. Letzten Endes aber müssen wir uns fragen: Wohin gehen wir? Wer spricht für uns und entscheidet, wohin wir gehen?“

Autonomie und Nationalität haben ihre geschichtlichen Wurzeln. Auf der Grundlage der Ablehnung des Papsttums — als Zurückweisung einer fremden Macht - hat sich die englische Hochkirche gebildet.

Die Schwesterkirchen etablierten sich, diesem Beispiel folgend, zu nationalen Religionsgemeinschaften, die einzelnen Provinzen fallen mit nationalen Grenzen zusammen. Eine „Vergöttlichung des Nationalismus“, wie dieses Phänomen von der „Times“ genannt wird. Jede einzelne wacht eifersüchtig auf dieses Recht nationaler Souveränität, wobei sich die globale Zusammengehörigkeit nur noch auf Tradition und Geschichte stützt.

Bei aller Freundschaftsbezeugung wird diese Absonderung von anderen auch in Canterbury sichtbar. Amerikanische Bischöfe bleiben den Gottesdiensten der anderen fern, um solchermaßen dagegen zu protestieren, daß Frauen die höheren Weihen vorenthalten werden.

Die Einheit in Canterbury wird seltsamerweise nur von außen anerkannt: Papst und ökumenischer Patriarch sandten Grußbotschaften an die Bischofsversammlung in England. Rom und Konstantinopel betonten freilich, daß die Zulassung von Frauen zum Priestertum — oder gar Episkopat — ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg der Ökumene und Wiederversöhnung sein würde. Insbesondere der anglo-katholische Flügel der englischen Hochkirche lehnt die Priesterweihe für Frauen vor allem deshalb ab, weil sie den Weg zur christlichen Vereinigung verbaut.

Die letzte Konferenz?

„Unsere Einheit ist über die Weihe von Frauen zu Priestern oder Bischöfen bedroht, ganz gleich, wie wir uns entscheiden“, hob Runcie gleich zu Beginn die brennendste Kontroverse auf der Konferenz hervor. Auf der letzten Lambeth-Konferenz vor zehn Jahren wurde es den einzelnen Kirchen freigestellt, Frauen zum Priesteramt zuzulassen. Mittlerweile üben Frauen in Amerika und in Fernost ihr Amt aus, nachdem sie demokratisch von Laien und Klerus in ihrer Provinz dazu bestellt worden waren.

Die Episkopalkirche in den USA bereitet die erste Bischofsweihe an Frauen vor, wartet damit aber bis nach der Lambeth-Konferenz zu. Die neuseeländischen Anglikaner folgen nächstes Jahr mit einer Frauen-Bischofsweihe, ohne Rücksicht darauf, was die anglikanischen Bischöfe in ihrer Gesamtheit beschließen.

Diese Entwicklung könnte das Ende der Bischofsversammlung sein. Denn Frauen mit dem bischöflichen Brustkreuz wären vielen hohen anglikanischen Würdenträgern unannehmbar. Daran wird sich auch in zehn Jahren prinzipiell nichts ändern.

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