Ein Angebot zu ebener Erde

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Manchmal stimmt die Redensart "In Wien beginnt's" ja doch noch: 2005 hat hier die erste "lange Nacht der Kirchen" stattgefunden. Und wurde - wegen Erfolgs - längst prolongiert.

Ein markantes Zeichen des Lebens der christlichen Kirchen in der Stadt sollte es im Jahr 2005 werden, das die Kirchen geben wollten. Die Idee zur "Langen Nacht der Kirchen" war nach dem Großstadtsymposium 2001 und der Stadtmission 2003 entstanden, als viele Gemeinden ein neues Bewusstsein für die "Kirche in der Stadt" entwickelten. Mit verschiedenen Initiativen versuchten die Pfarren, sich ganz ebenerdig an eher fern stehende Menschen zu wenden.

Die Zustimmung zum Projekt "Lange Nacht der Kirchen" war bei den Pfarrgemeinden groß. "Wir hatten anfangs mit etwa 60 Kirchen, die mitmachen, gerechnet. Dass es im ersten Jahr letztendlich 187 Kirchen waren, die in dieser Nacht Programm angeboten haben, hat uns sehr stolz gemacht", betont der Projektleiter in Wien, Bernhard Linse. Dabei ist das Besondere in dieser Nacht, dass kein Eintritt verlangt werden darf. Ein "ebenerdiges" Angebot sollte die Vielfalt der christlichen Kirchen und religiöser Ausdrucksformen erlebbar machen und damit das Interesse an den kulturellen Leistungen der Kirchen wecken.

Nicht allein die katholische Kirche ist Trägerin, sondern von Beginn an ist die "Lange Nacht der Kirchen" ein ökumenisches Projekt. Alle Kirchen, die im Ökumenischen Rat vertreten sind, beteiligen sich. Die Zusammenarbeit der einzelnen Pfarrgemeinden ist sehr gut und findet besonders zwischen den Pfarrgemeinden in den Bezirken statt. Am Beginn der Langen Nacht der Kirchen stand und steht immer eine ökumenische Eröffnungsvesper als Zeichen der Gemeinsamkeit. Wie Hansjörg Lein, Superintendent der Evangelischen Kirche A.B. formuliert, ist "die, Lange Nacht der Kirchen' eine gute Gelegenheit, die einzelnen Teile des Leibes Christi näher kennenzulernen, an ihren verschiedenen Orten, mit ihren verschiedenen Begabungen und Fähigkeiten. So wie sich das alltägliche Leben in Wien an konkreten Orten abspielt, so auch das kirchliche Leben in seiner Vielfalt und Buntheit. Mitten im Herzen der Stadt, in der sogenannten City, genauso in den Pfarrgemeinden der Außenbezirke und am Stadtrand. Jeder Teil ist wichtig, jede kleine oder größere Kirche, jede Gemeinde steht in einem lebendigen Austausch mit den anderen. Hoffentlich!"

Gerade die "kleinen" christlichen Kirchen können sich in der "Langen Nacht der Kirchen" präsentieren. So schreibt der Bischofsvikar der bulgarisch-orthodoxen Kirche, Pfarrer Ivan Petkin: "Mit großer Freude und Liebe begrüßt unsere Kirche alle ökumenischen Initiativen, die zur Einheit der Kirche führen." Im Gästebuch brachte es "Maria" auf den Punkt, was man in der "Langen Nacht" oft gehört hat: "Was mich besonders gefreut hat, war die Ökumene! Wir haben die Gelegenheit genützt und waren unter anderem in der altkatholischen Salvatorkapelle und haben einen Teil der armenisch-apostolischen Liturgie mitgefeiert - eine gute Gelegenheit, mit verschiedenen Christen in Kontakt zu kommen."

Interesse an "unbekannten" Orten

Eine der ersten Erfahrungen der "Langen Nacht" zeigte, dass bei den Besuchern das Interesse an Führungen gerade zu eher unbekannten Orten in der Kirche und an Kirchenmusik - von alt bis neu -sehr ausgeprägt ist. Berichte von Warteschlangen vor Turmaufgängen oder in Krypten zeugen davon. Wie viele andere Kulturgüter sind auch Kirchen einfach selbstverständlich da, ohne dass sie im Alltag große Beachtung finden.

Die Kreativität der Menschen in den Pfarrgemeinden und Kirchen kannte und kennt wenig Grenzen. So fanden sich von Anfang an im Programmheft für Wien viele speziell gestaltete Gottesdienste und Andachtsformen, Kirchenchöre traten auf neben Popgruppen. Führungen zu kunstgeschichtlichen Details bis zu Lesungen und Meditation waren gut besucht und brachten teilweise viel Leben in die Kirchen. Die Lange Nacht gibt einen Rahmen ab, in dem die verschiedenen pfarrlichen Aktivitäten anders präsentiert werden können als im Rahmen von Gottesdiensten während des Jahres. Das erweitert die Spielräume - und dennoch ist das Programm der Langen Nacht nicht "zugekauft" oder frei erfunden. Es spiegelt die Vielfalt kirchlichen Lebens, komprimiert und gerichtet nach außen, nach dem Motto: "Kommt, und seht …" Alleine im Stephansdom waren im Jahr 2008 etwa 50.000 Besucherinnen und Besucher gezählt worden. Kirche versteht sich nicht nur als Ort der Mystik und Spiritualität, sondern auch als Ort des Dialogs und der Auseinandersetzung zu Fragen des gesellschaftlichen Lebens und politischen Denkens. Viele Diskussionen zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen bestätigen dies.

Tausende Menschen sind in der "Langen Nacht" geplant unterwegs. Ausgerüstet mit einem genauen Zeitplan, einem Programmheft (zur Sicherheit), einem Stadtplan, guten Schuhen und einer Wasserflasche, denn Einkehren würde Zeit kosten. Trotzdem landen viele "zufällig" in dieser oder jener Kirche und "bleiben hängen"; das zeigen auch Gästebucheinträge auf der Website. "Wir sind nach einem Kinobesuch an der Kirche Maria am Gestade vorbeigekommen, das schöne Licht hat uns angezogen, und so sind wir ungeplanterweise mit der Langen Nacht der Kirchen in Berührung gekommen. Der Blick in die Sakristei war auch sehr interessant, irgendwie wie eine Kirche in der Kirche. Begeistert von den Eindrücken gingen wir weiter …Noch nie wurde mir die Vielfalt im Ausdruck Gottes anhand der Bauwerke der Kirchen so bewusst wie in dieser Nacht. Eine sehr schöne Veranstaltung, die dem Ziel, den Menschen in unserer Zeit Gott näher zu bringen, gerecht wird. Nächstes Jahr werden wir sicher gerne wieder daran teilnehmen, und es auch allen empfehlen, die dafür offen sind!"

Begonnen hat die "Lange Nacht der Kirchen" als ein Projekt in der Stadt. Der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, sieht auch eine Parallele zwischen Politik und Kirche, eine gemeinsame Aufgabe: "Die Aufgabe, den Dialog zwischen den Menschen auf allen Ebenen zu fördern, uns gegenseitig mit Respekt und Achtung zu begegnen und vorzuleben, dass es sich lohnt, Engagement für das, woran man glaubt, an den Tag zu legen."

Die Innenstadtkirchen sind gut zu Fuß erreichbar und ein Wechsel in eine andere Kirche ist leicht möglich. Aber schon bald zeigte sich, dass es nicht städtisch bleiben wird, denn bereits am Anfang beteiligten sich viele Pfarren am Land und nutzen die Gelegenheit, die eigene Pfarre ins Zentrum des Interesses der Menschen zu stellen.

Seit der ersten "Langen Nacht" ein Erfolg"

Die "Lange Nacht der Kirchen" ist seit der ersten Nacht ein großer Erfolg. Etwa 100.000 Gläubige, Interessierte, Touristen und Neugierige zählte man in der ersten Langen Nacht. 2006 waren es mit Linz schon zwei Großstädte und noch mehr Kirchen, die gemeinsam die Menschen zum nächtlichen Besuch einluden. Auch in den Jahren 2007 und 2008 expandierte das Projekt weiterhin. Von 261 Kirchen in den Diözesen Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Wien, auf 566 Kirchen in ganz Österreich. Erstmals war - als zehnte Diözese -auch die Militärdiözese dabei.

"Eine bunte und herzliche Kirche wurde sichtbar, die bei vielen Menschen punkten konnte", zog der Wiener Bischofsvikar Karl Rühringer 2008 Bilanz.

Was der griechisch-orthodoxe Metropolit, Michael Staikos, im Jahr 2008 als Idee äußerte, rückt in diesem Jahr ein Stück näher: "Ich stelle deshalb die bescheidene Frage in den Raum, ob nicht die Länder Mitteleuropas … im Sinne einer ökumenischen EU - als sinnvolle Ergänzung von politischen und wirtschaftlichen Interessen - für die grandiose Idee zu gewinnen wären." War im letzten Jahr ganz Österreich beteiligt, so ist heuer auch die Partnerdiözese der Erzdiözese Wien, Brünn (Brno) mit einer, Noc kostel\0x02DAu' beteiligt und in der Diözese Plzen (Pilsen) wie auch in Slowenien und Südtirol beteiligen sich Kirchen an der Langen Nacht.

Anfangs gab es auch Kritik an der "Langen Nacht", wie sie etwa von "Romana" im Gästebuch formuliert wurde: "Wenn man der Seele einen Ruheplatz bieten möchte, dann darf man kein lärmendes Event machen. Da wird wieder einmal etwas veranstaltet, das völlig am Sinn der Sache vorbeigeht." Diesen kritischen Anfragen stellten sich die Pfarren und Kirchen. Bewusst wurde auch in vielen Kirchen ein spezielles Angebot im spirituellen Bereich gestaltet. Die Besucher sollen direkt bei ihren kulturellen, spirituellen oder religiösen Interessen angesprochen und ernst genommen werden. Für die Kirchen gibt es keinen "Zwang zur Beteiligung". Dadurch können die teilnehmenden Kirchen ihr Programm als "zweckfreies Zugehen" auf die Besucherinnen und Besucher gestalten.

Was die "Lange Nacht" letztlich bringt, ist nicht messbar. Kein Pfarrer wird am Sonntag vor einer volleren Kirche predigen, aber Mancher bekommt einen neuen Zugang zu Kirche. Und eine offenstehende Tür ist immer leichter durchschritten, als eine, die erst durch Anklopfen geöffnet werden muss.

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