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In Oslo 1947

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Vom Evangelischen Jugendwerk in Österreich geht der „Furche“ über die von der gesamten Weltpresse vielbeachtete Zweite christliche Weltjugendkonferenz, an der auch eine Delegation der Pax Romana teilnahm, ein Bericht zu, dem wir nachstehend gerne Raum geben.

Im August 1939 trafen in Amsterdam zum erstenmal 1500 junge Christen aus mehr als 70 Ländern zusammen, um gemeinsam das Bekenntnis abzulegen „Christus Victor“ — Christus ist Sieger. Als viele der Delegierten noch auf der Heimreise waren, lösten die ersten Schüsse in Polen den entsetzlichen Weltbrand aus, der die halbe Welt in Vernichtung und Chaos stürzte. War es ein ungerechtfertigter Optimismus, der diese jungen Menschen in Amsterdam zusammengeführt hat, der nun gefolgt war von einer furditbaren Ernüchterung und einer Zerstreuung in alle vier Winde? Heute, da wir das Erlebnis der Zweiten Weltkonferenz christlicher Jugend hinter uns haben„ können wir erkennen, daß es eine Tat des Glaubens war. Das junge Mädchen, das auf der Flucht aus ihrem Lande nur die Bibel und die Liste der Delegierten von Amsterdam mitnahm, ist genau so ein Symbol für den Geist dieser Jugend wie der Franzose, der schrieb: „Ich bekenne meinerseits mit Freuden, daß hinter den Maschinengewehren im September, einen Monat nach Amsterdam, im Nebel des Rheins in den schlimmsten Stunden des 19. Juni 1940, als alles verloren war, während meines traurigen Lebens als Kriegsgefangener und schließlich unter der Besetzung die Vision von Amsterdam, .Christus Victor', mir die Kraft zum Leben gab.“

Nun, acht Jahre nach diesem ersten Treffen der christlichen Jugend, kamen in Oslo erneut 1200 junge Christen aus 76 Nationen und aus den verschiedensten Kirchen der Reformation zusammen, um ger meinsam das Bekenntnis abzulegen: „Jesus Christus ist der Herr.“ Bei der eindrucksvollen Eröffnungskundgebung in der mächtigen Philadelphiahalle brachte der General-' Sekretär des ökumenischen Rates der Kirchen, Dr. W. A. V i s s e r't H o o f t, zum Ausdruck, wie schmerzlich es empfunden werde, daß die Vertreter der christlichen Jugend Sowjetrußlands nicht anwesend sein konnten und daß auch eine ganze Reihe von südosteuropäischen Staaten entweder gar nicht oder nur durch im Ausland lebende Delegierte vertreten war. Auch die starke japanische Abordnung hatte die Ausreiseerlaubnis nicht rechtzeitig erhalten und konnte nur einen in Genf lebenden Japaner entsenden. Neben vielen anderen befreundeten Abordnungen konnten bei der Eröffnungssitzung auch sechs Delegierte der Pax Romana begrüßt werden.

Zu den eindrucksvollsten Erlebnissen der Konferenz gehörte die Tatsache, daß hier auf dem Boden des Evangeliums wohl zum erstenmal nach dem Kriege Vertreter von beiden Seiten der Fronten völlig gleichberechtigt und br üd erlich zusammenarbeiteten. Auch der Unterschied in der Hautfarbe spielte keine Rolle. Die junge Inderin und der junge Deutsche führten mit derselben Selbstverständlichkeit den Vorsitz bei den täglichen Vollsitzungen wie der junge Amerikaner oder Engländer. Der Ferne Osten und der große afrikanische Kontinent hatten starke Abordnungen geschickt und hatten bei allen Diskussionen einen entscheidenden Anteil.

Gleich am ersten Tage unseres Zusammenseins legt sich ein Sdiatten auf die Konferenz, als die tschechische Vorsitzende bekanntgab, daß der Konflikt in Indonesien zum vollen Ausbruch gekommen war. Alle bewegte die Frage: Was werden die starken

Delegationen aus Holland und Indonesien in dieser Situation tun? Es war ein bewegender Augenblick, als die beiden Delegationen bekanntgaben, daß sie zusammen gebetet haben und bereit sind, die Schuld auf sich zu nehmen, die jedes der beiden Völker an dem Ausbrudi des tragischen Konflikts trägt. Die gleiche brüderliche Gesinnung kam zum Ausdruck, als die französische Abordnung nach einer Aussprache mit den Vertretern der Tschedioslowakei eine Erklärung veröffentlichte, in der das Bedauern über das Verhalten Frankreichs zur Zeit der Münchner Besprediungen ausgesprochen wurde: „Wir bitten die tschechische Delegation, unsere Reue darüber anzunehmen, was als Betrug im Namen unseres Volkes begangen wurde, ein Betrug, der von allzu vielen Franzosen als Preis für einen egoistischen Aufschub begrüßt wurde. Wir bitten Gott, zwischen unseren Delegationen durch die Gnade seiner Vergebung eine wahre Gemeinschaft zu schaffen.“

Den Eröffnungsgottesdienst im Osloer Dom hielt Bischof Berggrav, der seine mannhafte Haltung zur Zeit der deutsdien Besetzung mit Gestapohaft hatte büßen müssen. Jeder Tag wurde mit einem Gottesdienst nach der Ordnung der verschiedensten bei der Konferenz vertretenen Kirchen begonnen. Am Sonntag nahmen mehr als tausend an der mit der lutherisdien Hochmesse verbundenen Feier des Heiligen Abendmahles teil. Am nächsten Tag feierten wir mit dem Bischof Panteleimon von Edhessa die heilige Liturgie der orthodoxen Kirdie. Für die katholischen Delegierten wurde täglich die heilige Messe in der St.-Olavs-Kirche zelebriert.

Die Hauptvorträge führten in die reale Situation der heutigen Weltlage und das zentrale Anliegen der christlidien Botschaft hinein. D. T. N i 1 e s aus Ceylon begann mit einem Vortrag: „Der Gott der Bibel in der Geschichte“, in dem er in tiefgegründeten Gedanken den Weg Gottes in der Geschichte der Menschheit zeigte. Es gehört mit zu den Erfahrungen dieser Konferenz, daß gerade die Vertreter der Kirchen aus dem Fernen Osten wie auch aus Afrika die

Botschaft des Evangeliums mit biblischer Klarheit und radikaler Schärfe betonten. In die ganze Not unserer heutigen geistigen Weltlage führte die Französin M a d e 1 e i n e Barot mit ihrem Vortrag: „Moralisches Chaos“ ein, der durch die Ausführungen des Amerikaners Dr. Reinhold Niebuhr in seinem Vortrag: „Die menschliche Zerrüttung und Gottes Plan“ in anschaulicher Weise unterstrichen wurde. Hingewiesen sei noch auf den letzten Vortrag, den Pastor N i e m ö 11 e r hielt über das Thema: „Christus ist der Herr der Zukunft.“

Einen Höhepunkt der Konferenz bildete der Vortrag des chinesischen Jugendführers Li Chu Wen, der über Die Weltkirche“ sprach. Seine Gedanken faßten die Grundanliegen zusammen, die zur Abhaltung dieser Konferenz geführt haben: gegenüber einer total säkularisierten Welt die Kräfte des Glaubens zu einigen. Die Welttreffen christlicher Jugend in Amsterdam und Oslo sind aus dem Verlangen entstanden, die Zusammenarbeit der christlichen Weltjugendbünde zu vertiefen. Hinter diesen Konferenzen stehen in der ganzen Welt die im Weltbund der „Christlichen Vereine junger Männer“, im „Christlichen Weltbund weiblicher Jugend“, im „Christlichen Studentenbund“ und in der „Jugendabteilung des ökumenischen Rates der Kirchen“ vereinigten Gruppen christlicher Jugend. Sie haben Zeugnis dafür abgelegt, daß die Weltzusammenarbeit der christlichen Jugend weder nur ein Gedanke auf dem Papier ist noch bloß ein Arbeitsprogramm eines Komitees bedeutet. Diese Zusammenarbeit ist ein in hundertjähriger Geschichte wohlaufgebautes, historisch verwurzeltes System von Beziehungen. Ihnen haben wir Oslo zu danken. An der Seite dieser 1200 jungen Männer und Frauen bei der Konferenz in Oslo stehen Millionen in der ganzen Welt, die mit ihren Gedanken und Gebeten bei ihren abgeordneten Vertretern waren. Sie sind die Gewähr dafür, daß Oslo nicht nur eine interessante internationale Konferenz war. Diese Tagung hat vor aller Welt bezeugt, daß aus der brüderlichen Zusammenarbeit der christlichen Kirchen und Bewegungen eine der einigendsten und schöpferischsten Kraft für diese entzweite und verwirrte Welt entstehen kann, wenn wir nur alle bereit sind, unseren Anteil auf uns zu nehmen. Wir bringen von dieser Konferenz die Hoffnung mit nach Hause, daß dieses Treffen der christlichen Jugend ein-weiterer gewaltiger Schritt vorwärts auf dem Wege der ökumenischen Beziehungen der Kirchen bedeut. Und wir alle haben nun unter Beweis zu stellen, ob dieses ungeheure Bekenntnis: „Jesus Christu ist der Herr“ nur ein leeres Schlagwort war oder die ehrliche Überzeugung einer Generation, die bereit ist, im Leben und im Tode ihre Wahrheit zu beweisen.

Landesjugendsekretär Willi Kimmel

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