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„Komm, heiliger Geist...

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Erstmals hatte der Ökumenische Rat der Kirchen ein Gebet zum Thema: „KommheiligerGeist, erneuere deine ganze Schöpfung”. Dieses Gebet hat die 7. Vollversammlung begleitet, durch die Gottesdienste bis hinein in die Abschlußpapiere, und war so ein gutes Gegengewicht gegen den ständigen Aktionismus und die Aufrufe, was die Kirchen in der Welt alles tun müßten.Das Zeichen dieser Versammlung war die Taube, in der man aber auch Flammen beziehungsweise Segel eines Schiffes erkennen konnte: Zeichen der Bewegung und Verwandlung dort, wo der Geist Gottes die Erde und die Menschen belebt und erhält.

Schon zur Vorbereitimg haben wir soviel Material zugeschickt bekommen, daß es nur wenige Teilnehmer wirklich verarbeiten konnten. Erst recht war die ganze Vollversammlung von einer Papierflut begleitet. Als in der zweiten Woche Programmrichtlinien für die Weiterarbeit des ORK, acht öffentliche Erklärungen vom Golfkrieg bis El Salvador, die Berichte der vier Sektionen und die abschließende Botschaft der Vollversammlung in immer kürzeren Abständen vorgelegt, diskutiert und verabschiedet wurden, hatte wohl mancher den Eindruck, daß die Fülle der Wörter die Botschaft des Wortes eher verdeckte als aufbereitete.

Der Eröffnungs- und Schlußgottesdienst, ein Gottesdienst zum konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung nach dem Schweigemarsch durch die Innenstadt von Canberra, ein Abendmahlsgottesdienst nach der Lima-Liturgie und die täglichen Gottesdienste am Morgen haben tief beeindruckt und waren Höhepunkte dieses Treffens.

Besonders wertvoll und unvergeßlich waren mir die Begegnungen, zu denen auf dieser Vollversammlung viel Gelegenheit war. Ehrwürdige Erzbischöfe und Metropoliten aus den orthodoxen Kirchen, lutherische Christen aus Äthiopien, ein schwarzer Bischof aus Südafrika, eine anglikanische Bischof in, farbige Pfarrerinnen aus den USA, unsere Brüder und Schwestern aus den lutherischen Minderheitskirchen in Osteuropa und Jugoslawien; unterwegs und beim Essen, in den Gottesdiensten und in den Arbeitsgruppen, haben die Kirchen mit ihren Freuden und ihren Leiden auf diese Weise ein Gesicht bekommen durch die Schwestern und Brüder dieser wahrhaft pfingstlichen Begegnung.

Daß diese Vielfalt dann auch Probleme mächte bei der Zusammensetzung der 150 Mitglieder des Zentralausschusses und Vor allem bei der Wahl der sieben Präsidenten, die nur so zu Ende gebracht werden konnte, daß ein achter Präsident aus Afrika nominiert werden durfte, wen wundert's? Auch die Familie der Christen zeigt ihre Liebe nicht im Vertuschen, sondern im Bewältigen von Konflikten.

Vertreter der Ureinwohner Australiens haben im vollen Schmuck die Besucher des Eröffnungsgottesdienstes empfangen und zum Betreten des Landes eingeladen. In einer eigenen Plenarveranstaltung haben sie dann ihre Leidensgeschichte dargestellt, die damit begonnen hat, daß die weißen Einwanderer vor 200 Jahren diesen Kontinent zum Niemandsland erklärt und ohne Rücksicht auf die Ureinwohner in Besitz genommen haben. Die Vollversammlung hat dann in einer „Erklärung zu Urvöl-kern und Landrechten” die Mitgliedskirchen aufgerufen, „über bloße Worte hinauszugehen und konkret zu handeln”, um „Gerechtigkeit durch Souveränität, Selbstbestimmung und Landrechte für die Urvölker zu erreichen”.

Es gab auch eine eigene Plenarsitzung „Die Solidarität der Kirchen mit den Frauen”, in der einerseits festgestellt wurde, daß „die Unterwerfung und Ausbeutung der Frauen und die Weigerung, ihre volle Menschenwürde anzuerkennen, zu der Zerbrochenheit von Kirche und Gemeinschaft beigetragen haben”, anderseits die Kirchen aufgerufen werden, „die Gaben anzuerkennen, die die Frauen in das Leben von Kirche und Gesellschaft einbringen.” In der Vollversammlung selbst haben die Frauen eine ausgesprochen aktive und konstruktive Rolle gespielt und sind in den meisten Gremien auch in der vorgegebenen Quote von 40 Prozent präsent. Weniger ist dies bei den Jugendlichen der Fall gewesen, die ihre Quote von 20 Prozent nirgends erreicht haben.

Auf dem Hin-und Rückflug konnten wir das Kriegsgebiet weiträumig umfliegen. Auf der Vollversammlung mußten wir mitten hinein in das Für und Wider um diesen schrecklichen Krieg. Einig waren sich alle darin, daß der Irak Kuweit wieder räumen müßte; aber große Differenzen gab es über die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein”, so hieß es nach den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges bei der Gründung des ORK 1948 in Amsterdam. Die amerikanischen Kirchen, die Kirchen des Mittleren Ostens und alle Kirchen aus den Entwicklungsländern schlössen sich diesem eindeutigen Votum an, forderten so schnell wie möglich einen Waffenstillstand und riefen vor allem die UNO auf, ihre Verantwortung in diesem Konflikt wieder wahrzunehmen. Englische Anglikaner und andere Europäer wiesen auf das Jahr 1938 hin und warnten vor dem Nachgeben gegenüber einem menschenverachtenden Diktator.

Ein heftiger Streit entbrannte um die Frage, wieweit der Staat Israel beziehungsweise das jüdische Volk in dieser Erklärung als schutzbedürftig bezeichnet werden sollte. Ein Abschnitt entsprechend dem Schlußdokument von Seoul („Wir rufen die Kirchen auf, alle theologischen und moralischen Rechtfertigungen der Benutzung militärischer Macht aufzugeben...”) hätte eine Verabschiedung dieses Dokumentes fast in Frage gestellt und wurde dann wieder gestrichen.

Mit einem Appell an die Kirchen „nicht nachzulassen in ihrem Gebet und in ihrer Seelsorge für die führenden Politiker, und vor allem für die, die an allen Seiten in diesen tragischen Krieg verwickelt sind oder unter ihm leiden müssen”, an die Vereinten Nationen und an die Staaten und ihre führenden Politiker, das Völkerrecht zu wahren und „Verhandlungen mit dem Ziel einer dauerhaften Beilegung der Konflikte in der Region aufzunehmen”, schließt die elfseitige Erklärung, zuletzt doch mit überwältigender Mehrheit angenommen.

Kritik übte bei der Vollversammlung vor allem die orthodoxe Kirche: Der ORK weiche in steigendem Maße von dem Ziel der Wiederherstellung der Einheit der Kirchen ab: die Beziehungen des ORK zu anderen Religionen bereiteten den Orthodoxen Sorge, weil der Dialog theologisch zu oberflächlich geführt werde; die Forderung nach einer eucharistischen Gemeinschaft der im ORK miteinander verbundenen Kirchen berücksichtige das orthodoxe Kirchen- und Sakramentsverständnis nicht; nicht zuletzt nahmen die Orthodoxen Anstoß am immer stärkeren Einfluß der Jugend und der Frauen.

Mit Zurückhaltung verfolgten die 26 Beobachter der römisch-katholischen Kirche die Vorgänge. Aus einigen Bemerkungen war zu entnehmen, daß auch sie eine fundierte theologische Arbeit vermissen.

„Nun soll auf eine Charta der Rechte der Schöpfung hingearbeitet werden”

Der Leiter des päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Erzbi-schof Edward Cassidy, betonte die gute Zusammenarbeit zwischen seiner Kirche und dem Weltkirchenrat, vor allem in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, bekräftigte aber, die römischkatholische Kirche werde dem Weltkirchenrat in absehbarer Zeit nicht beitreten.

Der Ruf nach Frieden in Gerechtigkeit hat diese Versammlung wie ein roter Faden durchzogen und wird, zusammen mit dem Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung, wohl auch weiterhin Schwerpunkt der Arbeit des ORK bleiben. Nach der Deklaration der Menschenrechte soll auf eine „Charta der Rechte der Schöpfung” hingearbeitet und internationale Organisationen sollen zum Schutz dieser Rechte gestärkt und gewonnen werden. Eine ökumenische Spiritualität und Erneuerung der Ortsgemeinde im ökumenischen Geist wird gefordert; verheißungsvolle Bausteine dafür waren die Gottesdienste der Vollversammlung und Berichte von vielen ökumenischen Aktivitäten in den Kirchen.

„Der Heilige Geist befreit Menschen, zu engagierten Haushaltern der Schöpfung, der Kirche und der Gemeinschaft zu werden.” „Komm, Heiliger Geist, erbarme dich unser, erneuere uns und mache uns zu deinen Zeugen in der Welt.”

Der Autor ist Superintendent der Evangelischen Kirche A. B. in Kärnten.

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